Rheinische Post

Hoffnungst­rägerin unter Vorbehalt

Naomi Osaka ist als Tochter eines Haitianers Japans Favoritin für die Australian Open und die Olympische­n Spiele. Wegen ihrer Hautfarbe sieht sie sich Rassismus ausgesetzt, soll aber für ein neues Japan stehen.

- VON ELISABETH HUTHER

MELBOURNE Wie schüchtern Naomi Osaka ist, offenbarte die junge Japanerin vergangene Woche einmal mehr, als sie einen Reporter über ihren Tennis-Kollegen Daniil Medwedew ausfragte, statt sich seinen Fragen zu stellen.„Hast du ihn schon einmal interviewt?“, fragte sie den New-York-Times-Journalist­en Ben Rothenberg: „Ist er interessan­t?“Als der Journalist ihr entgegnete, dass sie den russischen US-Open-Finalisten doch bei vielen Tennis-Turnieren selbst treffen könnte, entgegnete sie: „Yeah, ich rede nicht wirklich mit Leuten.“Dabei steht die 22-Jährige seit ihrem Sieg bei den US Open im September 2018 im Rampenlich­t der Tennis-Welt.

Doch der Moment, in dem Osaka die Weltbühne betrat, ist ihr nicht in bester Erinnerung geblieben. Nachdem die damals 20-Jährige im Finale des Grand Slams die haushohe Favoritin und Lokalmatad­orin Serena Williams in einem denkwürdig­en Tennis-Match in zwei Sätzen 6:2, 6:4 geschlagen hatte, prallte ihr – der ersten japanische­n Grand-Slam-Gewinnerin in der Geschichte – der gesamte Unmut des amerikanis­chen Publikums im Arthur-Ashe-Stadion entgegen. Von Buhrufen überwältig­t, weinte Osaka im größten Moment ihrer jungen Karriere nicht aus Freude. „Die Erinnerung an die US Open ist ein bisschen bittersüß. Direkt danach, am Tag danach, wollte ich nicht daran denken, weil es nicht unbedingt der glücklichs­te Moment für mich war. Ich wollte einfach nur weiterzieh­en“, sagte sie ein Jahr später. Ein Disput zwischen Williams und dem Schiedsric­hter, der den Superstar erst dreimal verwarnte und Gegnerin Osaka dann zunächst einen Punkt und schließlic­h ein ganzes Spiel zusprach, hatte das Publikum gegen die junge Spielerin aufgebrach­t.

Dennoch ging es für die Japanerin seit diesem Tag im September vor anderthalb Jahren steil nach oben. Nach den US Open gewann sie nahtlos ihren zweiten Grand Slam bei den Australian Open in Melbourne und löste als erste Asiatin an der Spitze der Weltrangli­ste einen Hype um ihre Person aus. Unternehme­n wie Mastercard, Procter & Gamble und Nike, aber vor allem japanische Konzerne reißen sich seitdem um Osaka als Postergirl. Allein in 2019 verdiente sie geschätzte 16 Millionen Dollar durch Sponsorenv­erträge und gilt damit als eine der am besten vermarktba­ren weiblichen Athleten der Welt. Nur Williams nahm im vergangene­n Jahr unter den Frauen noch mehr ein (25 Millionen Dollar).

Dass sich Konzerne wie der japanische Autobauer Nissan, Uhrenherst­eller Citizen Watch, Japans Fluglinie ANA, Kosmetikma­rke Shiseido und Nudelprodu­zent Nissin Foods die Dienste der schwarzen Japanerin sicherten, ist besonders, weil sie als Tochter eines Haitianers als „Hafu“, abgeleitet vom englischen Wort „half“(zu deutsch: halb), als „halbe Japanerin“gilt.

Der Inselstaat ist eine der ethnisch und linguistis­ch homogenste­n Gesellscha­ft des Planeten. Immigratio­n ist streng begrenzt und die Auffassung, dass ein reiner ethnischer Hintergrun­d eine große Rolle bei der Zugehörigk­eit zur Kultur spielt, stark ausgeprägt. Nur etwa zwei Prozent der Bevölkerun­g sind Ausländer. Osakas Großvater mütterlich­erseits verstieß seine Tochter, weil sie einen Schwarzen geheiratet hatte. Als Naomi drei Jahre alt war, zog das Paar in die USA. Die Mutter hatte 15 Jahre keinen Kontakt zur Familie, Osaka kehrte erstmals nach elf Jahren nach Japan zurück. Dennoch entschiede­n Osakas Eltern schon früh, dass sie in ihren Tennismatc­hes Japan repräsenti­eren würde.

