Oper auf der Bühne, niemand im Saal
Im Corona-Modus: Viele Häuser streamen ihre Aufführungen – etwa in Krefeld und Köln.
KREFELD/KÖLN Not ist die Mutter der Erfindungen, sagt ein Sprichwort. Das stimmt, aber manche Erfindung, die jetzt neu wirkt, gab es schon vor der Not – zum Beispiel Streaming-Übertragungen aus Theatern, Opernhäusern, Konzertsälen.
Die Corona-Krise beschert zahllosen Kulturinstituten nun unter anderem das Problem, dass sie neue Produktionen premierenreif einstudiert oder bedeutende Künstler eingeladen haben, aber die öffentlichen Aufführungen absagen mussten. Und nun? Trotzdem spielen? Das Theater Krefeld hat am Sonntag die Premiere von Dvoráks Oper„Rusalka“live auf seinemYoutube-Kanal übertragen, ebenso die Kölner Philharmonie das Gastspiel des Bach-Collegiums Japan mit der „Johannes-Passion“auf „philharmonie.tv“. Beide zeitgleich um 18 Uhr. Beide ohne Publikum.Wer beides im Ping-Pong anschaut, erlebt ein Zappen mit besonderer Note. Wer diese Werke kennt, weiß ungefähr, wann er wo sein möchte. „Johannes-Passion“: klar der Eingangschor, logisch die Turbae-Chöre im Mittelteil, einige Arien. Bei „Rusalka“die Szenen mit der Fürstin, Rusalkas„Lied an den Mond“, das traurige Finale.
Krefeld sieht drollig aus, ein bisschen wie 50er-Jahre-Fernsehen. Die Kamera steht gefühlt in 200 Metern Entfernung, aber so sieht man immer das gesamte Bühnenbild. Für Duette zoomt die Kamera heran.
In Köln haben sie mehr Kameras stehen, der Ton ist deutlich besser, weil die Musiker besser und individueller mikrofoniert sind, aber es kommt zu den bekannt grotesken Problemen mangelnder Synchronizität zwischen Bild und Ton. Der Sänger öffnet den Mund, sein Ton kommt erst später. Der Klassiker!
Doch wird man demütig in diesen ersterbenden Tagen und ist irgendwie dankbar, dass da jemand live auf der Bühne steht. Es ist wie ein Geschenk, das Darbenden zuteil wird. Manch älteren Opernfreund wird das an die Nachkriegsjahre erinnert haben, wobei damals der Sound im Radio natürlich deutlich schlechter war.
Und so sitzt man denn vor dem Monitor seines PC (nicht vor dem Fernsehen, das wäre ja schön) und fragt sich die ganze Zeit, was da fehlt. Schnell wird es klar: die Atmosphäre des Saals. Das Echo aus dem Publikum. Ja, sogar das diskrete Husten aus Reihe 7 und das schwere Parfüm der stark toupierten Dame aus Reihe 8 fehlen einem. Man kann jetzt bedenkenlos ein zweites Gläschen Weißwein holen, während Jesus in Köln mit Pilatus über Wahrheit räsonniert. Lieber säße man gebannt mitten im Saal und bekäme garantiert wieder Gänsehaut.
Als sich in Köln alle am Ende verneigen, ruft der Autor dieser Zeilen Bravo. Niemand hört ihn.