Draußen Protest, drinnen Schnittchen
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) eröffnet die Grüne Woche. Währenddessen blockieren Bauern mit ihren Traktoren Straßen. Haben sie recht mit ihren Vorwürfen gegen die Politik?
BERLIN Der Konflikt ist nicht zu übersehen. Hunderte Bauern blockieren mit ihren Traktoren eine der wichtigsten Verkehrsadern der Hauptstadt. Unweit von den lauten Protesten eröffnet Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Grüne Woche. Während die CDU-Politikerin in den Messehallen einen Schweizer Käse hobelt, russisches Brot isst und kroatischen Schnaps trinkt, kämpfen draußen Landwirte – so sehen sie es – um ihre Existenz.
Die Bauern stören sich derzeit insbesondere an der Düngeverordnung, mit der Union und SPD Vorschriften aus Brüssel umsetzen müssen. Wegen überschrittener Grenzwerte hat Deutschland bereits im Juni 2018 Ärger vom Europäischen Gerichtshof bekommen. Mit den neuen Vorschriften will die Bundesregierung nun drohende Strafzahlungen von täglich bis zu 800.000 Euro abwenden.
Das Problem: Von den Äckern der Bauern wird zu viel Nitrat ins Grundwasser geschwemmt, vor allem in Gebieten, in denen viele Nutztiere gehalten werden und dementsprechend viel Gülle anfällt. Deutschland verstößt gegen die Grundwasserrichtlinie der EU. Laut Umweltbundesamt (UBA) wurde der Grenzwert von maximal 50 Milligramm Nitrat je Liter Wasser zuletzt an rund 18 Prozent der Messstellen überschritten. Zwar ist das Trinkwasser dem UBA zufolge nicht gefährdet. Der Aufwand, es zu reinigen, ist jedoch gestiegen. „Es ist Fakt, dass bereits Wasserwerke wegen der hohen Nitratbelastung schließen mussten“, sagt Hubert Wiggering. Der Professor für Geoökologie an der Universität Potsdam ist Chef der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA). Er fordert ein Umdenken im Agrarsektor:„Die Landwirte und insbesondere ihre Lobbyisten müssen akzeptieren, dass in vielen Regionen die Ökosysteme an ihrer Belastungsgrenze angelangt sind“, so der Wissenschaftler.
Doch er warnt davor, den Landwirten Unrecht zu tun. Die Bauern in Deutschland würden in der Regel nicht gegen Gesetze verstoßen. „Trotzdem sind sie die Sündenböcke. Das ist falsch, weil die Politik die Spielregeln bestimmt“, sagt Wiggering.
Die neuen Spielregeln sehen vor, dass künftig Bauern in besonders belasteten „roten Gebieten“nur noch 20 Prozent weniger Düngung im Betriebsdurchschnitt auf die Felder bringen dürfen. Die Bauern halten dagegen. Sie warnen bei geringerer Düngung vor einer Unterversorgung von Kulturpflanzen wie etwa Weizen. Der Importanteil von Lebensmitteln auf dem deutschen Markt werde so zunehmen. Forscher Wiggering sieht aber dringenden Handlungsbedarf und ist gegen eine Verzögerung durch immer neue Messungen. „Die Politik kann es nicht allen recht machen. Es wird Härten für einzelne Landwirte geben“, sagt der Professor. „Aber das gesellschaftliche Ziel einer klimaund umweltfreundlicheren Landwirtschaft ist nicht mehr verhandlungsfähig. Wir haben für diesen Wandel keine Zeit mehr zu verlieren.“Er plädiert jedoch für ein regional unterschiedliches Vorgehen.
Das sehen auch die Landwirte so. In Halle 3 des Berliner Messegeländes hat die Initiative „Land schafft Verbindung“ihren Stand, die die deutschlandweiten Bauernproteste mit initiiert hat. Udo Haßbargen, Landwirt aus Ostfriesland und Sprecher der Gruppe, hält wegen bundesweit unterschiedlicher Böden nichts von denselben Düngegrenzwerten. Er klagt, Bauern würden als Tierquäler und Umweltverpester dargestellt.
Damit Verbraucher ein Gefühl für die Kosten von Tierschutz bekommen, hat Klöckners Ministerium an seinem Stand Touchscreens aufgestellt. Dort können die Besucher Schweineställe so gestalten, wie sie es für angemessen halten. Dann bekommen sie den Preis angezeigt, den sie unter diesen Bedingungen für ein Kilo Fleisch zahlen müssten. Meist liegt er deutlich über zehn Euro, weit über dem, was ein Großteil der Besucher auszugeben bereit wäre. Ob die politischste Grüne Woche seit vielen Jahren solche tiefen Gräben zwischen den Landwirten, den Konsumenten und den Regierenden überwinden kann? Ungewiss.
„Es wird Härten für einzelne Landwirte geben“Hubert Wiggering Professor für Geoökologie