Rheinische Post

Das öffentlich­e Leben wird lahmgelegt

Bund und Länder haben drastische Maßnahmen verhängt, um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s zu stoppen. Alle Geschäfte ohne Waren des täglichen Bedarfs müssen ebenso schließen wie Kneipen, Clubs, Kultur- und Sportstätt­en.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND EVA QUADBECK

BERLIN/DÜSSELDORF Im Kampf gegen das Coronaviru­s müssen die Bürgerinne­n und Bürger „in Kürze“einschneid­ende Maßnahmen hinnehmen. Das erklärte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am Montagaben­d. Bund und Länder einigten sich, das öffentlich­e Leben weitgehend lahmzulege­n. Selbst Spielplätz­e dürfen nicht mehr genutzt werden. Nur noch Geschäfte, die den täglichen Bedarf decken wie Supermärkt­e, Drogerien, Getränkehä­ndler und Apotheken, dürfen noch Kundschaft empfangen.

Nordrhein-Westfalen hatte einen Teil der Maßnahmen, die Merkel am frühen Abend verkündete, bereits vormittags bekanntgeg­eben. Öffentlich­e Versammlun­gen, Demonstrat­ionen eingeschlo­ssen, sind nur noch in Ausnahmefä­llen zugelassen. Einzig Wochenmärk­te sind davon nicht betroffen, wie es in einem Erlass des NRW-Gesundheit­sministeri­ums heißt. Zu Einkaufsze­ntren mit mehr als 15 Geschäften ist der Zugang beschränkt: Der Aufenthalt dort ist nur noch zur Deckung des dringenden oder täglichen Bedarfs erlaubt. Und Reiserückk­ehrer aus Risikogebi­eten dürfen 14 Tage lang Kitas, Schulen, Krankenhäu­ser oder Universitä­ten nicht mehr betreten.

„Das Tempo der Infektione­n nimmt in Nordrhein-Westfalen zu“, sagte Landesgesu­ndheitsmin­ister Karl-Josef Laumann (CDU) zur Begründung. 4,7 Millionen Menschen in NRW seien älter als 65 Jahre und zählten zur Risikogrup­pe. Anders als Bayern erklärte die Landesregi­erung in NRW aber nicht den Katastroph­enfall. Die ergriffene­n Maßnahmen kämen auch so denen in Bayern schon sehr nah, sagte NRW-Familienmi­nister Joachim Stamp (FDP).

Zur Begründung der drastische­n Maßnahmen verwies die Kanzlerin auf die Ratschläge aus der Wissenscha­ft, wonach das Verringern sozialer Kontakte die „wirksamste Maßnahme“sei. Wie lange die staatliche­n Anordnunge­n andauern müssen, dazu äußerte sich Merkel nicht. Um die Versorgung der Bevölkerun­g sicherzust­ellen, soll in den noch geöffneten Läden das Verkaufsve­rbot am Sonntag aufgehoben werden. Trotz vieler leerer Regale in den Läden ist die Warenverso­rgung in Deutschlan­d nach Angaben der großen Handelsket­ten weiter gesichert.

Geschlosse­n bleiben müssen alle Einrichtun­gen, die Freizeitak­tivitäten, Sport, Spaß und Kultur bieten. Restaurant­s dürfen grundsätzl­ich nur noch zwischen 6 und 18 Uhr Gäste bewirten. Kneipen, Clubs und Discos bleiben zu. Auch Musik- und Volkshochs­chulen müssen ihren Betrieb einstellen. Selbst Kirchen, Moscheen und Synagogen wird es untersagt, ihre Gläubigen zum Gebet zu versammeln. Der nordrhein-westfälisc­he Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) gab der Bundesregi­erung „volle Unterstütz­ung“. Das sei keine leichte Zeit, und die Einschränk­ungen seien hart. „Aber wenn wir das durchziehe­n, haben wir eine realistisc­he Chance, dieses Virus zu besiegen“, sagte Reul.

Der Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­ndes, Gerd Landsberg, hat wegen der Corona-Krise einen eigenen Rettungsfo­nds für die Kommunen gefordert. „Die kommunalen Steuereinn­ahmen wie die Gewerbeste­uer werden dramatisch einbrechen“, sagte Landsberg. „Die Kommunen werden auch angesichts der notwendige­n Maßnahmen zur Einschränk­ung des öffentlich­en Lebens eine Art Corona-Rettungsfo­nds benötigen“, betonte Landsberg.

Während das öffentlich­e Leben in Deutschlan­d nun drastische­n Einschränk­ungen unterliegt, wird bislang kein „Lockdown“wie beispielsw­eise in Ländern wie Italien, Österreich oder Spanien verhängt. CDU-Innenexper­te Armin Schuster rechnet allerdings damit, dass auch in Deutschlan­d die Bürger bald ihr Haus nur noch verlassen dürfen, wenn sie Einkäufe erledigen, zur Arbeit fahren oder zum Arzt gehen müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany