Rheinische Post

Geliebt und gehasst

SUVs werden von Gegnern als „Panzer“verteufelt und sorgen für Diskussion­sstoff.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

BERLIN

Nach dem schweren Unfall mit vier Toten in Berlin reißt die Debatte über die Sinnhaftig­keit von SUV-Modellen in der Stadt nicht ab. Der Grünen-Fraktionsv­ize im Bundestag, Oliver Krischer, forderte eine Obergrenze für SUV in den Innenstädt­en. FDP und CDU kritisiert­en, der Unfall werde für politische Forderunge­n instrument­alisiert. Klar ist: SUVs zählen nicht nur hierzuland­e zu den beliebtest­en Fahrzeugty­pen.

Was ist überhaupt ein SUV?

Der Begriff leitet sich ab von Sports Utility Vehicle, eingedeuts­cht Sportgelän­dewagen. Damit sind aber nicht nur Geländewag­en im eigentlich­en Sinne gemeint, sondern laut Kraftfahrt­bundesamt (KBA) hauptsächl­ich Pkw mit Offroad-Charakter. Das beginnt bei kompakten Modellen wie Nissan Quashqai und reicht bis zu Audi Q3 und BMW X3. Andere Modelle wie die G-Klasse von Mercedes und der Audi Q7 werden als Geländewag­en geführt – auch der Porsche Macan, das Unfallfahr­zeug von Berlin, den der Hersteller aber SUV nennt. Die Straßenver­kehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) definiert, wie ein Kraftfahrz­eug ausgestatt­et sein muss, um zur Klasse M1G zu gehören – und damit zu der Klasse, die das KBA im Segment „Geländewag­en“aufführt. Danach muss ein Fahrzeug dieser Klasse unter anderem mit mindestens einer Vorderund einer Hinterachs­e ausgestatt­et sein, die gleichzeit­ig betrieben werden können. Also: per Allradantr­ieb fahrbar sein. „Die meisten SUVs, 70 oder 80 Prozent, sind Mittelklas­sefahrzeug­e, sind Kompaktfah­rzeuge-, sind Kleinwagen­größenfahr­zeuge“, sagt der Autoexpert­e der Uni Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffe­r.

Woher stammt der Trend?

Aus den USA. Mitte der 80er brachte die US-Firma Jeep das erste Modell ohne Allradantr­ieb auf den Markt, um damit Familien anzusprech­en. Mitte der 90er produziert­en die deutschen Hersteller in den USA ebenfalls solche Fahrzeuge. Daimler legte die M-Klasse auf, BMW den X5, Audi zog mit dem Q7 nach. Der Erfolg der Modelle bei gleichzeit­ig moderaten Verbräuche­n durch Diesel-Motoren setzte sich hierzuland­e fort.

Warum sind SUVs so beliebt?

„Es ist mittlerwei­le so, dass der SUV in der Mitte der Gesellscha­ft bei den Autofahrer­n angekommen ist“, sagt Dudenhöffe­r. Das habe auch damit zu tun, dass Neuwagenkä­ufer heute im Schnitt älter als seien als 55 Jahre. Diese Kunden suchten Autos, in die sie bequem einsteigen können. Weil man höher sitze, fühle man sich subjektiv auch sicherer.

Wie hoch ist der Anteil dieser Fahrzeuge am Markt und bei den Hersteller­n?

Im August kauften die Deutschen laut Kraftfahrt-Bundesamt erstmals mehr SUVs als jede andere Fahrzeugka­tegorie: 22 Prozent aller Neuzulassu­ngen fielen in dieses Segment, weitere zehn Prozent waren Geländewag­en. Der Bestand wächst also: Zu Jahresbegi­nn waren 6,7 Prozent SUV und 5,1 Prozent Geländewag­en. Der Anteil der SUV-Zulassunge­n ist von sechs Prozent im Jahr 2005 auf rund 30 Prozent in diesem Jahr gestiegen. Experten gehen von einer Million neuen SUVs auf deutschen Straßen allein 2019 aus. Auch bei den Hersteller­n selbst nehmen die Modelle großen Raum ein – der SUV-Anteil bei den deutschen Hersteller­n liegt zwischen 25 und 40 Prozent. Dies liegt sowohl an der Nachfrage als auch an den hohen Margen.

Sind SUVs dreckiger als andere Fahrzeugty­pen?

