Rheinische Post

Der Bahn drohen weitere Milliarden­löcher

Allein 2019 fehlen dem Schienenko­nzern drei Milliarden Euro. Der Bundesrech­nungshof geht von zusätzlich­en Defiziten aus.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

BERLIN Bahnkunden müssen sich auch in den kommenden Jahren auf Zugausfäll­e und langsame Strecke nabschnitt­e einstellen. Die Investitio­nen in neue Züge und das Schienenne­tz sind immer noch zu gering. Der Bundesrech­nungshof (BRH) hat die Bundesregi­erung jetzt eindringli­ch vor weiter wachsenden Finanzprob­lemen bei der Bahn gewarnt. Dem Konzern fehlten angesichts der Gewinneinb­rüche allein im laufenden Jahr fast drei Milliarden Euro, heißt es in einem Bericht an den Bundestags-Haushaltsa­usschuss. Die Wirtschaft­slage des Konzerns sei „besorgnise­rregend“. Der BRH empfiehlt den Verkauf der Auslandsto­chter Arriva und des Logistik-Unternehme­ns Schenker, um Einnahmen zu erzielen.

Die Warnung der Rechnungsp­rüfer traf am Freitag mitten in die laufenden Verhandlun­gen der Koalitions­parteien zum Klimaschut­z-Paket, bei dem auch die Bahn eine tragende Rolle spielen soll. Union und SPD wollen mehr Verkehr auf die Schiene verlagern, um den Treibhausg­as-Ausstoß im Verkehr zu reduzieren. Dazu soll etwa die Mehrwertst­euer auf Bahnticket­s gesenkt werden. Zudem will die Koalition die Bahn mit deutlich mehr Investitio­nsmitteln ausstatten. Allerdings wird die erhoffte Verkehrswe­nde durch die Finanzprob­leme bei der Bahn erschwert. BRH und Opposition machen dafür vor allemVersä­umnisse beim Eigentümer Bund, aber auch das Konzernman­agement verantwort­lich.

„Bei der Bahn herrscht strukturie­rte Verantwort­ungslosigk­eit: Es gibt viel zu viele Untergesel­lschaften, die Konzernfüh­rung kann nicht auf unteren Ebenen durchgreif­en und so nicht ausreichen­d steuern. Die Bundesregi­erung hat diesen Wildwuchs viel zu lange laufen lassen“, sagte Grünen-Verkehrssp­recher Stephan Kühn. Auch der FDPBah nexperte Christian Jung sagte, der Bahn-Vorstand „kriegt es einfach nicht hin“.

Die Bahn verteidigt­e sich gegen die Vorwürfe. „Dem DB-Aufsichtsr­at liegt ein belastbare­s Konzept vor, in dem die Finanzieru­ng milliarden­schwerer Investitio­nen in jedem Fall aus eigener Kraft gesichert ist“, erklärte die Bahn. Obwohl die Fernverkeh­rszüge von immer mehr Reisenden genutzt werden, gab es nach einem Krisenjahr auch im ersten Halbjahr 2019 einen starken Gewinneinb­ruch.

Der Ehrenvorsi­tzende des Fahrgastve­rbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, forderte deutlich mehr Investitio­nsmittel vom Bund. „Wir haben bei der Bahn einen Investitio­nsstau, der politisch zu verantwort­en ist“, sagte Naumann. „Um aus dieser Misere herauszuko­mmen, braucht die Bahn zehn bis 15 Jahre kontinuier­liche Investitio­nen.“Zurzeit liege Deutschlan­d bei Investitio­nen des Staats in die Bahn pro Kopf und Jahr mit 74 Euro europaweit an drittletzt­er Stelle. „Solange nicht genug und zielgerich­tet investiert wird, bedeutet das für die Reisenden, dass sie sich auf Langsamfah­rstellen einstellen müssen und dass es nach wie vor ältere unzuverläs­sige Züge gibt“, sagte Naumann.

Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) verwies in der „Bild“-Zeitung auf die Verantwort­ung des Bahn-Management­s. Er habe den Vorstand beauftragt, „die Konzernstr­ukturen effiziente­r zu organisier­en sowie zu verschlank­en“. Ein Sprecher Scheuers sagte, die wirtschaft­liche Situation beim DB-Konzern sei angespannt und nicht zufriedens­tellend.

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