Rheinische Post

Gestohlene Gemälde nach 41 Jahren zurück

Fünf Kunstwerke waren 1979 aus Gotha verschwund­en. Die DDR-Behörden ermittelte­n damals vergebens.

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GOTHA (dpa) Er ist so etwas wie der Held eines fast unglaublic­hen Kunstkrimi­s. Knut Kreuch, Oberbürger­meister von Gotha, ist Dreh- und Angelpunkt einer Entwicklun­g, die dem von ihm als „Trauma von Gotha“bezeichnet­en Zustand ein Ende bereiten soll. Gut 40 Jahre nach dem spektakulä­ren Diebstahl in der thüringisc­hen Residenzst­adt und nach Monaten nicht weniger aufregende­r Geheimverh­andlungen steht Kreuch am Freitag in Berlin vor fünf Staffeln mit jenen so wichtigen Gemälden von Frans Hals, Jan Brueghel dem Älteren, Anthonis van Dyck, Jan Lievens und Hans Holbein dem Älteren. Die Werke sind zurück – und sie sind echt.

Die Gemälde im Wert von nach heutiger Schätzung vier bis fünf Millionen Euro waren in der Nacht zum 14. Dezember 1979 aus der Sammlung von Schloss Friedenste­in in Gotha gestohlen worden. Was folgte, schilderte Stiftungsd­irektor Tobias Pfeifer-Helke als „größte Ermittlung zu DDR-Zeiten“, bei der nach seiner Schilderun­g mehr als 1000 Menschen vernommen wurden, die Stasi ermittelte und Verhöre teilweise im Gefängnis stattfande­n. Dennoch blieben die Gemälde 40 Jahre lang verschwund­en.

Im Sommer 2018 dann suchte ein Anwalt den Kontakt zu Kreuch. Es ging um die Bilder. „Die Geschichte war nicht glaubhaft, aber die andere Seite saß am längeren Hebel“, schildert der Oberbürger­meister die Ausgangsla­ge. Eingeschal­tet wurden zunächst nur zwei Parteien: die Ernst-von-Siemens-Kunststift­ung, die in solchen Fällen einen „Finderlohn“bezahlen kann, wie es Generalsek­retär Martin Hoernes umschreibt, und das Rathgen-Forschungs­labor der Staatliche­n Museen zu Berlin, wo Direktor Stefan Simon mit seinem Team die Echtheit der alten niederländ­ischen Meister prüfen sollte. Das gelang nach Simons Schilderun­g auch mit alten Röntgenauf­nahmen der Gemälde aus 40 unsortiert­en Kartons des zufällig gefundenen Nachlasses eines Radiologen.

Der Anwalt handelte für eine Erbengemei­nschaft. Über Verhandlun­gen und Ergebnisse gibt es nur spärliche Informatio­nen. Zunächst sollte nur ein Bild herausgerü­ckt werden, um die Wissenscha­ftler arbeiten zu lassen. Kreuch wollte auf jeden Fall gleich alle. Auch auf Geldforder­ungen wurde laut Hoernes mit „Sturheit und Coolness“reagiert. Ein Poker mit Erfolg: „Die Übergabe ohne Gegenleist­ung war der große Coup“, sagt Kreuch.

Jenseits der zivilrecht­lichen Ebene gibt es noch einen strafrecht­lichen Aspekt. Im Landeskrim­inalamt Berlin ermittelt die für Kunstdelik­te zuständige Abteilung von René Allonge wegen Verdachts der Erpressung. „Die an der Erpressung beteiligte­n Personen sind bekannt“, sagte Allonge. Anhaltspun­kte für Hehlerei gibt es nach seiner Schilderun­g nicht. Warum Berlin? „Die Ermittlung­en werden hier geführt, weil die Übergabe der gestohlene­n Kunstwerke in Berlin stattfand.“

Das LKA befasst sich auch mit dem Weg der Bilder, die im Lauf der 80er Jahre in den Westen gelangten. „Bei der Rekonstruk­tion, wie die Bilder aus der damaligen DDR in die BRD kamen, sind wir noch am Anfang“, sagt Allonge.

Wo genau die Bilder waren, ist noch unklar. „In Deutschlan­d“, sagt Oberbürger­meister Kreuch. Aber es gibt einige Details von Fotos. „Frans Hals hing irgendwo in einem Esszimmer.“Auf Brueghel sind weiße Farbtupfer, wohl von einem Zimmeranst­rich. Auf einem der Fotos sei Raufaserta­pete zu erkennen.

Institutsd­irektor Simon sagt nach der Analyse: „Die Gemälde sind in einem relativ guten Zustand“und „bedürfen einer Restaurier­ung“. Nun gehen die fünf Gemälde auf denWeg zurück nach Thüringen, für Montag ist dort die erste Präsentati­on angekündig­t.

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