Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages wächst die Enttäuschung über den Verlauf der Energiewende. Gleichzeitig befürworten neun von zehn Betrieben zusätzliche Maßnahmen zur CO2-Verringerung.
BERLIN Neun von zehn deutschen Unternehmen befürworten grundsätzlich zusätzliche Klimaschutz-Maßnahmen, damit Deutschland seine Klimaziele bis 2030 und 2050 erreicht. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter rund 2600 Mitgliedsfirmen im Juni hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach nimmt zugleich die Enttäuschung über den bisherigen Verlauf der Energiewende stark zu: Nur noch etwa 15 Prozent der Industrieunternehmen sehen sie noch als positiv für ihr eigenes Geschäft an, wie das so genannte IHK-Energiewende-Barometer zeigt. Die Energiewende wird der Umfrage zufolge von den Unternehmen unter dem Strich so negativ bewertet wie seit vier Jahren nicht mehr. Gerade in der Industrie ist der Rückgang gravierend.
Vor allem die steigenden Strompreise und den schleppenden Netzausbau betrachten viele Betriebe als Indizien dafür, dass die Energiewende nicht vorankommt. „Die Chance, mit nachhaltigen Entscheidungen wieder mehr Vertrauen bei den Unternehmen aufzubauen, ist durch Fehlentwicklungen bei der Energiewende leider empfindlich gestört. Das zieht sich durch alle Branchen und Regionen“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer.
Dabei gibt es in der deutschen Wirtschaft durchaus ein wachsendes Interesse an mehr wirksamem Klimaschutz. 90 Prozent der Firmen unterstützen grundsätzlich zusätzliche Maßnahmen. „Es kommt bei den nun anstehenden Beratungen des Klimakabinetts darauf an, die richtigen Weichenstellungen zu verabreden. Dazu brauchen wir ein Gesamtpaket, mit dem sich Klimaziele effizient und in wirtschaftlich vernünftiger Weise erreichen lassen“, mahnte Schweitzer. Denn in diesem Jahr müssten der Umfrage zufolge erstmals mehr als die Hälfte der Betriebe mehr für den Strom bezahlen als im Vorjahr. „Wer bei diesen Unternehmen Vertrauen gewinnen will, muss ihnen Zeit für Umstellungen gewähren“, sagte Schweitzer.
Komme die erwartete CO2-Bepreisung, bräuchten die Unternehmen einen zeitlichen Vorlauf. Eine solche Übergangszeit sei auch deshalb wichtig, weil es in vielen Fällen noch keine wirtschaftlich verfügbaren Alternativen gebe, etwa im Schwerlastverkehr. Der DIHK-Präsident betonte: „Zentral bei einer CO2-Bepreisung ist, dass die Wirtschaft unterm Strich nicht zusätzlich belastet wird. Denn dies würde in Kombination mit den im internationalen Vergleich hohen Strompreisen ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährden.“Ein wirksamer Ausgleich ließe sich für einen Großteil der Betriebe über die Senkung der Umlage zur Förderung der Erneuerbaren Energien ( EEG-Umlage) erzielen. Unternehmen, die wenig Strom, aber beispielsweise viel Erdgas verbrauchten, müssten zusätzlich entlastet werden. Andernfalls verliere Deutschland seine Attraktivität als Investitionsstandort.
Die Union und die SPD wollen am 20. September ein umfangreiches Maßnahmenpaket zum Klimaschutz beschließen. Kern des Pakets soll ein nationaler Mechanismus zur Verteuerung des CO2-Ausstoßes sein: Wer viel Kohlendioxid produziert, soll künftig stärker belastet werden. Wer dagegen CO2 einspart, soll entlastet werden. Auf viele deutsche Firmen kommen damit Mehrkosten zu, weil der Verbrauch von Brennstoffen teurer werden wird. Die Koalitionsfraktionen denken im ersten Schritt über die Einführung eines Festpreises von 30 Euro pro Tonne CO2 nach. Dadurch könnte sich der Liter Benzin anfangs um sieben Cent pro Liter verteuern, später sollen weitere Schritte folgen.