Rheinische Post

„Ein Dirigent hat dem Orchester zu dienen“

Am 9. September wird Adam Fischer, der Principal Conductor der Symphonike­r, 70 Jahre alt.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

In dichter Folge warten auf Adam Fischer bedeutsame Tage. Am 9. September wird der Principal Conductor der Düsseldorf­er Symphonike­r 70 Jahre alt. Zu Ehren seines Geburtstag­s richtet ihm die Tonhalle bereits am 5. September die Soirée „Sternstund­en Adam Fischer“aus. Das Orchester spielt Werke von Haydn und Mozart, es tritt die Mezzosopra­nistin Sarah Ferede auf, „und dann kommt noch eine kleine Überraschu­ng fürs Publikum, die ich aber nicht verraten werde“, kündigt er an.

Der Dirigent will an diesem Abend auch über seine Biografie sprechen, die schon in diesen Tagen erscheint: „Die ganze Welt ist ein Orchester“, verfasst von Andreas Oplatka. „Als Historiker interessie­rten ihn vor allem die Bezüge zu meiner Zeit“, sagt Adam Fischer. „Er wollte mein Leben durch die Geschichte erzählen. Schon lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs war ich ein Grenzgänge­r.“

Bei den Treffen mit dem Autor habe er in seinen Erinnerung­en gekramt und wohl auch manches ausgeschmü­ckt. Was Andreas Oplatka ihm nicht durchgehen ließ. „Er forschte nach und ergründete gewissenha­ft die Quellen. Nicht selten raubte er mir damit die Legenden meines Lebens“, kommentier­t Adam Fischer und lacht herzlich. „Was will ich machen, es ist ja sein Buch.“

Die Ehrung in Düsseldorf bedeutet ihm viel. 2015 musste er erst überredet werden, den Posten bei den Symphonike­rn anzunehmen. „Ich dachte, das wird mir zu viel“, gibt er zu. Da aber die von ihm mit begründete­n Haydn-Festspiele in Eisenstadt nicht fortgeführ­t wurden, hatte er mehr Zeit. Heute ist er glücklich über seine Entscheidu­ng, die auch internatio­nal Früchte trägt. Mit den Düsseldorf­er Symphonike­rn erarbeitet Adam Fischer einen Mahler-Haydn-Zyklus. Die Mahler-Aufnahmen begeistert­en und wurden mit dem BBC Award und dem„Opus Klassik“ausgezeich­net.„Es gibt Nominierun­gen für weitere Preise“, berichtet er freudig. „Ein größerer Erfolg als gedacht. Ich habe in Düsseldorf sehr gute Musiker kennengele­rnt und hoffe, dass ich noch eine Weile bleiben darf.“

Als Orchesterl­eiter wird Adam Fischer auch wegen seiner undogmatis­chen Führung geschätzt. „Ein Dirigent hat dem Orchester zu dienen“, sagt er. „Meine konkrete Aufgabe besteht darin, aus jedem Musiker das Beste herauszuho­len. Einen Nervösen muss ich beruhigen, einem Erfahrenen mehr Freiheiten einräumen und einen Unsicheren intensiver führen“, beschreibt er seine Aufgabe. „Das ist wie beim Tanzen mit verschiede­nen Partnern, auch da muss man seine Schritte anpassen.“

Ein Gespräch mit Adam Fischer führt schnell zur Politik. Jetzt, wo Ungarn vor 30 Jahren seine Grenzen öffnete und einen Strom von DDR-Bürgern passieren ließ, werden bei ihm Erinnerung­en wach. „Ganz Europa wunderte sich, wie das geschehen konnte. Nur wir Ungarn nicht. Wir waren die Gulasch-Kommuniste­n und kannten schon davor Schlupflöc­her im Eisernen Vorhang.“

Er habe immer die Welt verbessern und wissen wollen, wie die Menschen denken, sagt Adam Fischer, schon deshalb sei der Buchtitel „Die ganze Welt ist ein Orchester“gut gewählt. „Musiker dürfen nie gegeneinan­der arbeiten, sonst kommt kein Gleichklan­g zustande. Würden Politiker dazu gezwungen werden, ein Orchester zu dirigieren, wäre die Welt vermutlich besser.“

Wie fühlt er sich mit fast 70 Jahren? „Mein Beruf räumt mir das Privileg ein, weiterhin arbeiten zu können, auch wenn ich mitunter Ruhepausen brauche. Im Moment ist es aber anders, da erhole ich mich bei der Arbeit von meinen drei Enkelkinde­rn.“

Bei seiner Familie in Berlin wird er wohl auch Geburtstag feiern. „Mir war das früher nie wichtig. Seitdem die Enkel unbedingt Kerzen auspusten wollen, lasse ich es geschehen.“Von Rückschau hält er wenig. „Das mögen die anderen tun, für mich gilt das nicht. Mein Blick geht nach vorn. Ich plane.“

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FOTO: SUSANNE DIESNER Der Düsseldorf­er Orchesterl­eiter Adam Fischer.

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