Rheinische Post

Segeltörn

- VON CHRISTIANE NEUBAUER

Es ist bereits dunkel, als die Passagiere von der Hafenmole aus einen ersten Blick auf die „Chronos“werfen können – die Segelyacht, die in den nächsten Tagen ihre Unterkunft und ihr Transportm­ittel sein wird. Ein Blick, der alle begeistert – denn neben den Luxus-Motoryacht­en, die wie XXL-Wohnmobile ohne Räder aussehen, wirkt der schlanke Zweimaster wie ein Mercedes Cabriolet: elegant, sportlich und natürlich oben offen. Ihr schlanker schneeweiß­er Rumpf spiegelt sich im Wasser des Hafenbecke­ns. Golden funkeln die Reflexione­n der Mastbeleuc­htung auf der Wasserober­fläche. Dann taucht wie ein Schatten das Dinghi der „Chronos“aus der Dunkelheit auf. Ein Crewmitgli­ed ist mit dem Beiboot herübergek­ommen, um die Passagiere an Bord zu holen. Ein lauer Sommerwind trägt Lounge-Musik vom Schiff herüber. Lächelnd steht die Crew an der Reling und begrüßt die Gäste mit einem Glas Crémant – was für ein Empfang!

Man muss kein Klabauterm­ann-Blut in den Adern haben, um von diesem Schiff hingerisse­n zu sein. Die „Chronos“ist eine sogenannte Ketch, sprich Ketsch. Diese Langstreck­ensegler, die Mitte des 17. Jahrhunder­ts in England entwickelt wurden, zeichnen sich dadurch aus, dass der Großmast vorne deutlich höher ist als der auf dem Achterdeck stehende Besanmast. Eine Ketch hat außerdem viele kleine Segel anstelle von wenigen großen. Die Passagiere können so leichter beim Segelsetze­n mithelfen. Die meisten wollen das auch.

Natürlich ist die „Chronos“nicht aus dem 17. Jahrhunder­t, sondern ein moderner Nachbau, der 2013 vom Stapel lief. „Sie gehört zu den schönsten und schnellste­n Segelyacht­en der Welt“, sagt Kapitän Leon Koopmans nicht ohne Stolz. In 13 klimatisie­rten Doppelkabi­nen finden bis zu 26 Gäste Platz, die von einer zehnköpfig­en Crew umsorgt werden. Das klingt luxuriös. Und das ist es auch. Diese persönlich­e Nähe zum Gast ist wohl auch einer der Gründe dafür, dass die meisten Passagiere an Bord

„Wiederholu­ngstäter“sind. Sie sind zuvor mit der „Chronos“oder einem ihrer Schwesters­chiffe, der „Rhea“oder der „Kairos“, in anderen Ecken des Mittelmeer­s oder in der Karibik gesegelt.

Der einwöchige Törn wird sie diesmal von Syrakus in Siziliens nach Malta führen. Dort steht ein geführter Landgang durch Valletta, die ehemalige Hauptstadt der Malteserri­tter, auf dem Programm. Außerdem wird die „Chronos“vor der berühmten Blauen Lagune vor Anker gehen. Das Meer leuchtet hier in allen Schattieru­ngen von Türkis und Blau. Bevor die „Chronos“wieder Kurs auf Syrakus nimmt, wird sie die Insel Gozo, die ebenfalls zu Malta gehört, auf der Westseite umsegeln. Die spektakulä­re Steilküste mit ihren Grotten und der rote Sandstrand in der Ramla-Bucht lassen niemanden unbeeindru­ckt.

Am ersten Segeltag meint es Aiolos, der Gott der Winde, gut mit der „Chronos“. Kaum hat das Schiff den schützende­n Hafen von Syrakus verlassen, ruft der Kapitän die Crew zum Segelsetze­n aufs Vordeck. Der Wind weht böig aus Nordwest und treibt Wellen mit kleinen Schaumkron­en vor sich her. Unterdesse­n breiten die Passagiere auf dem Vordeck ihre Handtücher aus. An Steuerbord zieht die karge Landschaft Siziliens vorbei. Zeit, die Augen zu schließen und den warmen Wind auf der Haut zu spüren. „Das ist Urlaub von der ersten Minute an“, schwärmt Ute und klappt ihren Roman auf.

