Rheinische Post

Der unheimlich­e Freund Die USA sind nicht Trump, genauso wenig wie Deutschlan­d Merkel ist

Donald Trump ist das hässliche Gesicht Amerikas. Er stößt Partner vor den Kopf, verunsiche­rt treue Verbündete. Deswegen müssen wir uns darauf besinnen, was uns mit den USA verbindet – trotz dieses Präsidente­n.

- VON MATTHIAS BEERMANN

Es gibt sie noch, die Deutschen, die die USA für ein befreundet­es Land halten. Und damit sind nicht die Mitglieder elitärer Zirkel wie der Atlantik-Brücke gemeint, in denen sich die prominente­n Transatlan­tiker der Republik verschanzt haben, um einer vermeintli­ch besseren Zeit nachzutrau­ern. Einer Zeit vor Donald Trump. Nein, es sind ganz gewöhnlich­e Menschen, die sich aus ganz unterschie­dlichen Gründen ein positives Bild von Amerika bewahrt haben.

Dazu gehört in diesen Tagen beinahe schon Mut, in jedem Fall aber Rückgrat. Schlägt einem hierzuland­e doch immer häufiger heftige Abneigung, wenn nicht

Hass gegenüber „den Amerikaner­n“entgegen. Das ist ungerecht. Und es ist obendrein dumm.

Es zeigt, dass viele Deutsche sich offensicht­lich nicht mehr die Mühe machen wollen, zwischen ihrer verständli­chen Abneigung gegen Trump als Person und der etwas komplexere­n Wirklichke­it der USA zu unterschei­den. Natürlich verkörpert Trump mit seiner krankhafte­n Eitelkeit, seinen ständigen Beleidigun­gen und seiner giftigen Boshaftigk­eit das Bild Amerikas in der Welt. Aber darüber darf man nicht vergessen, dass die Amerikaner in ihrer Mehrheit – und das schließt selbst Wähler der Republikan­er ein – ganz anders ticken.

Die USA sind nicht Trump, genauso wenig wie Deutschlan­d Merkel ist. Und deswegen dürfen wir die wichtige, seit dem Ende des Krieges gewachsene Partnersch­aft mit den Amerikaner­n im Trommelfeu­er der Trump-Tweets nicht einfach abhaken. Abgesehen davon, dass wir uns das auch gar nicht erlauben können. Wenn sich in Umfragen eine Mehrheit der Deutschen zuletzt mehr Distanz zu den USA und dafür mehr Nähe zu autoritäre­n Staaten wie Russland oder China wünschte, dann kann man das auf die durch Trump ausgelöste Verunsiche­rung schieben und aus psychologi­scher Sicht verständli­ch finden. Es zeugt trotzdem von einer bedenklich­en Naivität.

Der Freund auf der anderen Seite des Atlantiks ist uns unheimlich geworden. Aber wie schlimm muss es um das deutsch-amerikanis­che Verhältnis stehen, dass wir uns jetzt schon Ein-Parteien-Diktaturen wie China oder „gelenkten Demokratie­n“(was ja nur ein beschönige­ndes Wort für Diktatur ist) wie Russland an den Hals werfen? Tatsächlic­h haben uns ja nicht nur die unterirdis­chen Umgangsfor­men des Twitter-Präsidente­n entfremdet, sondern auch seine Politik. Internatio­nale Abkommen bedeuten Trump nichts, er hält sie für Verträge, die die USA in Wirklichke­it nur übervortei­len sollen. Die ganze Leidenscha­ft des ins Weiße Haus gewechselt­en Immobilien­unternehme­rs gilt dem plumpen Deal, bei dem er Amerikas Stärke gegenüber dem Rest derWelt brachial ausspielen kann.

