Das öffentliche Leben wird lahmgelegt
Bund und Länder haben drastische Maßnahmen verhängt, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. Alle Geschäfte ohne Waren des täglichen Bedarfs müssen ebenso schließen wie Kneipen, Clubs, Kultur- und Sportstätten.
BERLIN/DÜSSELDORF Im Kampf gegen das Coronavirus müssen die Bürgerinnen und Bürger „in Kürze“einschneidende Maßnahmen hinnehmen. Das erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montagabend. Bund und Länder einigten sich, das öffentliche Leben weitgehend lahmzulegen. Selbst Spielplätze dürfen nicht mehr genutzt werden. Nur noch Geschäfte, die den täglichen Bedarf decken wie Supermärkte, Drogerien, Getränkehändler und Apotheken, dürfen noch Kundschaft empfangen.
Nordrhein-Westfalen hatte einen Teil der Maßnahmen, die Merkel am frühen Abend verkündete, bereits vormittags bekanntgegeben. Öffentliche Versammlungen, Demonstrationen eingeschlossen, sind nur noch in Ausnahmefällen zugelassen. Einzig Wochenmärkte sind davon nicht betroffen, wie es in einem Erlass des NRW-Gesundheitsministeriums heißt. Zu Einkaufszentren mit mehr als 15 Geschäften ist der Zugang beschränkt: Der Aufenthalt dort ist nur noch zur Deckung des dringenden oder täglichen Bedarfs erlaubt. Und Reiserückkehrer aus Risikogebieten dürfen 14 Tage lang Kitas, Schulen, Krankenhäuser oder Universitäten nicht mehr betreten.
„Das Tempo der Infektionen nimmt in Nordrhein-Westfalen zu“, sagte Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zur Begründung. 4,7 Millionen Menschen in NRW seien älter als 65 Jahre und zählten zur Risikogruppe. Anders als Bayern erklärte die Landesregierung in NRW aber nicht den Katastrophenfall. Die ergriffenen Maßnahmen kämen auch so denen in Bayern schon sehr nah, sagte NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP).
Zur Begründung der drastischen Maßnahmen verwies die Kanzlerin auf die Ratschläge aus der Wissenschaft, wonach das Verringern sozialer Kontakte die „wirksamste Maßnahme“sei. Wie lange die staatlichen Anordnungen andauern müssen, dazu äußerte sich Merkel nicht. Um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, soll in den noch geöffneten Läden das Verkaufsverbot am Sonntag aufgehoben werden. Trotz vieler leerer Regale in den Läden ist die Warenversorgung in Deutschland nach Angaben der großen Handelsketten weiter gesichert.
Geschlossen bleiben müssen alle Einrichtungen, die Freizeitaktivitäten, Sport, Spaß und Kultur bieten. Restaurants dürfen grundsätzlich nur noch zwischen 6 und 18 Uhr Gäste bewirten. Kneipen, Clubs und Discos bleiben zu. Auch Musik- und Volkshochschulen müssen ihren Betrieb einstellen. Selbst Kirchen, Moscheen und Synagogen wird es untersagt, ihre Gläubigen zum Gebet zu versammeln. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) gab der Bundesregierung „volle Unterstützung“. Das sei keine leichte Zeit, und die Einschränkungen seien hart. „Aber wenn wir das durchziehen, haben wir eine realistische Chance, dieses Virus zu besiegen“, sagte Reul.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, hat wegen der Corona-Krise einen eigenen Rettungsfonds für die Kommunen gefordert. „Die kommunalen Steuereinnahmen wie die Gewerbesteuer werden dramatisch einbrechen“, sagte Landsberg. „Die Kommunen werden auch angesichts der notwendigen Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens eine Art Corona-Rettungsfonds benötigen“, betonte Landsberg.
Während das öffentliche Leben in Deutschland nun drastischen Einschränkungen unterliegt, wird bislang kein „Lockdown“wie beispielsweise in Ländern wie Italien, Österreich oder Spanien verhängt. CDU-Innenexperte Armin Schuster rechnet allerdings damit, dass auch in Deutschland die Bürger bald ihr Haus nur noch verlassen dürfen, wenn sie Einkäufe erledigen, zur Arbeit fahren oder zum Arzt gehen müssen.