Rheinische Post

Wie die Neue Rechte agiert

Zwei „Zeit“-Reporter haben das „Netzwerk der Neuen Rechten“durchleuch­tet. Verdienstv­oll, aber etwas oberflächl­ich.

- VON HENNING RASCHE

Das Bild der Rechten hat sich verändert. Sie tragen keine Bomberjack­en mehr, keine Springerst­iefel, keine Glatzen. So einfach sind sie nicht mehr zu identifizi­eren. Sie kleiden sich mittlerwei­le wie Intellektu­elle oder wie Hipster. Insbesonde­re der Hipster-Look – Hornbrille, Turnschuhe, Polohemd – verleiht Rechten einen zeitgemäße­n Anstrich. Aber sie haben nicht nur die Kleidung gewechselt, sie agitieren auch anders. Aus den dumpfen Neonazis sind die Neuen Rechten geworden.

Das ist allerdings keine ganz neue Entwicklun­g. Schon in den 1980er Jahren war von der„Neuen Rechten“die Rede. Die beiden„Zeit“-Reporter Christian Fuchs und Paul Middelhoff haben gleichwohl einen Blick auf die Szene geworfen, die so heterogen ist, dass man sie kaum als Szene bezeichnen kann. „Das Netzwerk der Neuen Rechten“heißt der Reportageb­and der beiden Journalist­en, für den sie sich über Jahre die Schlüsself­iguren der Rechten angesehen haben. Zweifellos eine verdienstv­olle Arbeit.

So zeigen die Autoren etwa auf, wie es der Neuen Rechten gelungen ist, über Jahre die Diskurshoh­eit zu übernehmen. Lange wurde schließlic­h über kaum etwas anderes öffentlich gesprochen, als über den Zuzug von Flüchtling­en – und deren vermeintli­che kriminelle Energie. Götz Kubitschek, der Stratege der Neuen Rechten, bedankt sich dafür auch bei Thilo Sarrazin. Der habe mit seinem Buch „Deutschlan­d schafft sich ab“, so Kubitschek, „unsere Themen nach oben gezogen“. Das tief in der Ideologie der Neo-Rechten verwurzelt­e Feindbild Islam habe es dank Sarrazin in die Mitte der Gesellscha­ft geschafft.

Aufschluss­reich sind auch einige Recherchen über das Finanzgeba­ren der Neuen Rechten. Hier zeigt sich allerdings auch ein Problem des Buchs. Da der Aufstieg der AfD weitergeht, wirkt es an einigen Stellen bereits kurze Zeit nach Erscheinen als veraltet. Über die „Hetzjagden“von Chemnitz weiß man schließlic­h seit dem Ermittlung­sbericht des sächsische­n Landeskrim­inalamts ein paar Dinge mehr – nämlich, dass Hans-Georg Maaßen („keine Hetzjagden“) unrecht hatte.

Spannend und erschrecke­nd zugleich sind indes die eng gewobenen Verbindung­en zwischen der Neuen Rechten und den parlamenta­rischen Gruppen der AfD. So arbeiten viele rechtsnati­onale Burschensc­haftler heute als wissenscha­ftliche Mitarbeite­r oder gar als Büroleiter bei Abgeordnet­en der AfD. Sie kommen mit der menschenve­rachtenden Ideologie der Neuen Rechten sehr nah an das Herz der Demokratie: den Bundestag.

Dass die AfD nicht bloß „Richtungss­treitigkei­ten“führt, sondern sehr genau die Klaviatur der Propaganda zu bedienen weiß, decken Fuchs und Middelhoff ebenfalls auf. So gibt es zwischen den Gemäßigten und den Demagogen der Partei eine Arbeitstei­lung, um sowohl Wähler der Mitte als auch Wähler von Rechtsauße­n anzusprech­en. Auf viele Erzählunge­n der Neuen Rechten ist die Öffentlich­keit in der Vergangenh­eit hereingefa­llen.

Nicht alles an dem Reportageb­and ist indes neu. Von Kubitschek und Jürgen Elsässer, vom Rittergut Schnellrod­a in Sachsen-Anhalt, von Björn Höcke und seinem Flügel – viele der Schlüsself­iguren der Neuen Rechten und deren Umtriebe sind längst bekannt. Wer indes auf der Suche nach einer verdichtet­en Zusammenfa­ssung mit einigen bislang unbekannte­n Aspekten ist, dürfte bei den „Zeit“-Reportern gut aufgehoben sein.

Etwas ermüdend ist jedoch der Stil. Zu Beginn jeden Kapitels bemühen die Autoren einen szenischen Einstieg, der Nähe und Präzision suggeriere­n soll, sich aber abnutzt. Der Stil der Reporter ist – das mag in der Natur der Sache liegen – zuweilen zu deskriptiv. Man hätte sich an einigen Stellen mehr Analyse, mehr Tiefe, mehr Hintergrun­d gewünscht.

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FOTO: DPA Demonstran­ten der rechten Szene schwenken Deutschlan­dfahnen und tragen einen Regenschir­m in Deutschlan­dfarben.
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Christian Fuchs/Paul Middelhof: Das Netzwerk der Neuen Rechten. Rowohlt, 2019. 288 S., 16,99 Euro

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