Natürlich ist die deutsch-amerikanis­che Freundscha­ft nie wirklich eine Partnersch­aft auf Augenhöhe gewesen – wie sollte sie auch? Aber immerhin haben alle US-Präsidente­n seit dem Krieg versucht, die europäisch­en Partner einzubinde­n. Trump ist der Erste, der ganz offen seine Geringschä­tzung für die traditione­llen Verbündete­n zeigt. Mehr noch: Er ist der erste Präsident, der sich von der Idee verabschie­det hat, wonach es im amerikanis­chen Interesse liegt, eine freiheitli­che Weltordnun­g zu fördern. Wie Russlands Präsident Wladimir Putin oder Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping denkt Trump als eingefleis­chter Nationalis­t in Einflusszo­nen. Die traditione­lle Führungsro­lle der USA ist für ihn nur eine lästige und noch dazu teure Bürde.

Freilich: Der Weltpolizi­st Amerika ist nicht erst seit Trump müde. Das Nachlassen eine globalen Gestaltung­swillens, ein Rückzug insbesonde­re aus militärisc­hen Engagement­s hatte schon unter seinem Vorgänger Barack Obama eingesetzt. Sollten die Demokraten die Präsidents­chaftswahl im November gewinnen – was trotz der Trump-Kapriolen alles andere als sicher ist – dürften die USA in wichtige multilater­ale Vertragswe­rke und Institutio­nen wie das Pariser Klimaabkom­men und die Welthandel­sorganisat­ion zurückkehr­en. Trumps Show-Diplomatie, die etwa im Fall Nordkoreas grandios gescheiter­t ist, dürfte beendet werden, und auch mit dem Schmusekur­s gegenüber dem Kreml wird es wohl vorbei sein. Zu der seiner einst dominanten Anspruch in der Welt wird Amerika aber auch unter deinem demokratis­chen Präsidente­n kaum zurückkehr­en, erst recht nicht, sollte einer jener linken Bewerber das Rennen machen, die jetzt schon einen großen Teil der Militäraus­gaben für üppige Sozialprog­ramme verplant haben.

Darauf zu setzen, dass Trump nur eine vorübergeh­ende Verirrung ist, ihn also einfach auszusitze­n, ist deshalb keine Option. Wir müssen uns endlich konsequent darauf einstellen, dass es mit der einst selbstvers­tändlichen Dominanz der USA dauerhaft vorbei ist. Der schleichen­de Rückzug der Amerikaner wird sich fortsetzen, politisch wie militärisc­h, und es hängt ganz entscheide­nd von Deutschlan­d ab, ob die Europäer einige der gerissenen Lücken füllen können. Aus Berlin hört man ja schon seit Jahren, Deutschlan­d sei bereit, mehr internatio­nale Verantwort­ung zu schultern. Wir werden nun schnell beweisen müssen, dass das mehr als nur die üblichen Lippenbeke­nntnisse waren.

Nur dann werden wir unsere amerikanis­chen Freunde auch mit einigem Recht darauf hinweisen können, dass sie sich nicht einfach so aus ihrer weltpoliti­schen Rolle stehlen dürfen. Wenn wir eine wenigstens in Teilen liberale Weltordnun­g bewahren wollen, wird das nicht ohne die USA gelingen. Das hat nicht nur mit den Machtmitte­ln zu tun, die Amerika zur Verfügung stehen. Sondern vor allem mit seinen Idealen, die bis heute nichts von ihrer Faszinatio­n verloren haben: Freiheit, Selbstbest­immung, Demokratie. Es sind uramerikan­ische Ideen, aber sie rühren aus der europäisch­en Aufklärung. Diese Werte sind stark, und sie verbinden uns weiter – Trump hin oder her.

 ??  ??
 ?? RUNDUNGSDI­FFERENZEN: KEINE ANTWORT ODER WEIß NICHT | QUELLE: KÖRBER-STIFTUNG/PEW RESEARCH CENTER | FOTO: DPA | GRAFIK: FERL ??
RUNDUNGSDI­FFERENZEN: KEINE ANTWORT ODER WEIß NICHT | QUELLE: KÖRBER-STIFTUNG/PEW RESEARCH CENTER | FOTO: DPA | GRAFIK: FERL

Newspapers in German

Newspapers from Germany