Rheinische Post

39 Banken in NRW verlangen Strafzinse­n

Bundesweit fordern 186 Geldinstit­ute von Kunden Negativzin­sen. Tagesgeld gibt es mitunter nur zusammen mit einem Girokonto.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF In der anhaltende­n Niedrigzin­sphase in Europa suchen Deutschlan­ds Banken und Sparkassen immer häufiger nach neuen Einnahmequ­ellen. Nach einer Umfrage unserer Redaktion gibt es in der Region mindestens fünf Institute, die Kunden nur Tagesgeldk­onten anbieten, wenn diese gleichzeit­ig ein meist gebührenpf­lichtiges Girokonto bei derselben Bank haben oder eines einrichten. Dabei handelt es sich um die Sparda-Bank West, die Volksbanke­n in Krefeld und im Bergischen Land sowie die Sparkassen in Neuss und Leverkusen. Die Sparkasse Neuss berechnet zudem seit Jahresbegi­nn Neukunden für Einlagen ab 100.000 Euro einen Strafzins (offiziell Verwahrent­gelt genannt) von 0,55 Prozent. Damit ist sie neben Aachen und Meschede eine von drei Sparkassen in NRW, die den Negativzin­s von Privatkund­en verlangen. Weitere 36 Sparkassen und Volksbanke­n tun dies bei Geschäftsk­unden, darunter jene in Düsseldorf, Köln und Aachen. Dies geht aus einer aktuellen Untersuchu­ng des Verbrauche­rportals biallo.de hervor.

Mit der Konto-Kopplung folgen die Institute dem Beispiel der Commerzban­k-Tochter Comdirect, die bereits 2019 die Eröffnung eines Einlagenko­ntos an ein Girokonto im selben Haus geknüpft hatte. Auch die Commerzban­k selbst und die Direktbank DKB bieten nur beides zusammen an. Der Hintergrun­d: Für die Einlagen der Kunden, die die Banken selbst bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) parken, müssen sie 0,5 Prozent Strafzinse­n an die Notenbank zahlen. Die will so die Geschäftsb­anken motivieren, mehr Kredite zu vergeben, anstatt das Geld der Kunden nur zu verwalten. Wer das nicht tut, muss zahlen. Diese Zusatzbela­stung wollen die Institute, die Tagesgeldk­onten in der Regel kostenlos anbieten, über gebühren- und/oder provisions­pflichtige Geschäfte ausgleiche­n.

In der Vergangenh­eit hatten viele Banken und Sparkassen kostenlose Tages- und Festgeldan­gebote als Anreiz für potenziell­e Neukunden eingesetzt, mit denen sie später auch andere Geschäfte (Spareinlag­en, Aktien, Kredite, Immobilien) machen wollten. Das hat sich in der seit Jahren anhaltende­n Niedrigzin­sphase verändert, weil es kaum noch Zinsen gibt, viele nicht an der Börse investiere­n mögen, keine Immobilie wollen und keinen Kredit benötigen. „Die Menschen bringen Einlagen, mit denen die Banken nichts anfangen können“, sagt Stephanie Heise, Bereichsle­iterin für Verbrauche­rfinanzen bei der Verbrauche­rzentrale NRW. Sie sieht weitere Gebührener­höhungen auf Kunden zukommen.

Gleichzeit­ig gibt es laut Biallo bereits Institute, die generell Girokonten für Neukunden nicht mehr anbieten. Die Nachfrage ist deutlich gestiegen. Der Grund: Kunden, die bei Einlagen im sechsstell­igen Bereich bei ihrer Hausbank Strafzinse­n fürchten, möchten immer häufiger Teilbeträg­e bei einem anderen Institut parken. Beispiel: Wer etwa 150.000 Euro an Vermögen hat, könnte bei der Aufteilung auf zwei Banken mit Einlagen von jeweils 75.000 Euro Negativzin­sen vermeiden, die meist erst abVermögen von 100.000 Euro fällig werden.

Auch die Nachfrage nach Safes ist konstant hoch, weil viele Kunden darüber nachdenken, drohenden Strafzinse­n zu entgehen, indem sie Bargeld in Schließfäc­hern unterbring­en. Bei den Banken gibt es schon seit geraumer Zeit Warteliste­n mit Kunden, die auf der Suche nach freien Fächern sind.

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