„Erkennt der Roboter auch Katzen?“
In Kroatien begeistert sich Peter Altmaier für einen automatischen Gabelstapler, in Deutschland erwärmt er sich für einen Weltraumbahnhof. Dabei sind die Probleme des Wirtschaftsministers, vor allem in der Energiepolitik, recht irdisch.
ZAGREB Peter Altmaier ist begeistert, als der selbstfahrende Gabelstapler des kroatischen Start-ups Gideon Brothers auf ihn zukommt.„Erkennt der auch Katzen oder Hunde?“, will er in Zagreb vom Entwickler des Roboters wissen. „Er erkennt Menschen, aber wir können ihn selbstverständlich auch auf Katzen oder Hunde einstellen“, sagt der Unternehmer. Deutsche Firmen hätten ein Rieseninteresse an dem automatischen Gabelstapler, der 24 Stunden im Dienst ist. Schon in wenigen Wochen werde man einen „großen Deal“mit Deutschland ankündigen.
Der Bundeswirtschaftsminister reist zwei Tage durch Kroatien, Montenegro und Serbien, um die Wirtschaftsbeziehungen noch enger zu knüpfen. Kroatien hat ab Januar die EU-Ratspräsidentschaft inne, da macht es sich gut, wenn der Minister vorher mit den Kroaten die Agenda abstimmt, schließlich folgt die deutsche Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr.
Doch während Altmaier seine Pflichten auf diesem Nebenkriegsschauplatz der aktuellen Politik erfüllt, häufen sich zu Hause die unerledigten Aufgaben. Vor allem in der Energiepolitik warten Stromproduzenten, Kohlekumpel und Industrie auf Weichenstellungen. Steigende Strompreise und offene Regulierungsfragen beim Kohleausstieg drücken auf die Stimmung nicht nur der Energiewirtschaft. Und noch ist nicht ausgemacht, ob die Konjunkur, wie Altmaier hofft, zu Jahresbeginn wieder Fahrt aufnehmen wird. Altmaiers Crux ist, dass er zwar als Wirtschaftsminister verantwortlich gemacht wird, wenn die Dinge nicht laufen, wie sie sollten, er sie jedoch selbst nur zum Teil beeinflussen kann, weil ihm in der Regierung die Macht dafür fehlt oder ihm die Bundesländer dazwischenfunken.
Altmaiers persönliche Halbzeitbilanz als Wirtschaftsminister fällt entsprechend durchwachsen aus. Auf der Haben-Seite kann er ein mageres Bürokratieentlastungsgesetz, die Wiedereinführung des Meisterzwangs in einem Dutzend Handwerksberufen, eine umstrittene Milliardensubvention für Batteriezellfabriken und das Strukturstärkungsgesetz verbuchen. Es soll den Kohleausstieg in den betroffenen Regionen mit 40 Milliarden Euro abfedern, ist aber von Bundestag und Bundesrat noch nicht gebilligt worden.
Viel wertvolle Zeit musste Altmaier aufwenden, um die Wirtschaftsverbände wieder zu besänftigen, die er mit einer umstrittenen Industriestrategie gegen sich aufgebracht hatte. Altmaier offenbarte darin eine für einen CDU-Politiker ungewohnte Sympathie für lenkende Eingriffe des Staates, weil er Großkonzerne („europäische Champions“) notfalls mit Staatsgeld vor der amerikanischen und chinesischen Konkurrenz schützen wollte. Die Unions-Spitze war nicht begeistert, so dass Altmaier seine Strategie nun überarbeiten muss.
Auf der Soll-Seite blieb Altmaier Entscheidendes auch wegen dieser Reibungs- und Zeitverluste bisher schuldig: Der Ausbau der erneuerbaren Energien droht hinter den ehrgeizigen Zielen der Regierung zurückzubleiben, der Stromnetzausbau lahmt. „Altmaier geht punktuell Probleme an, aber die große Linie fehlt“, sagt einer der mitgereisten Unternehmer. „Wir brauchen dringend den Ausbau der Stromnetze, der digitalen Netze, der Verkehrswege. Da muss ein Wirtschaftsminister auch mal brachial die Linie vorgeben.“
Und auch zehn Monate nach dem Kohleausstiegsbeschluss hat der Minister noch kein Kohleausstiegsgesetz vorgelegt. Die Grünen fragen sich hinter vorgehaltener Hand, ob dahinter Absicht oder Unfähigkeit steckt. Aus ihrer Sicht legt Altmaier wenig Wert darauf, die Beschlüsse der Kohlekommission zügig umzusetzen, wonach die ersten Kohlekraftwerke bereits 2020 und 2021 abgeschaltet werden sollten. In einem Brandbrief an Altmaier hatten fünf Kommissionsmitglieder unlängst gewarnt, der Zeitplan für den Kohleausstieg werde scheitern, wenn nicht sehr bald das entsprechende Gesetz komme. Da Deutschland gleichzeitig auch aus der Atomkraft aussteigt, muss die Abschaltung von Atom- und Kohlekraftwerken klug getaktet werden, damit es nicht zu Blackouts kommt.
Altmaier peilt für das Kohleausstiegsgesetz jetzt Mitte November im Kabinett an, doch bis dahin muss er noch schwierige Verhandlungen mit den Braunkohleunternehmen über Entschädigungen führen. Mit einigen von ihnen hat sein Ministerium dem Vernehmen nach noch gar nicht gesprochen. Der Braunkohle-Teil könnte deshalb im November noch nicht im Gesetz enthalten sein, das dann vorerst nur den Ausstieg aus der Steinkohle regelt. Vehemente Kritik der Grünen ist zu erwarten.
Doch Altmaier lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Lieber unterstützt er den neuesten Plan der Industrie, einen deutschenWeltraumbahnhof zu bauen. Der 61-Jährige ist in der Politik schon weite Wege gegangen, er war Innenstaatssekretär, Umweltminister, Kanzleramtsminister. Fürs Private hat er einen Garten, in dem er Blumen sät, und eine schöne Altbauwohnung in Berlin, in der er seine zahlreichen politischen Freunde mitunter selbst bekocht. Altmaier muss sich nichts mehr beweisen. „Ich bin der Einzige, der hier eingeladen wurde, der nicht Kanzlerkandidat werden will“, scherzte er auf dem Deutschlandtag der Jungen Union.
Die Menschen mögen diese saarländische Frohnatur. Auch in Kroatien kommt er gut an. „Wir wollen deutscher sein als die Deutschen“, prahlt der Gabelstapler-Entwickler, der seine Roboter nach Deutschland verkaufen will. „Klar, Kroatien ist doch Teil Nordeuropas“, sagt Altmaier, grient und hebt die Daumen.