Beethoven zum Zurücklehnen
Rudolf Buchbinder und die Wiener Symphoniker spielten in der Tonhalle.
Der Pianist Rudolf Buchbinder ist seit Jahrzehnten Spezialist für die Wiener Klassik. Sonaten und Klavierkonzerte von Haydn, Mozart und Beethoven spielte er für CD und Schallplatte ein – und natürlich auch auf den großen Musikpodien dieser Welt. Nun gastierte Buchbinder mit den Wiener Symphonikern in der Tonhalle, um alle fünf Beethoven-Klavierkonzerte aufzuführen. Gemäß klassischer Tradition dirigierte der Pianist das Orchester selbst vom Flügel aus. All das beherrscht Buchbinder souverän. Und die Wiener Symphoniker folgten ihm mit Bereitwilligkeit und Begeisterung. Ihr Spiel besaß Schliff und Kern, was in den Beethoven-Klavierkonzerten für scharfe Konturen sorgte.
Obwohl die Orchestermitglieder im Verlauf der Jahrzehnte kontinuierlich wechseln, ist der spezifische Klang der Wiener Symphoniker bestehen geblieben. Auch Buchbinder ist seinem Beethoven-Stil treu geblieben, sein Spiel ist heute noch etwas glatter und ausgereifter als in vergangenen Jahren. Der Kopfsatz des 1. Konzerts, das noch ein wenig denVorbildern Haydns und Mozarts ähnelt, perlte elegant, Triller funkelten, Läufe verliefen sauber wie Gravurschriften auf Kristallglas. Der Pianist schöpft aus großer Erfahrung und wirkt unantastbar kompetent.
Und doch war dieses Beethoven-Erlebnis nichts, das einen gebannt auf der Stuhlkante sitzen ließ. Man konnte sich genussvoll zurücklehnen wie beim Hören einer guten Aufnahme aus den 60er Jahren. Auch das fünfte und letzte Konzert gelang meisterlich und gediegen. Der Anfang brauste kraftvoll, die Pianostellen gelangen klanglich fein, und der Mittelsatz verbreitete seinen gesanglichen Zauber.
Für all dies gab es tosenden Beifall im gut besuchten Saal, auch wenn man nicht unbedingt das Gefühl hatte, einer außergewöhnlichen und mitreißenden Interpretation begegnet zu sein.