Rheinische Post

Eine Rundfahrt mit der Radlegende Tom Ritchey

Der Miterfinde­r des Mountainbi­kes dreht mit Radsportle­rn eine Runde über Stock und Stein. Der Tüftler musste dabei immer wieder auch mal zum Werkzeug greifen.

- VON CLEMENS HENLE

Im sonnigen Innenhof stehen rund 30 Radfahrer, trinken noch schnell einen Kaffee und unterhalte­n sich über den Stargast der heutigen Ausfahrt. Und der kommt dann auch mit ein Paar Minuten Verspätung, aber unter Applaus, auf den Hof des Radladens Schicke Mütze in der Talstraße gefahren. Tom Ritchey sitzt vorne, hinter ihm auf dem Tandem seine Frau Martha. Da ist er also endlich, der Miterfinde­r des Mountainbi­kes und vieler anderer Innovation­en in der Fahrradtec­hnik.

Trotz seiner 63 Jahre ist Tom, wie ihn alle hier nur nennen, ein schlanker, durchtrain­ierter Radfahrer. Das bestätigt auch seine Frau Martha. „Wir fahren zu Hause fast täglich zusammen auf dem Tandem unsere Runden“, sagt sie. Dass sie dabei auch immer noch über Stock und Stein fahren, wird sich im Laufe der rund 50 Kilometer langen Runde zeigen. Denn Tom und Martha werden alle Passagen zu zweit auf einem Rad meistern.

Erstmal nimmt Tom aber einen Imbus zur Hand und justiert seinen Lenker neu – immer beäugt von seinen ehrfurchts­vollen Mitfahrern. Denn wenn es Radikonen gibt, dann gehört Tom dazu.Vor mehr als 40 Jahren schweisste er einen der ersten Mountainbi­ke-Rahmen zusammen. Nördlich von San Francisco hatten sich damals ein Paar radverrück­te Hippies zusammenge­tan und bretterten die Schotterpi­sten des Mount Tamalpais auf alten, schweren Rädern mit rauchenden Rücktritts­bremsen hinunter.

Diese erwiesen sich jedoch als nicht wirklich geeignet für die waghalsige­n Bergabfahr­ten. Bis Tom Ritchey neue Rahmen für breitere Reifen schweisste und unter dem Namen Mountainbi­ke verkaufte. Der Rest ist Geschichte, heute sieht man Mountainbi­kes auf der Kö genauso wie im Hochgebirg­e. Und Toms Rahmen und Rad-Komponente­n schmücken qualitativ hochwertig­e Räder auf der ganzen Welt.

Nach einigen Fotos mit Tom, dessen Markenzeic­hen ein wahrlich imposanter Schnauzer ist, setzt sich dann der Tross in Bewegung. Auf dem Programm steht ein abwechslun­gsreicher Kurs über einige steinige Feldwege, sandige Spuren am Rheinufer und eine kurvenreic­he Fahrt durch den Oberbusch.„Wegen solcher Touren haben wir damals angefangen, uns von den asphaltier­ten Straßen wegzubeweg­en“, sagt Tom zur Rundfahrt. Im neumodisch­en Marketings­prech heißt das dann Gravel-Ride. Im gemächlich­em Tempo und gut gelaunt geht es durch Düsseldorf Richtung Ratingen, auf gutem Asphalt.

Der hört dann aber schlagarti­g im Oberbusch auf. Über Schotter und Kies fährt die Gruppe nun, immer mittendrin auf dem Tandem sind die gutgelaunt­en Tom und Martha. Sie lachen, scherzen mit den Mitfahrern und lassen bereitwill­ig Fotos mit sich machen. Denn Tom ist natürlich nicht nur zum Spass am Radfahren aus Kalifornie­n an den Rhein gekommen, sondern auch hier, um Werbung für seine Firma zu machen. Und für die am nächsten Tag stattfinde­nde Tourenfahr­t „Schotter, Kies und Moos“der Schicken Mütze, für die sich mehr als 100 Radler angemeldet haben.

„Mit einem Radladen wie der Schicken Mütze verbindet mich eine gewisse Idee des Radfahrens“, sagt Tom. Die beruht auf einem Naturerleb­nis auf dem Rad. Das natürlich aus Stahl sein muss und nicht aus modernen, leichten und nicht recycelbar­en Karbonverb­undstoffen. Nicht umsonst kommt der berühmte Ausspruch „Steel is real“von Meister Tom selbst. Er und seine Firma werden nicht bei jedem neuen Trend in der Radbranche mitmachen, versichert er: „Bei uns wird es zum Beispiel niemals einen E-Bike-Rahmen geben.“

Inzwischen ist die Truppe an der Rhein-Fähre in Kaiserswer­th angekommen. Und Martha Ritchey schwärmt über die abwechslun­gsreiche Tour und die schöne Landschaft. Auf der anderen Seite geht es dann nochmal über sandigeWeg­e entlang des Rheins Richtung Talstraße zurück. Dabei zieht Tom das Tempo an, denn ein kühles Bier wartet schon. „Ich habe gestern schon AltBier getrunken, das schmeckt mir sehr gut“, sagt Tom. Doch unter der Kniebrücke passiert es dann.

Mit einem lauten Knall platzt der hintere Reifen am Tandem. Umringt von einer Schar an Zuschauern wechselt Tom in gefühlten zwei Minuten den Schlauch seines Rades. Mit kurzer Pannen-Verzögerun­g gibt es dann nach 50 Kilometern Rundfahrt ein wohlverdie­ntes kühles Alt für Tom und seine Mitfahrer im Hinterhof auf der Talstraße. Und auch hier gehen die Huldigunge­n an Radlegende Tom weiter. So signiert er seine eigene Wackel-Dackel-Statue oder Kaffee-Becher mit seinem Konterfei. Wem solche Devotional­ien gewidmet sind, der muss ein echter Heiliger des Radsports sein.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Tom Ritchey dreht mit seiner Frau Martha regelmäßig Touren mit dem Fahrrad.

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