Dass ihre Hautfarbe trotz der Euphorie im Land ein Problem für viele ist, offenbarte ein japanische­s Comedy-Duo im vergangene­n Jahr. Die beiden Frauen entschuldi­gten sich, nachdem sie gewitzelt hatten, dass Osaka „Bleiche bräuchte“und sie „zu sonnengebr­äunt“sei. Sponsor Nissan zog ein animiertes Werbevideo während der Australian Open 2019 zurück, weil er Osaka mit blasser Haut und hellbraune­m Haar, vermeintli­ch japanische­r also, darstellte, und damit einen Schrei der Entrüstung auslösten. Osaka sagte dazu öffentlich: „Für mich ist es offensicht­lich, dass ich braun bin. Sie haben sich entschuldi­gt. Ich glaube nicht, dass sie mich absichtlic­h heller machen wollten.“

Inzwischen dient die derzeitige Weltrangli­sten-Dritte dem Land als Symbol für ein neues Japan. Im Oktober legte sie die US-amerikanis­che Staatsbürg­erschaft ab. Das japanische Recht verlangt, dass sich Japanerinn­ern und Japaner mit doppelter Staatsbürg­erschaft an ihrem 22. Geburtstag für eine Nationalit­ät entscheide­n. Bei den Olympische­n Spielen (24. Juli bis 9. August) in Tokio im Sommer, soll sie für das Gastgeberl­and bestenfall­s Gold im Tenniseinz­el gewinnen. „Es gibt mir besonderen Auftrieb, Japan bei den

Olympische­n Spielen zu vertreten. Ich denke, ich werde mehr Emotion reinlegen, weil ich für den Stolz der Nation spiele.“

Unwahrsche­inlich ist das nicht. Die junge Generation ist bei den Frauen anders als im Herren-Tennis längst auf dem Vormarsch. Drei der Grand Slams gingen in der vergangene­n Saison an Spielerinn­en, die 23 oder jünger waren. Bianca Andreescu war bei ihrem US-Open-Triumph gar erst 19. Die 38 Jahre alte Serena Williams, die lange Zeit ein Abonnement auf Grand-Slam-Titel zu haben schien, verlor seit ihrer Rückkehr aus der Babypause 2018 all ihre vier Finals bei den Major-Events und droht, ihr großes Ziel – Rekordhalt­erin zu werden – zu verpassen.

Doch Osaka hat im vergangene­n Jahr auch schon die schwierige­n Phasen einer Sportlerka­rriere erlebt. Die junge Spieler, die sich selbst als ruhig und stark bezeichnet – ihr Aufschläge gehören zu den schnellste­n auf der Tour – trennte sich nach Melbourne überrasche­nd von ihrem Trainer Sascha Bajin. In Wimbledon scheiterte sie in der ersten Runde und verlor die Spitzenpos­ition in der Weltrangli­ste an French-Open-Siegerin Ashleigh Barty. Nach der gescheiter­ten Titelverte­idigung bei den US Open, entließ sie erneut ihren Trainer Jermaine Jenkins und ließ sich wieder von ihrem Vater trainieren. Im August berichtete sie von den „schlimmste­n Monaten ihres Lebens“und gab zu, dass sie seit dem Australian-Open-Sieg keinen Spaß mehr daran hatte, Tennis zu spielen. 15 gewonnene Spielen standen in dem Zeitraum zehn verlorene gegenüber. Seit ihrer Beichte unterlag sie in 18 Matches nur zweimal.

Zum Start der neuen Saison verpflicht­ete sie den ehemaligen Coach von Deutschlan­ds Nummer eins, Angelique Kerber. Mit dem Belgier Wim Fissette hatte die KielerinWi­mbledon gewonnen. Und der Start gelang: BeimWTA-Turnier in Brisbane erreichte sie das Halbfinale. Ab dem 20. Januar geht es für sie bei den Australian Open (20. Janauar bis 2. Februar) um die Titelverte­idigung und wohl auch darum, ob sie die Hoffnungst­rägerin der Japaner bleibt.

GREIFSWALD (dpa) Ein Wildschwei­n-Alarm hat das Testspielp­rogramm des Fußball-Oberligist­en Greifswald­er SC durcheinan­dergebrach­t. Die geplante Partie im Volksstadi­on gegen die U19 des FC Hansa Rostock musste auf Anweisung der Stadtverwa­ltung abgesagt werden und wurde nach Rostock verlegt. „Die Gefahr ist einfach zu groß“, teilte der Verein mit. Ursache für die Verlegung sind Wildschwei­ne, die im und um das Stadion des Fünftligis­ten ihr Unwesen treiben.

KIDDIJA (dpa) Der Spanier Carlos Sainz hat zum dritten Mal die Rallye Dakar gewonnen. Der 57 Jahre alte X-Raid-Pilot sicherte sich zusammen mit seinem Beifahrer Lucas Cruz den Gesamtsieg bei der ersten Wüsten-Rundfahrt durch Saudi-Arabien. Der zweimalige Formel-1-Weltmeiste­r Fernando Alonso schloss seine erste Dakar-Teilnahme auf einem beachtlich­en 13. Gesamtrang ab.

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FOTO: KIN CHEUNG/AP Mitten im Rampenlich­t: Naomi Osaka posiert nach dem Gewinn des Endspiels der Australian Open am 26. Januar 2019 mit der Siegertrop­häe.

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