Der unheimliche Freund Die USA sind nicht Trump, genauso wenig wie Deutschland Merkel ist
Donald Trump ist das hässliche Gesicht Amerikas. Er stößt Partner vor den Kopf, verunsichert treue Verbündete. Deswegen müssen wir uns darauf besinnen, was uns mit den USA verbindet – trotz dieses Präsidenten.
Es gibt sie noch, die Deutschen, die die USA für ein befreundetes Land halten. Und damit sind nicht die Mitglieder elitärer Zirkel wie der Atlantik-Brücke gemeint, in denen sich die prominenten Transatlantiker der Republik verschanzt haben, um einer vermeintlich besseren Zeit nachzutrauern. Einer Zeit vor Donald Trump. Nein, es sind ganz gewöhnliche Menschen, die sich aus ganz unterschiedlichen Gründen ein positives Bild von Amerika bewahrt haben.
Dazu gehört in diesen Tagen beinahe schon Mut, in jedem Fall aber Rückgrat. Schlägt einem hierzulande doch immer häufiger heftige Abneigung, wenn nicht
Hass gegenüber „den Amerikanern“entgegen. Das ist ungerecht. Und es ist obendrein dumm.
Es zeigt, dass viele Deutsche sich offensichtlich nicht mehr die Mühe machen wollen, zwischen ihrer verständlichen Abneigung gegen Trump als Person und der etwas komplexeren Wirklichkeit der USA zu unterscheiden. Natürlich verkörpert Trump mit seiner krankhaften Eitelkeit, seinen ständigen Beleidigungen und seiner giftigen Boshaftigkeit das Bild Amerikas in der Welt. Aber darüber darf man nicht vergessen, dass die Amerikaner in ihrer Mehrheit – und das schließt selbst Wähler der Republikaner ein – ganz anders ticken.
Die USA sind nicht Trump, genauso wenig wie Deutschland Merkel ist. Und deswegen dürfen wir die wichtige, seit dem Ende des Krieges gewachsene Partnerschaft mit den Amerikanern im Trommelfeuer der Trump-Tweets nicht einfach abhaken. Abgesehen davon, dass wir uns das auch gar nicht erlauben können. Wenn sich in Umfragen eine Mehrheit der Deutschen zuletzt mehr Distanz zu den USA und dafür mehr Nähe zu autoritären Staaten wie Russland oder China wünschte, dann kann man das auf die durch Trump ausgelöste Verunsicherung schieben und aus psychologischer Sicht verständlich finden. Es zeugt trotzdem von einer bedenklichen Naivität.
Der Freund auf der anderen Seite des Atlantiks ist uns unheimlich geworden. Aber wie schlimm muss es um das deutsch-amerikanische Verhältnis stehen, dass wir uns jetzt schon Ein-Parteien-Diktaturen wie China oder „gelenkten Demokratien“(was ja nur ein beschönigendes Wort für Diktatur ist) wie Russland an den Hals werfen? Tatsächlich haben uns ja nicht nur die unterirdischen Umgangsformen des Twitter-Präsidenten entfremdet, sondern auch seine Politik. Internationale Abkommen bedeuten Trump nichts, er hält sie für Verträge, die die USA in Wirklichkeit nur übervorteilen sollen. Die ganze Leidenschaft des ins Weiße Haus gewechselten Immobilienunternehmers gilt dem plumpen Deal, bei dem er Amerikas Stärke gegenüber dem Rest derWelt brachial ausspielen kann.
Natürlich ist die deutsch-amerikanische Freundschaft nie wirklich eine Partnerschaft auf Augenhöhe gewesen – wie sollte sie auch? Aber immerhin haben alle US-Präsidenten seit dem Krieg versucht, die europäischen Partner einzubinden. Trump ist der Erste, der ganz offen seine Geringschätzung für die traditionellen Verbündeten zeigt. Mehr noch: Er ist der erste Präsident, der sich von der Idee verabschiedet hat, wonach es im amerikanischen Interesse liegt, eine freiheitliche Weltordnung zu fördern. Wie Russlands Präsident Wladimir Putin oder Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping denkt Trump als eingefleischter Nationalist in Einflusszonen. Die traditionelle Führungsrolle der USA ist für ihn nur eine lästige und noch dazu teure Bürde.
Freilich: Der Weltpolizist Amerika ist nicht erst seit Trump müde. Das Nachlassen eine globalen Gestaltungswillens, ein Rückzug insbesondere aus militärischen Engagements hatte schon unter seinem Vorgänger Barack Obama eingesetzt. Sollten die Demokraten die Präsidentschaftswahl im November gewinnen – was trotz der Trump-Kapriolen alles andere als sicher ist – dürften die USA in wichtige multilaterale Vertragswerke und Institutionen wie das Pariser Klimaabkommen und die Welthandelsorganisation zurückkehren. Trumps Show-Diplomatie, die etwa im Fall Nordkoreas grandios gescheitert ist, dürfte beendet werden, und auch mit dem Schmusekurs gegenüber dem Kreml wird es wohl vorbei sein. Zu der seiner einst dominanten Anspruch in der Welt wird Amerika aber auch unter deinem demokratischen Präsidenten kaum zurückkehren, erst recht nicht, sollte einer jener linken Bewerber das Rennen machen, die jetzt schon einen großen Teil der Militärausgaben für üppige Sozialprogramme verplant haben.
Darauf zu setzen, dass Trump nur eine vorübergehende Verirrung ist, ihn also einfach auszusitzen, ist deshalb keine Option. Wir müssen uns endlich konsequent darauf einstellen, dass es mit der einst selbstverständlichen Dominanz der USA dauerhaft vorbei ist. Der schleichende Rückzug der Amerikaner wird sich fortsetzen, politisch wie militärisch, und es hängt ganz entscheidend von Deutschland ab, ob die Europäer einige der gerissenen Lücken füllen können. Aus Berlin hört man ja schon seit Jahren, Deutschland sei bereit, mehr internationale Verantwortung zu schultern. Wir werden nun schnell beweisen müssen, dass das mehr als nur die üblichen Lippenbekenntnisse waren.
Nur dann werden wir unsere amerikanischen Freunde auch mit einigem Recht darauf hinweisen können, dass sie sich nicht einfach so aus ihrer weltpolitischen Rolle stehlen dürfen. Wenn wir eine wenigstens in Teilen liberale Weltordnung bewahren wollen, wird das nicht ohne die USA gelingen. Das hat nicht nur mit den Machtmitteln zu tun, die Amerika zur Verfügung stehen. Sondern vor allem mit seinen Idealen, die bis heute nichts von ihrer Faszination verloren haben: Freiheit, Selbstbestimmung, Demokratie. Es sind uramerikanische Ideen, aber sie rühren aus der europäischen Aufklärung. Diese Werte sind stark, und sie verbinden uns weiter – Trump hin oder her.