Laschet: Bund soll „Sanierung West“bezahlen
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verlangt Geld vom Bund, nachdem der Westen Deutschlands viele Milliarden Euro in den Osten gepumpt hat. Die Forderung nützt ihm politisch, ist aber auch berechtigt. Gerade das Ruhrgebiet muss stark auf holen.
DÜSSELDORF/BERLIN Wie gewann NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die NRW-Wahl 2017? Vorrangig, indem er Amtsvorgängerin Hannelore Kraft (SPD) vorwarf, NRW hinke hinter anderen Bundesländern her. Wie will er die nächste Wahl gewinnen, als Ministerpräsident oder sogar als CDU-Kanzlerkandidat im Bund? Laschet forderte in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“eine „Sanierung West“auf Kosten des Bundes. Die Zeit solle vorbei sein, in der fast nur der Osten als unterstützenswerte Region angesehen worden sei. Nun müsse das Motto lauten: „Gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, heißt auch im Westen zu investieren“. Er sagt: „Hochverschuldete Kommunen im Ruhrgebiet haben sogar Kredite aufgenommen, um den Aufbau Ost mitzubezahlen.“
Zumindest politisch ist Laschets Forderung nach Geld klug: In NRW leben mehr Bürger als in allen neuen Ländern, SPD und Grüne haben ähnliche Vorschläge. Auch sachlich hat Laschet recht: Die Zeit, als NRW und das Ruhrgebiet ökonomischer Antreiber Deutschlands waren, sind lange vorbei. Und während zig Milliarden Euro seit der Wiedervereinigung von Westen nach Osten flossen, hat gerade das Ruhrgebiet an Bedeutung verloren.
Verschuldung Dank Hilfen aus dem Solidarpaket liegt in keinem östlichen Flächenstaat die Verschuldung der Kommunen pro Bürger bei mehr als 260 Euro durch Kassenkredite, während in NRW durchschnittlich 1262 Euro aufgelaufen sind. In Essen kommen 1,7 Milliarden Euro zusammen, in Duisburg 1,3 Milliarden, in Dortmund 1,4 Milliarden. Ein Grund neben vielen Firmenpleiten und hoher Arbeitslosigkeit sind hohe Sozialausgaben wegen eines höheren Zuzugs von Migranten als nach Ostdeutschland. „Wir müssen die Kommunen entlasten“, sagt NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP). Essens OberbürgermeisterThomas Kufen (CDU) erinnert daran, die Region erbringe bei der Integration„eine Leistung für ganz Deutschland“. Jetzt fordert er von Parteifreund Laschet, dass das Land aktiv wird, statt vorrangig auf den Bund zu zeigen: „Ich würde mir wünschen, dass die Landesregierung ein Signal für ein wirksames Landesprogramm zur Altschuldenlösung gibt. Hessen, aber auch das Saarland und Rheinland-Pfalz sind hier inzwischen weiter.“
Arbeitslosigkeit In Leipzig liegt die Arbeitslosigkeit bei 6,6 Prozent, in Dresden bei 5,8 Prozent, in NRW dagegen bei 6,7 Prozent mit Ausreißern nach oben im Ruhrgebiet: Duisburg, Dortmund und Oberhausen haben jeweils etwas mehr als zehn Prozent Arbeitslose, in Gelsenkirchen erreicht die Quote sogar 11,5 Prozent. „Das sind schlechtere Werte als in vielen Städten Ostdeutschlands“, sagt der Prognos-Wirtschaftsforscher Tobias Koch, „das liegt neben neuen Jobs daran, dass aus den ostdeutschen Kommunen viele Menschen nach Westen zogen.“ Infrastruktur Die Straßen in Ostdeutschland sind fast durchgehend neu, in Nordrhein-Westfalen läuft dagegen aktuell ein riesiges Programm, um die heruntergekommenen Straßen zu sanieren. Außerdem muss Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) eine Milliarde Euro bereitstellen, um marode Stadtbahnnetze zu modernisieren. Ostdeutsche Kommunen haben das so nicht nötig. Wettbewerbsfähigkeit Wie schlecht es um Teile des Ruhrgebiets steht, zeigt der „Zukunftsatlas“des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos. Gelsenkirchen liegt demnach nur auf Platz 371 von 401 bundesweiten Plätzen bei einer Bewertung nach 29 Kriterien wie Innovationsfähigkeit, Bevölkerungswachstum, Arbeitsmarkt oderWohlstand. Oberhausen landete auf Platz 378, Recklinghausen auf Platz 349, deutlich schlechter als viele Städte in Ostdeutschland wie Jena (Platz 29), Dresden (Platz 41) und Leipzig (104).
Allerdings profitieren die südlichen Städte des Ruhrgebiets wie Essen (Platz 239) oder Mülheim an der Ruhr (Platz 241) davon, dass sie nahe am Rheinland und besonders an Düsseldorf liegen. „Die Kraft der Rheinschiene strahlt in den Süden des Ruhrgebietes aus“, sagt Prognos-Forscher Koch. Dies sieht auch NRW-Minister Pinkwart so: „Rheinland und Ruhrgebiet sehen wir als zusammenwachsende Rhein-RuhrCity. Von weiterer Zusammenarbeit profitieren alle.“