Mehr Durchsuchungen wegen Missbrauchs
Im Kampf gegen Kindesmissbrauch hat die NRW-Polizei die Zahl der Ermittler innerhalb weniger Monate mehr als verdoppelt. Dafür gibt es nun aber weniger Personal für die Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen und Straßenkriminalität.
DÜSSELDORF Seit jeher wird rund um den Düsseldorfer Hauptbahnhof mit Drogen gehandelt – und das zum Teil in aller Öffentlichkeit. Zuletzt schien sich die Situation dort etwas verbessert zu haben, weil die Polizei massiv gegen Rauschgifthändler vorgegangen war. Doch jetzt wird der im Bahnhofsmilieu tätige achtköpfige Einsatztrupp der Drogenfahndung aufgelöst. Und das etwa nicht, weil das Drogenproblem gelöst wurde, sondern weil die Kräfte dringend woanders benötigt werden – zum Leidwesen von Anwohnern und Reisenden.
„Die Kräfte fehlen jetzt an anderer Stelle. Damit muss man offen und ehrlich umgehen“Erich Rettinghaus Vorsitzender Deutsche Polizeigewerkschaft
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte im Juni diesen Jahres die Kreispolizeibehörden des Landes aufgefordert, die Stellen im Kampf gegen Kindesmissbrauch so schnell wie möglich zu verdoppeln. Das Personal dafür sollte intern gefunden werden, abgezogen aus anderen Bereichen der Kriminalitätsbekämpfung. Reul erklärte die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie der Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie zum kriminalpolitischen Schwerpunkt der Polizei in NRW.
Nun, drei Monate später, ist das Ziel erreicht worden, wie eine Umfrage unserer Redaktion unter allen Kreispolizeibehörden ergeben und die das Landeskriminalamt (LKA) zusammengefasst hat. Demnach konnte die Zahl der Ermittler in dem Bereich von rund 105 auf 220 mehr als verdoppelt werden. Es könnten sogar noch mehr werden, weil die Umstrukturierungen noch nicht in jeder Behörde abgeschlossen sind. Darüber hinaus wurden beim LKA 24 zusätzliche Stellen für Regierungsbeschäftigte zur Verstärkung der entsprechenden Abteilung eingestellt. Und die Maßnahme zeigt bereits Erfolge im Kampf gegen pädophile Täter: So konnte die Anzahl nicht vollstreckter Durchsuchungsbeschlüsse von 557 auf 428 verringert werden.
Das Personal wurde vor allem aus der Direktion Kriminalität abgezogen. Insbesondere erfolgte die Verlagerung der Stellen aus den Bereichen des Wohnungseinbruchsdiebstahl, der Straßenkriminalität (aufgrund der jeweils sinkenden Fallzahlen) sowie aus den Bereichen der sogenannten Kontrollkriminalität.
Innerhalb der Polizei gibt es durchaus auch kritische Stimmen zur Umverteilung des vorhandenen Personals. „Die Kräfte fehlen jetzt an anderer Stelle. Damit muss man offen und ehrlich umgehen“, sagte Erich Rettinghaus, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Aber grundsätzlich ist es gut, dass wir in der polizeilichen Arbeit Schwerpunkte setzen“, so Rettinghaus.
Zur Bekämpfung der Kinderpornografie sind laut LKA spezielle Kenntnisse erforderlich. „Aus diesem Grunde wurde Wert darauf gelegt, dass möglichst erfahrene Sachbearbeiter in diesem Deliktbereich eingesetzt werden“, sagte LKA-Sprecher Frank Scheulen. Demnach werden alle neu eingesetzten Mitarbeiter durch erfahrene Sachbearbeiter, die schon länger in diesem Bereich tätig sind, eingewiesen und örtlich fortgebildet. Zudem wird zum Teil eine Hospitation vorgeschaltet. „Um feststellen zu können, ob die persönlichen Voraussetzungen vorliegen, um in diesem speziellen Bereich arbeiten zu können“, erläutert Scheulen.
Darüber hinaus bietet das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der NRW-Polizei (LAFP NRW) spezielle Schulungen in diesem Bereich an. Um die neuen Kräfte schulen zu können, hat das LAFP kurzfristig Sonderlehrgänge eingerichtet für die Bereiche Kinderpornografie, Sexualdelikte, Anhörung von Kindern und Auswertung von IT-Massendaten.
Die nordrhein-westfälische Polizei kam bei den Ermittlungen zu Kindesmissbrauchsfällen zuvor nicht hinterher. Jahrelang wurde das Thema in den Kreispolizeibehörden stiefmütterlich behandelt. Erst durch den massenhaften Missbrauch von Kindern auf dem Campingplatz in Lügde änderte sich die Einschätzung. Dabei steigt bereits seit Jahren in NRW die Zahl der Ermittlungsverfahren im Bereich Kindesmissbrauch. Nach Angaben des Innenministeriums gab es 2016 insgesamt 1025 solcher Verfahren; im Jahr 2017 waren es 1250 und im vergangenen Jahr 1412.