39 Banken in NRW verlangen Strafzinsen
Bundesweit fordern 186 Geldinstitute von Kunden Negativzinsen. Tagesgeld gibt es mitunter nur zusammen mit einem Girokonto.
DÜSSELDORF In der anhaltenden Niedrigzinsphase in Europa suchen Deutschlands Banken und Sparkassen immer häufiger nach neuen Einnahmequellen. Nach einer Umfrage unserer Redaktion gibt es in der Region mindestens fünf Institute, die Kunden nur Tagesgeldkonten anbieten, wenn diese gleichzeitig ein meist gebührenpflichtiges Girokonto bei derselben Bank haben oder eines einrichten. Dabei handelt es sich um die Sparda-Bank West, die Volksbanken in Krefeld und im Bergischen Land sowie die Sparkassen in Neuss und Leverkusen. Die Sparkasse Neuss berechnet zudem seit Jahresbeginn Neukunden für Einlagen ab 100.000 Euro einen Strafzins (offiziell Verwahrentgelt genannt) von 0,55 Prozent. Damit ist sie neben Aachen und Meschede eine von drei Sparkassen in NRW, die den Negativzins von Privatkunden verlangen. Weitere 36 Sparkassen und Volksbanken tun dies bei Geschäftskunden, darunter jene in Düsseldorf, Köln und Aachen. Dies geht aus einer aktuellen Untersuchung des Verbraucherportals biallo.de hervor.
Mit der Konto-Kopplung folgen die Institute dem Beispiel der Commerzbank-Tochter Comdirect, die bereits 2019 die Eröffnung eines Einlagenkontos an ein Girokonto im selben Haus geknüpft hatte. Auch die Commerzbank selbst und die Direktbank DKB bieten nur beides zusammen an. Der Hintergrund: Für die Einlagen der Kunden, die die Banken selbst bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, müssen sie 0,5 Prozent Strafzinsen an die Notenbank zahlen. Die will so die Geschäftsbanken motivieren, mehr Kredite zu vergeben, anstatt das Geld der Kunden nur zu verwalten. Wer das nicht tut, muss zahlen. Diese Zusatzbelastung wollen die Institute, die Tagesgeldkonten in der Regel kostenlos anbieten, über gebühren- und/oder provisionspflichtige Geschäfte ausgleichen.
In der Vergangenheit hatten viele Banken und Sparkassen kostenlose Tages- und Festgeldangebote als Anreiz für potenzielle Neukunden eingesetzt, mit denen sie später auch andere Geschäfte (Spareinlagen, Aktien, Kredite, Immobilien) machen wollten. Das hat sich in der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase verändert, weil es kaum noch Zinsen gibt, viele nicht an der Börse investieren mögen, keine Immobilie wollen und keinen Kredit benötigen. „Die Menschen bringen Einlagen, mit denen die Banken nichts anfangen können“, sagt Stephanie Heise, Bereichsleiterin für Verbraucherfinanzen bei der Verbraucherzentrale NRW. Sie sieht weitere Gebührenerhöhungen auf Kunden zukommen.
Gleichzeitig gibt es laut Biallo bereits Institute, die generell Girokonten für Neukunden nicht mehr anbieten. Die Nachfrage ist deutlich gestiegen. Der Grund: Kunden, die bei Einlagen im sechsstelligen Bereich bei ihrer Hausbank Strafzinsen fürchten, möchten immer häufiger Teilbeträge bei einem anderen Institut parken. Beispiel: Wer etwa 150.000 Euro an Vermögen hat, könnte bei der Aufteilung auf zwei Banken mit Einlagen von jeweils 75.000 Euro Negativzinsen vermeiden, die meist erst abVermögen von 100.000 Euro fällig werden.
Auch die Nachfrage nach Safes ist konstant hoch, weil viele Kunden darüber nachdenken, drohenden Strafzinsen zu entgehen, indem sie Bargeld in Schließfächern unterbringen. Bei den Banken gibt es schon seit geraumer Zeit Wartelisten mit Kunden, die auf der Suche nach freien Fächern sind.