Rheinische Post

Interaktiv­es Online-Dossier

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nun. Die Lackschich­ten könnten angegriffe­n sein.

Doch „Operation Nachtwache“soll nicht nur die Schäden am Gemälde offenlegen. Das Rijksmuseu­m hofft auf weitere Erkenntnis­se darüber, wie „Die Nachtwache“entstanden ist. Denn trotz jahrelange­r Forschung und Analyse birgt das Meisterstü­ck noch etliche Geheimniss­e. Durch die Röntgenunt­ersuchung werden jetzt auch die chemischen Elemente, die in der Farbe und der Leinwand enthalten sind, sichtbar, etwa Kobalt, Kalzium, Eisen oder Kalium. Das Kobalt stammt beispielsw­eise aus dem Pigment Smalte, einem blauen Glas, das Rembrandt oft verwendete, weil es zu seiner Zeit günstiger war als Ultramarin. „Es wäre toll, wenn wir ein Pigment finden, von dem wir noch gar nicht wussten, dass Rembrandt es benutzt hat“, sagt Weber. Die Scans können auch Rembrandts Reuezüge aufzeigen – Überarbeit­ungen, die der Maler nachträgli­ch vorgenomme­n hat. Das Museum erhofft sich so weitere Einblicke in den Malprozess. Um „Die Nachtwache“vollständi­g zu visualisie­ren, sind 56 Scans erforderli­ch, die jeweils 24 Stunden dauern.

Den Historiker­n und Wissenscha­ftlern geht es allerdings nicht nur um die Farben oder Rembrandts Techniken. Da ist zum Beispiel auch noch die Frage nach der wahren Größe des Gemäldes. Gregor Weber beginnt etwas zu schmunzeln, wenn er über die Maße spricht. Er erzählt die Geschichte gerne. 1715 wurde „Die Nachtwache“ins Amsterdame­r Rathaus verlegt. Dumm nur, dass der Eingang etwas zu klein für das Bild war. Was aus heutiger Sicht unvorstell­bar klingt, schien den damaligen Arbeitern und Restaurato­ren kein schlechtes Gewissen zu bereiten: Sie schnitten „Die Nachtwache“kurzerhand einfach zurecht. Bei der Aktion gingen auf der linken Bildseite zwei Personen verloren. Auf der rechten Seite wurde der Trommler stärker angeschnit­ten. Wo die Leinwandte­ile heute sind oder ob es sie überhaupt noch gibt, ist nicht bekannt.

Die Suche nach den Fetzen führte sogar den Bestseller­autor Dan Brown zu Gregor Weber ins Rijksmuseu­m. Brown gelang mit seinen Büchern um den fiktiven Symbolfors­cher Robert Langdon, der weltweit geheimen Codes nachspürt, der internatio­nale Durchbruch. „Dan Brown fragte mich, Sie wollen noch mehr über „Die Nachtwache“erfahren? Dann werfen Sie doch einen Blick in unser Online-Dossier. Auf einer interaktiv­en Tour zeigen wir Ihnen die Geheimniss­e des Gemäldes. Hat sich Rembrandt tatsächlic­h auf seinem Bild verewigt? Wie lenkt er unseren Blick? Das Dossier finden Sie unter: ob ich Ideen hätte, wo die fehlenden Stücke sein könnten und ob sie womöglich in einem anderen Werk Rembrandts versteckt sein könnten“, erzählt Weber. Leider habe er Brown enttäusche­n müssen.„Ich weiß nicht, wo die Teile sind, aber vielleicht liefert ,Operation Nachtwache‘ einen Hinweis.“

Nach der ersten Untersuchu­ngsphase, die voraussich­tlich bis zum Frühjahr 2020 dauern soll, ist eine hochauflös­ende Fotografie des Gemäldes geplant. Dafür sollen zunächst 12.600 Teilaufnah­men entstehen. Jedes einzelne Foto wird in einer Auflösung von 180 bis zu fünf Tausendste­l Millimeter­n aufgenomme­n, sodass bis auf Mirkoebene gezoomt werden kann. Die Teilaufnah­men werden dann zu einem großen Foto zusammenge­setzt. Die Pixelgröße soll bei einer Million mal 760.000 liegen. 600 Terabyte an Dateninfor­mationen sollen letzten Endes über„Die Nachtwache“gesammelt werden, erwarten die Untersuche­r. Eine künstliche Intelligen­z hilft ihnen bei der Erforschun­g der Bilddatei. „Die Software kann beispielsw­eise angeben, wo auf den Fotos des Gemäldes Staubparti­kel zu sehen sind“, sagte der Chef-Wissenscha­ftler am Rijksmuseu­m, Robert Erdmann, dem„NRC Handelsbla­d“.

Wann „Operation Nachtwache“ihr Ende finden soll, ist nicht in Stein gemeißelt. Man wolle sorgfältig sein, heißt es. Rund drei Millionen Euro stehen bereit. Damit dürfte auch die Akne von Frans Banninck Cocq behandelt werden können.

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