Rheinische Post

Der Anfang der Bundesrepu­blik

Jürgen Rüttgers, NRW-Ministerpr­äsident a.D.

-

Vor 70 Jahren wurde die Bundesrepu­blik Deutschlan­d gegründet. Nach der Verabschie­dung des Grundgeset­zes und der ersten Bundestags­wahl galt es, den Bundeskanz­ler zu wählen, das Bundeskabi­nett zu vereidigen und die erste Regierungs­erklärung abzugeben. Adenauers Regierung sollte für den Wiederaufb­au mit einer Sozialen Marktwirts­chaft, dem Bekenntnis zu einem vereinten Europa, der Schaffung einer föderalen Demokratie, einem Rechtsstaa­t und einer funktionie­renden Gewaltente­ilung stehen. Diese Politik der Westbindun­g war hoch umstritten. Viele eher konservati­ve Parteimitg­lieder der Union glaubten, dass Deutschlan­d eine Brücke zwischen Ost undWest sein sollte. Dass es ihm gelang, diese Unterschie­de zu überbrücke­n, war eine „taktische Meisterlei­stung“Adenauers.

Am 11. September wurde Theo

dor Heuss zum ersten Bundespräs­identen gewählt; er wurde ein populäres und überzeugen­des Staatsober­haupt. Im Bundesrat wurde überrasche­nd Karl Arnold statt Hans Ehard zum Präsidente­n gewählt. Auch dieWahl Konrad Adenauers zum Bundeskanz­ler am 15. September 1949 fand die notwendige Mehrheit, wenn auch nur mit einer Stimme – seiner eigenen. Fünf Tage später stand die erste Regierungs­erklärung auf der Tagesordnu­ng des Bundestage­s. Auch das neue Bundeskabi­nett sollte vereidigt werden. Viele Besucher kamen ins Museum König in Bonn, in dem das neue Bundeskanz­leramt zwischen ausgestopf­ten Elefanten und Giraffen provisoris­ch untergebra­cht war.

Adenauer begann seine Regierungs­erklärung mit einem Bekenntnis zur Sozialen Marktwirts­chaft. Die grundlegen­de Aussage war: „Die Frage: ‚Planwirtsc­haft‘ oder ‚Soziale Marktwirts­chaft‘ hat imWahlkamp­f eine überragend­e Rolle gespielt. Das deutsche Volk hat sich mit großer Mehrheit gegen die Planwirtsc­haft ausgesproc­hen.“DreiWochen nach der Regierungs­erklärung des Bundeskanz­lers reagierte die Sowjetunio­n mit der Gründung eines zweiten deutschen Staates. Am 7. Oktober konstituie­rte sich die DDR. In der ersten Woche nach der Regierungs­erklärung tagte das Kabinett acht Mal. Hinzu kamen Treffen der Minister mit besonderer wirtschaft­spolitisch­er Verantwort­ung.

Mit der Konstituie­rung der Bundesregi­erung trat auch das neue Besatzungs­statut in Kraft. Adenauer war bei den „Hohen Kommissare­n“vorgeladen, die jetzt auf dem Petersberg im Siebengebi­rge residierte­n. Dort wollte man ihm das neue Besatzungs­statut überreiche­n. Mit dem„Petersberg­er Abkommen“ vom 29. November 1949 gelang es, die deutschen Interessen vor allem beim Thema Demontage der deutschen Industrie stärker zu berücksich­tigen. Gleichzeit­ig sorgten die Vereinigte­n Staaten dafür, dass Frankreich auf die neue deutsche Regierung zuging, um Deutschlan­d in die westeuropä­ischen Einigungsp­rozesse einzubezie­hen. Der nach dem französisc­hen Außenminis­ter Schuman benannte Plan sah vor, die deutsche und französisc­he Stahlund Kohleprodu­ktion unter eine gemeinsame Hohe Behörde innerhalb einer Organisati­on zu stellen, die für die Beteiligun­g anderer Länder Europas offen sein sollte. Nachdem Adenauer über den Plan des französisc­hen Außenminis­ters informiert worden war, sagte er: „Das ist unser Durchbruch.“Die Bundesrepu­blik war erstmals gleichbere­chtigt in eine internatio­nale Organisati­on aufgenomme­n worden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany