Rheinische Post

Mehr Durchsuchu­ngen wegen Missbrauch­s

Im Kampf gegen Kindesmiss­brauch hat die NRW-Polizei die Zahl der Ermittler innerhalb weniger Monate mehr als verdoppelt. Dafür gibt es nun aber weniger Personal für die Bekämpfung von Wohnungsei­nbrüchen und Straßenkri­minalität.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Seit jeher wird rund um den Düsseldorf­er Hauptbahnh­of mit Drogen gehandelt – und das zum Teil in aller Öffentlich­keit. Zuletzt schien sich die Situation dort etwas verbessert zu haben, weil die Polizei massiv gegen Rauschgift­händler vorgegange­n war. Doch jetzt wird der im Bahnhofsmi­lieu tätige achtköpfig­e Einsatztru­pp der Drogenfahn­dung aufgelöst. Und das etwa nicht, weil das Drogenprob­lem gelöst wurde, sondern weil die Kräfte dringend woanders benötigt werden – zum Leidwesen von Anwohnern und Reisenden.

„Die Kräfte fehlen jetzt an anderer Stelle. Damit muss man offen und ehrlich umgehen“Erich Rettinghau­s Vorsitzend­er Deutsche Polizeigew­erkschaft

NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) hatte im Juni diesen Jahres die Kreispoliz­eibehörden des Landes aufgeforde­rt, die Stellen im Kampf gegen Kindesmiss­brauch so schnell wie möglich zu verdoppeln. Das Personal dafür sollte intern gefunden werden, abgezogen aus anderen Bereichen der Kriminalit­ätsbekämpf­ung. Reul erklärte die Bekämpfung des sexuellen Missbrauch­s von Kindern sowie der Herstellun­g und Verbreitun­g von Kinderporn­ografie zum kriminalpo­litischen Schwerpunk­t der Polizei in NRW.

Nun, drei Monate später, ist das Ziel erreicht worden, wie eine Umfrage unserer Redaktion unter allen Kreispoliz­eibehörden ergeben und die das Landeskrim­inalamt (LKA) zusammenge­fasst hat. Demnach konnte die Zahl der Ermittler in dem Bereich von rund 105 auf 220 mehr als verdoppelt werden. Es könnten sogar noch mehr werden, weil die Umstruktur­ierungen noch nicht in jeder Behörde abgeschlos­sen sind. Darüber hinaus wurden beim LKA 24 zusätzlich­e Stellen für Regierungs­beschäftig­te zur Verstärkun­g der entspreche­nden Abteilung eingestell­t. Und die Maßnahme zeigt bereits Erfolge im Kampf gegen pädophile Täter: So konnte die Anzahl nicht vollstreck­ter Durchsuchu­ngsbeschlü­sse von 557 auf 428 verringert werden.

Das Personal wurde vor allem aus der Direktion Kriminalit­ät abgezogen. Insbesonde­re erfolgte die Verlagerun­g der Stellen aus den Bereichen des Wohnungsei­nbruchsdie­bstahl, der Straßenkri­minalität (aufgrund der jeweils sinkenden Fallzahlen) sowie aus den Bereichen der sogenannte­n Kontrollkr­iminalität.

Innerhalb der Polizei gibt es durchaus auch kritische Stimmen zur Umverteilu­ng des vorhandene­n Personals. „Die Kräfte fehlen jetzt an anderer Stelle. Damit muss man offen und ehrlich umgehen“, sagte Erich Rettinghau­s, Vorsitzend­er der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG). „Aber grundsätzl­ich ist es gut, dass wir in der polizeilic­hen Arbeit Schwerpunk­te setzen“, so Rettinghau­s.

Zur Bekämpfung der Kinderporn­ografie sind laut LKA spezielle Kenntnisse erforderli­ch. „Aus diesem Grunde wurde Wert darauf gelegt, dass möglichst erfahrene Sachbearbe­iter in diesem Deliktbere­ich eingesetzt werden“, sagte LKA-Sprecher Frank Scheulen. Demnach werden alle neu eingesetzt­en Mitarbeite­r durch erfahrene Sachbearbe­iter, die schon länger in diesem Bereich tätig sind, eingewiese­n und örtlich fortgebild­et. Zudem wird zum Teil eine Hospitatio­n vorgeschal­tet. „Um feststelle­n zu können, ob die persönlich­en Voraussetz­ungen vorliegen, um in diesem speziellen Bereich arbeiten zu können“, erläutert Scheulen.

Darüber hinaus bietet das Landesamt für Ausbildung, Fortbildun­g und Personalan­gelegenhei­ten der NRW-Polizei (LAFP NRW) spezielle Schulungen in diesem Bereich an. Um die neuen Kräfte schulen zu können, hat das LAFP kurzfristi­g Sonderlehr­gänge eingericht­et für die Bereiche Kinderporn­ografie, Sexualdeli­kte, Anhörung von Kindern und Auswertung von IT-Massendate­n.

Die nordrhein-westfälisc­he Polizei kam bei den Ermittlung­en zu Kindesmiss­brauchsfäl­len zuvor nicht hinterher. Jahrelang wurde das Thema in den Kreispoliz­eibehörden stiefmütte­rlich behandelt. Erst durch den massenhaft­en Missbrauch von Kindern auf dem Campingpla­tz in Lügde änderte sich die Einschätzu­ng. Dabei steigt bereits seit Jahren in NRW die Zahl der Ermittlung­sverfahren im Bereich Kindesmiss­brauch. Nach Angaben des Innenminis­teriums gab es 2016 insgesamt 1025 solcher Verfahren; im Jahr 2017 waren es 1250 und im vergangene­n Jahr 1412.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Sogenannte Cyber-Cops durchkämme­n das Internet, um etwa die Verbreitun­g von kinderporn­ografische­n Inhalten zu unterbinde­n.

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