Segeltörn
Es ist bereits dunkel, als die Passagiere von der Hafenmole aus einen ersten Blick auf die „Chronos“werfen können – die Segelyacht, die in den nächsten Tagen ihre Unterkunft und ihr Transportmittel sein wird. Ein Blick, der alle begeistert – denn neben den Luxus-Motoryachten, die wie XXL-Wohnmobile ohne Räder aussehen, wirkt der schlanke Zweimaster wie ein Mercedes Cabriolet: elegant, sportlich und natürlich oben offen. Ihr schlanker schneeweißer Rumpf spiegelt sich im Wasser des Hafenbeckens. Golden funkeln die Reflexionen der Mastbeleuchtung auf der Wasseroberfläche. Dann taucht wie ein Schatten das Dinghi der „Chronos“aus der Dunkelheit auf. Ein Crewmitglied ist mit dem Beiboot herübergekommen, um die Passagiere an Bord zu holen. Ein lauer Sommerwind trägt Lounge-Musik vom Schiff herüber. Lächelnd steht die Crew an der Reling und begrüßt die Gäste mit einem Glas Crémant – was für ein Empfang!
Man muss kein Klabautermann-Blut in den Adern haben, um von diesem Schiff hingerissen zu sein. Die „Chronos“ist eine sogenannte Ketch, sprich Ketsch. Diese Langstreckensegler, die Mitte des 17. Jahrhunderts in England entwickelt wurden, zeichnen sich dadurch aus, dass der Großmast vorne deutlich höher ist als der auf dem Achterdeck stehende Besanmast. Eine Ketch hat außerdem viele kleine Segel anstelle von wenigen großen. Die Passagiere können so leichter beim Segelsetzen mithelfen. Die meisten wollen das auch.
Natürlich ist die „Chronos“nicht aus dem 17. Jahrhundert, sondern ein moderner Nachbau, der 2013 vom Stapel lief. „Sie gehört zu den schönsten und schnellsten Segelyachten der Welt“, sagt Kapitän Leon Koopmans nicht ohne Stolz. In 13 klimatisierten Doppelkabinen finden bis zu 26 Gäste Platz, die von einer zehnköpfigen Crew umsorgt werden. Das klingt luxuriös. Und das ist es auch. Diese persönliche Nähe zum Gast ist wohl auch einer der Gründe dafür, dass die meisten Passagiere an Bord
„Wiederholungstäter“sind. Sie sind zuvor mit der „Chronos“oder einem ihrer Schwesterschiffe, der „Rhea“oder der „Kairos“, in anderen Ecken des Mittelmeers oder in der Karibik gesegelt.
Der einwöchige Törn wird sie diesmal von Syrakus in Siziliens nach Malta führen. Dort steht ein geführter Landgang durch Valletta, die ehemalige Hauptstadt der Malteserritter, auf dem Programm. Außerdem wird die „Chronos“vor der berühmten Blauen Lagune vor Anker gehen. Das Meer leuchtet hier in allen Schattierungen von Türkis und Blau. Bevor die „Chronos“wieder Kurs auf Syrakus nimmt, wird sie die Insel Gozo, die ebenfalls zu Malta gehört, auf der Westseite umsegeln. Die spektakuläre Steilküste mit ihren Grotten und der rote Sandstrand in der Ramla-Bucht lassen niemanden unbeeindruckt.
Am ersten Segeltag meint es Aiolos, der Gott der Winde, gut mit der „Chronos“. Kaum hat das Schiff den schützenden Hafen von Syrakus verlassen, ruft der Kapitän die Crew zum Segelsetzen aufs Vordeck. Der Wind weht böig aus Nordwest und treibt Wellen mit kleinen Schaumkronen vor sich her. Unterdessen breiten die Passagiere auf dem Vordeck ihre Handtücher aus. An Steuerbord zieht die karge Landschaft Siziliens vorbei. Zeit, die Augen zu schließen und den warmen Wind auf der Haut zu spüren. „Das ist Urlaub von der ersten Minute an“, schwärmt Ute und klappt ihren Roman auf.
Auch sie zählt zu den Stammgästen. Indessen zieht aus dem Bauch der „Chronos“der Duft von frisch gebackenem Käsekuchen bis aufs Vordeck. Überhaupt das Essen: Wer dem Smutje in seiner Kombüse einen Besuch abstattet, kann kaum glauben, dass er in diesem winzigen Raum Tag für Tag solch exquisite Mahlzeiten zaubern kann.
Am Abend ist die Südspitze Siziliens, das Capo Passero, erreicht. Der Kapitän setzt den Anker der „Chronos“so, dass die Passagiere, die alle Mahlzeiten im Freien auf dem Achterdeck einnehmen, die Insel vor der Landspitze im Blick haben. Die Isola di Capo Passero wird von einer majestätischen Festung aus dem 16. Jahrhundert und einem Leuchtturm gekrönt. Vor dem Essen ist noch Zeit für ein Bad im kristallklaren Meer. „Alle Mann über Bord,“befiehlt der Kapitän lachend. Die Wagemutigsten unter den Gästen hüpfen vom Klüverbaum ins Wasser.
Rund 54 Seemeilen (100 Kilometer) offenes Meer trennen die „Chronos“hier von ihrem nächsten Ankerplatz vor Malta. Anmutig gleitet das Schiff am nächsten Tag dahin, während die Silhouette Siziliens langsam im Dunst verschwindet. Vor der „Chronos“liegt das Mittelmeer so blau wie Tinte. Die Passagiere lesen oder dösen im Schatten der Segel, bis der Kapitän sie aus ihrer Versunkenheit reißt: „Da sind Delphine!“. Innerhalb weniger Minuten ist jeder Platz an der Reling besetzt. Denn natürlich
Anreise Zum Beispiel mit Eurowings ab Düsseldorf nach Catania, www.eurowings.com. Von dort mit dem Bus oder mit dem Taxi nach Syrakus.
Segel-Yacht-Reisen Die „Chronos“ist eine von drei Yachten der niederländischen Reederei Sailing Classics. Ein Törn im Mittelmeer kostet pro Woche ab circa 2000 Euro pro Person. Weitere Infos und Buchung unter Telefon 0711/674 96 00, www.sailing-classics.com
Eine Übersicht über weitere, vergleichbare Segeltörns gibt es unter www. windjammer-weltweit.de.
will jeder das anmutige Spiel der Meeressäuger, die sich mit dem Bug der „Chronos“ein Wettrennen zu liefern scheinen, in Bild und Film festhalten. Ein traumhaftes Erlebnis.
Am Ende sind es aber vor allem die vielen kleine Augenblicke, die sich zu einem Mosaik aus unvergesslichen Momenten zusammensetzen und die diesen Segeltörn zu einem besonderen Urlaubserlebnis machen: Der Gesang des Windes in den Wanten, das Plätschern der Wellen am Rumpf vor dem Einschlafen, das Funkeln der Sonne auf dem Meer, das aussieht, als ob jemand alle Diamanten der Erde darauf ausgeleert hätte, ein Sun-Downer im Netz des Klüverbaums, barfuß über das samtweiche Teakdeck zum Kapitänsdinner schlendern.
„Die schönsten Reisen erleben wir, wenn wir spontan einfach mal die Leinen losmachen, die Segel setzen und uns ohne große Pläne treiben lassen“, notiert jemand zum Abschied ins Bordbuch.Wie wahr!