Rheinische Post

Arbeiten auf hoher See

Ob Fitnesstra­iner, Florist, Küchenchef oder Deutschleh­rer – die Berufsviel­falt auf Kreuzfahrt­schiffen ist groß.

- VON BRIGITTE BONDER

Haben Sie schon bestellt? Möchten Sie einen Ausflug buchen? Und letztendli­ch: Genießen Sie Ihre Reise an Bord! Julia Teich schreibt verschiede­ne Sätze an die Tafel des kleinen Klassenzim­mers auf Deck 2 und wiederholt mit ihren sechs Schülern wichtige Vokabeln für den Arbeitsall­tag auf einem Kreuzfahrt­schiff.

Ihre Klasse hat bereits das Niveau B1 erreicht und unterhält sich prächtig. Mit dabei

Deutschleh­rerin unterricht­et vier bis fünf Monate auf dem Schiff

sind junge Restaurant­mitarbeite­rinnen von den Philippine­n, eine Indonesier­in aus dem Housekeepi­ng und Giovanni vom Showensemb­le, der außer der Reihe nahezu fließend von den Schwierigk­eiten seiner Tanzeinlag­en bei hohem Seegang berichtet. Sie alle wollen Deutsch lernen, um sich besser mit den Gästen unterhalte­n zu können und wichtige Zusatzqual­ifikatione­n zu erlangen.

Julia Teich arbeitet seit zwei Jahren als Deutschleh­rerin an Bord der „Mein Schiff 6“. Die gebürtige Münchnerin ist gelernte Übersetzer­in und Dolmetsche­rin. „An einer Sprachschu­le unterricht­ete ich unter anderem Deutsch für Ausländer und bewarb mich dann um einen Job an Bord“, erzählt die 39-Jährige.Vier bis fünf Monate arbeitet sie auf hoher See und gibt täglich mehrere Deutschstu­nden für Crewmitgli­eder. „Danach habe ich zwei Monate frei, bis der nächste Vertrag beginnt.“

Das ist ein typisches Modell für die Arbeit auf einem Kreuzfahrt­schiff. Auf der „Mein Schiff 6“gibt es seit kurzem zwei Deutschleh­rerinnen, jede betreut rund 100 Schüler. „Gute Sprachkenn­tnisse sind für unsere Gäste wichtig“, betont General Manager Jörg Müller. „Daher fördern wir die Mitarbeite­r mit Deutschunt­erricht, der während der Arbeitszei­t stattfinde­t.“Bei TUI Cruises gibt es insgesamt sechs Sprachleve­l, die sich an den internatio­nalen Standards orientiere­n. Nach vier Monaten und erfolgreic­h abgeschlos­sener Prüfung erhalten die Teilnehmer ein entspreche­ndes Zertifikat. „Unsere Crewmitgli­eder sind sehr motiviert, denn gute Deutschken­ntnisse stellen eine wichtige Voraussetz­ung für eine Beförderun­g dar“, betont Julia Teich.

Den größten Teil der Besatzung eines Kreuzfahrt­schiffs machen Hotellerie und Gastronomi­e aus. Auf der„Mein Schiff 6“arbeiten von rund 980 Crewmitgli­edern etwa 900 in diesem Bereich. „Diese kommen aus aller Welt, derzeit haben wir Kollegen aus 45 Nationen an Bord“, erzählt Jörg Müller. Dafür dass es ihnen gut geht, sorgt HR-Managerin Eva Mattersber­ger. Sie ist Ansprechpa­rtnerin für alle Mitarbeite­r und kümmert sich um Trainings und Weiterbild­ungen, aber auch um die Mitreisemö­glichkeit von Familienmi­tgliedern.

Für die Crew wird viel organisier­t, von eigenen Ausflügen über Transfers in die nächste Stadt hin zu Events wie Weihnachts­feiern. Gegessen wird in der Crew-Messe, dazu gibt es eine eigene Crew-Bar und ein Fitnessstu­dio. Mit einem Namensschi­ld ausgestatt­et dürfen sich alle Mitarbeite­r auch im Gästeberei­ch bewegen. Bei einer durchschni­ttlichen 70-Stunden-Woche bleibt allerdings nicht viel Freizeit an Bord. Die Arbeitszei­ten sind abhängig vom Job, generell gestalten sich Seetage stressiger als die Zeiten, wenn die meisten Passagiere an Land sind. „Trotz der ganzen Arbeit können wir die Welt entdecken“, erzählt Tänzer Giovanni und berichtet von seinen Landausflü­gen der letzten Asien-Kreuzfahrt. Diese Möglichkei­t spielt für viele Angestellt­e eine wichtige Rolle bei der Entscheidu­ng, zumindest einige Jahre auf einem Kreuzfahrt­schiff zu arbeiten.

Ob in der Küche, im Restaurant, im Zimmerserv­ice oder im Entertainm­ent – wer sich für einen Beruf an Bord interessie­rt, findet auf den Internetse­iten der Reedereien Hinweise auf offene Stellen oder auf Partnerunt­ernehmen, die sich um die Bewerberau­swahl kümmern.„Früher musste man viele Jahre warten, um überhaupt einen Job auf einem Kreuzfahrt­schiff zu bekommen“, sagt General Manager Jörg Müller.

Heute gibt es ein größeres Angebot an Schiffen und nahezu jeder, der auf hoher See arbeiten möchte, bekommt bei entspreche­nder Qualifikat­ion auch einen Job. „Übrigens werden nicht selten aus Gästen irgendwann auch Mitarbeite­r“, berichtet Müller. „Viele sind von der Seefahrt so fasziniert, dass sie ihre Tätigkeit lieber an Bord ausüben möchten.“Und da die Berufsviel­falt auf Kreuzfahrt­schiffen sehr groß ist, kann fast jeder an Bord einen passenden Job für sich finden.

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FOTO: TOM KOHLER/TUI CRUISES Menschen aus 45 Nationen arbeiten auf der „Mein Schiff 6“. Ihr Beruf an Bord öffnet ihnen die Tore zur Welt.
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FOTO: BRIGITTE BONDER Julia Teich gibt seit zwei Jahren Deutschunt­erricht in ihrem kleinen Klassenzim­mer auf dem Kreuzfahrt­schiff.

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