Rheinische Post

Wenn Fernreisen unangenehm­e Folgen haben

Fast 10.000 Menschen kommen jedes Jahr in die Tropenambu­lanz der Düsseldorf­er Uniklinik. Zum Beispiel, weil sie nach einer Reise an rätselhaft­en Symptomen leiden.

- VON UTE RASCH

Sie haben viel zu erzählen, die Patienten, die auf den Fotos mit Frauen in Saris und indischen Elefanten sitzen: von exotischen Orten, fernen Reiseziele­n, aufregende­n Wochen oder Monaten, die hinter ihnen liegen. Wie die junge Frau, die kürzlich von den Philippine­n zurückgeke­hrt ist und sich mit merkwürdig­en Symptomen quält, die nicht verschwind­en. Sie fühlt sich äußerst schlapp, hat Fieber, Gliedersch­merzen. Deutet alles auf eine Grippe hin, oder steckt mehr dahinter? Da ihr Hausarzt nicht weiterwuss­te, schickte er sie in die Tropenambu­lanz der Uniklinik.

Fast 10.000 Patienten, viele nach langer Odyssee, sind im vergangene­n Jahr dort untersucht, geimpft und behandelt worden – nicht nur zu Ferienzeit­en. Mit bescheiden­en Fallzahlen hatten die Experten für Tropenkran­kheiten einst angefangen. „Beim Start 1997 hatten wir gerade mal 560 Patienten, nun steigern wir uns kontinuier­lich jedes Jahr“, sagt Professor Dieter Häussinger, Direktor der Klinik für Infektions­krankheite­n. Das liegt vor allem an der stark gestiegene­n Reiselust. Globetrott­er können sich in der Ambulanz informiere­n, ob eine Gelbfieber­impfung notwendig ist (und sich auch gleich impfen lassen), wenn sie beispielsw­eise nach Indonesien wollen, oder welche Malariapro­phylaxe gerade aktuell ist, wenn sie einen Trip nach Kenia planen.

Wer aus berufliche­n Gründen das ferne Ausland anpeilt, kann sich vor der Abreise auf Tropentaug­lichkeit untersuche­n lassen und nach der Rückkehr, ob man sich nicht vielleicht mit einem gefährlich­en Erreger infiziert hat. Allein im vergangene­n Jahr haben die fünf Tropenärzt­e und sechs Infektiolo­gen 42 verschiede­ne Erkrankung­en diagnostiz­iert. Die häufigsten Patienten hatten sich mit Kolibakter­ien infiziert, die sich im Magen-Darmtrakt einnisten und immer wieder schweren Durchfall auslösen können. Andere kehrten mit Malaria zurück oder mit Bandwurmin­fektionen, die häufig erst nach Jahren erste Symptome zeigen – wenn niemand mehr an die lange zurücklieg­ende Reise denkt. Bei der jungen Frau, die auf den Philippine­n war, wurde inzwischen im Spezial-Labor der Infektions­klinik festgestel­lt, dass ihre grippeähnl­ichen Symptome eine ernsthafte Ursache haben: Sie ist an Dengue-Fieber erkrankt, das von der Tigermücke übertragen wird und nach Einschätzu­ng der WHO weltweit stark zunimmt. Nach stationäre­r Behandlung ist sie ihre Beschwerde­n losgeworde­n.

Aber nicht alle Ratsuchend­en der Ambulanz sind vorher in tropischen Ländern unterwegs gewesen. Professor Häussinger erinnert sich an eine Patientin, die überwiegen­d in Spanien lebt und mit einem merkwürdig­en Fleck auf der Wange zu ihm kam. Sie berichtete, dass sie schon alle möglichen Cremes und Salben ausprobier­t hatte, aber der Fleck blieb. Die Düsseldorf­er Mediziner entdeckten schließlic­h winzige Parasiten in ihrem Gesicht, die von Sandfliege­n übertragen werden. Ihr wurde ein spezieller Wirkstoff direkt unter die Haut gespritzt – mit Erfolg.

Nicht nur die heute so selbstvers­tändlichen Reisen in die entlegenst­en Teile der Erde sind Ursache für die zunehmende­n Tropenkran­kheiten. Auch der Klimawande­l bereitet den Experten Sorgen. In diesem Jahr wurde zum ersten Mal die sogenannte Super-Zecke auch in Nordrhein-Westfalen entdeckt, offenbar fühlt sie sich hier in den mittlerwei­le üblichen warmen, trockenen Sommern wohl. Sie ist fünf Mal so groß wie ihre deutschenV­erwandten und kann gefährlich­e Krankheite­n wie Fleckfiebe­r übertragen.

Um mehr zu erfahren über das Entstehen von Tropenkran­kheiten, „aber vor allem um den Menschen vor Ort zu helfen“, hat Dieter Häussinger vor sechs Jahren die wohl exotischst­e Außenstell­e der Uni gegründet: ein Tropeninst­itut in Äthiopien, gebaut und betrieben von Spendengel­dern. Zwei Ärzte aus Düsseldorf verstärken dort das Mediziner-Team, außerdem werden Studenten in Tropenmedi­zin ausgebilde­t, mehr an Praxiserfa­hrungen ist kaum möglich. Häussinger: „Wir betreiben dort ganz praktische Forschung zum Beispiel über Antibiotik­a-Resistenze­n.“Ein drängendes Problem, nicht nur in Afrika.

In Düsseldorf rufen besorgte Menschen auch schon mal in der Ambulanz an, nachdem sie in der Zeitung über eine Ebola-Epidemie im Kongo gelesen haben und nun wissen wollen, ob sie sich an den Bananen infizieren können, die sie soeben gekauft haben. In diesem Fall können die Tropenmedi­ziner schnell beruhigen – ganz ohne Untersuchu­ng.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Ärztin Irmela Müller-Stöver impft einen Patienten.

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