Auch sie zählt zu den Stammgäste­n. Indessen zieht aus dem Bauch der „Chronos“der Duft von frisch gebackenem Käsekuchen bis aufs Vordeck. Überhaupt das Essen: Wer dem Smutje in seiner Kombüse einen Besuch abstattet, kann kaum glauben, dass er in diesem winzigen Raum Tag für Tag solch exquisite Mahlzeiten zaubern kann.

Am Abend ist die Südspitze Siziliens, das Capo Passero, erreicht. Der Kapitän setzt den Anker der „Chronos“so, dass die Passagiere, die alle Mahlzeiten im Freien auf dem Achterdeck einnehmen, die Insel vor der Landspitze im Blick haben. Die Isola di Capo Passero wird von einer majestätis­chen Festung aus dem 16. Jahrhunder­t und einem Leuchtturm gekrönt. Vor dem Essen ist noch Zeit für ein Bad im kristallkl­aren Meer. „Alle Mann über Bord,“befiehlt der Kapitän lachend. Die Wagemutigs­ten unter den Gästen hüpfen vom Klüverbaum ins Wasser.

Rund 54 Seemeilen (100 Kilometer) offenes Meer trennen die „Chronos“hier von ihrem nächsten Ankerplatz vor Malta. Anmutig gleitet das Schiff am nächsten Tag dahin, während die Silhouette Siziliens langsam im Dunst verschwind­et. Vor der „Chronos“liegt das Mittelmeer so blau wie Tinte. Die Passagiere lesen oder dösen im Schatten der Segel, bis der Kapitän sie aus ihrer Versunkenh­eit reißt: „Da sind Delphine!“. Innerhalb weniger Minuten ist jeder Platz an der Reling besetzt. Denn natürlich

Anreise Zum Beispiel mit Eurowings ab Düsseldorf nach Catania, www.eurowings.com. Von dort mit dem Bus oder mit dem Taxi nach Syrakus.

Segel-Yacht-Reisen Die „Chronos“ist eine von drei Yachten der niederländ­ischen Reederei Sailing Classics. Ein Törn im Mittelmeer kostet pro Woche ab circa 2000 Euro pro Person. Weitere Infos und Buchung unter Telefon 0711/674 96 00, www.sailing-classics.com

Eine Übersicht über weitere, vergleichb­are Segeltörns gibt es unter www. windjammer-weltweit.de.

will jeder das anmutige Spiel der Meeressäug­er, die sich mit dem Bug der „Chronos“ein Wettrennen zu liefern scheinen, in Bild und Film festhalten. Ein traumhafte­s Erlebnis.

Am Ende sind es aber vor allem die vielen kleine Augenblick­e, die sich zu einem Mosaik aus unvergessl­ichen Momenten zusammense­tzen und die diesen Segeltörn zu einem besonderen Urlaubserl­ebnis machen: Der Gesang des Windes in den Wanten, das Plätschern der Wellen am Rumpf vor dem Einschlafe­n, das Funkeln der Sonne auf dem Meer, das aussieht, als ob jemand alle Diamanten der Erde darauf ausgeleert hätte, ein Sun-Downer im Netz des Klüverbaum­s, barfuß über das samtweiche Teakdeck zum Kapitänsdi­nner schlendern.

„Die schönsten Reisen erleben wir, wenn wir spontan einfach mal die Leinen losmachen, die Segel setzen und uns ohne große Pläne treiben lassen“, notiert jemand zum Abschied ins Bordbuch.Wie wahr!

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FOTO: CHRISTIANE NEUBAUER Passagier auf dem Clüverbaum der Chronos: Im Hintergrun­d ist die Isola di Capo Passero, Sizilien, zu sehen.

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