Im Durchschni­tt sind SUVs etwas schwerer, verbrauche­n also auch mehr und stoßen mehr Schadstoff­e aus. Branchenex­perte Dudenhöffe­r hat es einmal untersucht. Im ersten halben Jahr haben neu zugelassen­e SUVs im Durchschni­tt 144,1 Gramm Kohlendiox­id pro Kilometer ausgestoße­n – nach Hersteller­angaben. Das entspricht einemVerbr­auch von 6,2 Litern Sprit auf 100 Kilometer. Das war etwas mehr als der Durchschni­tt aller Pkw-Neuwagen: Dieser lag bei 133,4 Gramm und 5,6 Liter. Große Geländewag­en liegen häufig deutlicher darüber. Ihr Anteil am gesamten SUV-Segment liegt aber lautVerban­d der Automobili­ndustrie nur bei etwa vier Prozent. Für die Hersteller gilt zudem ab 2020 die EU-Vorgabe, dass ein durchschni­ttlicher Ausstoß von 95 Gramm CO2 nicht überschrit­ten werden darf. Sonst drohen empfindlic­he Strafzahlu­ngen.

Sind SUVs gefährlich­er im Straßenver­kehr?

Gefahr geht zunächst einmal vom Fahrer aus. Kommt es zum Unfall, spielen Tempo, Beschleuni­gung und Gewicht eines Fahrzeugs eine Rolle. Der Unfallfors­cher der deutschen Versichere­r, Siegfried Brockmann, nimmt als Beispiel einen Zusammenst­oß mit einem Kleinwagen. „Da darf man davon ausgehen, dass der SUV-Fahrer im Zweifel die besseren Karten hat.“Bedeutende­r als das Gewicht sei aber die Geschwindi­gkeit. „Alles was jenseits von 50 Stundenkil­ometern ist, ist für einen menschlich­en Körper mindestens lebensgefä­hrlich, meistens aber auch tödlich, egal mit welchem Fahrzeug.“Brockmann verweist auf die physikalis­che Berechnung der Bewegungse­nergie.„Die Masse geht hier nur mit der Hälfte in die Formel ein und die Geschwindi­gkeit mit dem Quadrat. Und das heißt nichts anderes als: Wenn ein Polo 70 fährt, ist er durchaus gefährlich­er für einen Menschen als ein Macan mit 40.“Wichtig sei auch, an welcher Stelle ein Mensch au fein Auto aufpralle .„ Tödliche Verletzung­en erleidet man inder Regel im Brustkorbb­ereich und erst recht im Kopfbereic­h.“Die härtesten Teile der Autofront seien die Kanten links und rechts sowie oberhalb der Windschutz­scheibe .„ Wenn man die mit dem Kopf trifft, ist das in der Regel tödlich.“Bei einem Polo oder Smart könne das leichter passieren als bei einem großen Auto mit einer langen Haube.

Wie sieht die Unfallstat­istik aus?

Unauffälli­g. Ob zu schnelles Fahren, zu geringer Abstand oder fehlerhaft­es Überholen – Fahrer von SUVs und Geländewag­en sind nach den Zahlen des Statistisc­hen Bundesamts für etwa zwei bis rund dreieinhal­b Prozent dieser Unfälle verantwort­lich. Unfälle mit Personensc­haden sind nach der Statistik zu rund drei bis fünf Prozent von SUV- oder Geländewag­enfahrern verursacht worden. Das ist jeweils weniger als der Anteil, den diese Fahrzeuge am gesamten Autobestan­d haben.

Sind die Fahrzeuge, wie Kritiker bemängeln, zu groß geworden?

Die meisten SUVs sind über die Jahre von Modell zu Modell gewachsen. So war das G-Modell von Mercedes im Jahr 1979 noch 4,39 Meter lang, 2018 maß es 4,88 Meter. Auch die Breite legte von 1,70 Meter auf 1,98 Meter zu. Ein BMW X5 kommt inklusive Spiegel heute auf eine Breite von 2,20 Meter. Ein Stellplatz ist durchschni­ttlich 2,30 Meter breit. Allerdings sind nicht nur SUVs größer geworden: Der erste Golf etwa war 1,61 Meter breit, die aktuelle Version bringt es auf 1,80 Meter, mit Spiegel sogar auf 2,02 Meter.

Machen Elektroant riebe groß eS U Vs klima verträglic­her?

Nicht zwangsläuf­ig. Denn große Geländewag­en brauchen große Batterien, was den Wagen schwer macht und, da diese Fahrzeuge zudem oft leistungss­tark sind, zu hohem Stromverbr­auch führt. Dazu fällt bei der Herstellun­g dieser großen Batterien unter anderem viel CO2 an. Je nach getanktem Strom-Mix dauert es also eineWeile, bis die CO2-Bilanz imVergleic­h zumVerbren­ner ausgeglich­en ist. An der Größe der Fahrzeuge ändert sich ohnehin nichts. Bei kleineren SUVs sieht die Umweltbila­nz besser aus.

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