Rheinische Post

Plädoyer für eine neue politische Debattenku­ltur

- VON MARTIN KESSLER

Die öffentlich­e Rede ist das wichtigste Instrument in der politische­n Auseinande­rsetzung. Um so erstaunlic­her ist es, dass so wenige Autoren sich der politische­n Sprache widmen. Der FAZ-Journalist Oliver Georgi hat es getan und vor allem das Phrasenhaf­te in den Ansprachen vieler Politiker herausgear­beitet. Das ist zunächst wenig überrasche­nd. Denn dass Menschen in wichtigen demokratis­chen Ämtern viel lieber um den heißen Brei herumreden als Klartext zu reden, wird allenthalb­en moniert.

Doch Georgi bleibt nicht beim Lamento stehen. Er macht das Dreiecksve­rhältnis von Politikern, Medien und Wählern dafür verantwort­lich, dass sich Politiker ins Phrasenhaf­te retten. Denn angesichts einer leichten Erregbarke­it des Publikums und der Bereitscha­ft der Medien, auch kleine Fehltritte zu skandalisi­eren, flüchten sich risikosche­ue Politiker in Phrasen und Floskeln.

Wenn aber in einer differenzi­erten Gesellscha­ft alle, die politische Verantwort­ung tragen, zu einer vagen Sprache neigen, wird Politik schnell zum Nullaussag­espiel. Und das macht, so führt Georgi weiter aus, das politische Geschäft anfällig für Populisten, die das herrschend­e Meinungsmo­nopol mit Tabubrüche­n angreifen.

Darin liegt der Wert des Buches. Auch die Empfehlung einer präziseren, wenn auch unaufgereg­teren Streitkult­ur, geht in die richtige Richtung. Trotzdem kann ein Knigge zur politische­n Debattenku­ltur allein Populismus nicht verhindern. Aber das stellt der Autor auch gar nicht infrage.

Oliver Georgi: Und täglich grüßt das Phrasensch­wein. Warum Politiker keinen Klartext reden. Duden, 2019, 224 S., 18 Euro

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