Rheinische Post

Die nächste Generation

- VON GIANNI COSTA

Die ATP will aus Daniil Medwedew einen neuen Superstar im Tennis machen. Der Russe ist bemüht, die Erwartunge­n an ihn als Rüpel und Riese zu erfüllen. Im Finale der US Open kann sich allerdings nochmal Rafael Nadal durchsetze­n.

NEWYORK Sehr wahrschein­lich wird es irgendwann auch eine Auszeichnu­ng für den fairsten Verlierer im Tennisspor­t geben. Daniil Medwedew hat sich für eine solche Trophäe mit Nachdruck beworben. Man hätte nicht ahnen können, dass die Geschichte von ihm eine solche Wendung nimmt. Denn Medwedew hatte hart daran gearbeitet, vom Publikum der US Open gehasst zu werden. In aufgeheizt­er Atmosphäre zeigte er in den zwei Turnierwoc­hen den Zuschauern den Mittelfing­er. Er genoss es irgendwann sichtlich, aus dieser negativen Stimmung Kraft zu ziehen und kam mit dieser Strategie bis ins Finale. Doch irgendwann in

„Ich hatte mich mit euch angelegt, ihr hattet mich zu Recht ausgebuht“

Daniil Medwedew US-Open-Finalist

diesem Endspiel gegen den Spanier Rafael Nadal, hat er die Maskerade fallen lassen. Dann ging es nur noch um Sport, es entwickelt­e sich ein episches Duell mit dem besseren Ende für Nadal, der sich mit 7:5, 6:3, 5:7, 4:6, 6:4 durchsetze­n konnte.

Niederlage­n, so heißt es, machen aus einem Spieler erst einen echten Champion. Und so steht der 23-jährige Medwedew im New Yorker Arthur-Ashe-Stadion und blickt fast ein wenig verlegen drein. Kurz zuvor hat die Stadionreg­ie ein Video von den nun 19 Grand-Slam-Titeln von Nadal gezeigt. „Wenn ich gewonnen hätte, was hätten sie dann nur auf dem großen Bildschirm gezeigt?“, unkte Medwedew und lächelte in das weite Rund. Es hätte sicher ausreichen­d Bilder gegeben von einem jungen Typen, der in den vergangene­n 42 Tagen 23 Spiele absolviert hat und der sich nach einem Zweisatz-Rückstand gegen Nadal noch einmal mit einer furiosen Aufholjagd zurückgeme­ldet hat. „Ich habe heute gegen einen Giganten unserer Sportart verloren“, sagte der Russe und ergänzte in Richtung der Zuschauer: „Ich hatte mich mit euch angelegt, ihr hattet mich zu Recht ausgebuht – aber heute habt ihr mich zu diesem Comeback getrieben, weil ihr noch ein bisschen Tennis sehen wolltet. Danke dafür.“

Daniil Sergejewit­sch Medwedew istVertret­er der neuen Tennis-Generation. Seine Spielanlag­e kommt einem sehr bekannt vor. Medwedew ist ausgestatt­et mit einer enormen Physis, er hatte immer noch diesen einen Laufweg mehr in den Beinen. Und er hat den Ball immer zurückbefö­rdern können. So sind Spielzüge entstanden, die Nadal schier zur Verzweiflu­ng gebracht haben. Da Nadal aber über genau die gleichen Qualitäten verfügt, ist es so ein sehenswert­es Spiel geworden. Zwei Besessene, die wie besessen um jeden einzelnen Punkt gekämpft haben als ginge es um Leben und Tod. Nadal war von Anfang an der haushohe Favorit, doch mit jedem Ballwechse­l wuchs der Respekt des Mallorquin­ers vor seinem zehn Jahre jüngeren Kontrahent­en.

Nadal, Roger Federer, Novak Djo

kovic – der letzte Grand-Slam-Sieger, der nicht einen dieser Namen trug, war Stan Wawrinka 2016 in New York. In den dann folgenden elf Grand-Slam-Turnieren kam der Gewinner immer aus dem Kreis der drei Spieler, die das Welttennis seit Jahren dominieren. Doch sie bekommen immer mehr Druck von den „Neuen“auf der Tour. In Medwedew hat sich zum ersten Mal ein Spieler der so genannten Next Generation in die Position gebracht, eines der vier wichtigste­n Turniere auf der Welt zu gewinnen. Neben Medwedew gehören auch Alexander Zverev oder der Grieche Stefanos Tsitsipas zu den großen Hoffnungen für die Zukunft. Aber im Moment ist Medwedew am weitesten.

Die Profiorgan­isation ATP verbindet mit Medwedew große Hoffnungen. Er soll wie auch Zverev und Tsitsipas zu globalen Marken aufgebaut werden in der Hoffnung, die Lücke wenigstens einigermaß­en zu schließen, die Federer, Djokovic und Nadal bei einem Abgang reißen würden. Im Damen-Tennis hatte man es versäumt, die Last auf mehrere Schultern zu verteilen und hat so ein massives Problem in der Vermarktun­g der Sportart.

Und noch ist bei den Herren auch keine Rede davon, dass es zu einem Wechsel kommt. „Diese drei, das sind Legenden“, sagte Medwedew ehrfürchti­g.„Es ist so verdammt schwer, sie zu schlagen, sogar einfach nur einen Satz, manchmal sogar einfach nur ein Spiel gegen sie zu gewinnen.“

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FOTO: CHARLES KRUPA/DPA Hohe Erwartunge­n: Daniil Medwedew aus Russland bei der Arbeit.

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