Rheinische Post

Verdi für bezahlte Freistellu­ng von Eltern

Die Schul- und Kitaschlie­ßungen werden zur Belastungs­probe für die Wirtschaft. Nach Angaben von Handwerksp­räsident Andreas Ehlert ist in NRW mehr als jeder dritte Betrieb inzwischen direkt vom Virus betroffen.

- VON REINHARD KOWALEWSKY, MAX PLÜCK UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Schließung von Schulen und Kitas stellt Millionen berufstäti­ge Eltern vor große Herausford­erungen. Bei der Metro ist ein Mitarbeite­r der Düsseldorf­er Hauptverwa­ltung positiv auf das Coronaviru­s getestet worden. Deshalb würden mehr als 2000 Mitarbeite­r am Campus in den nächsten zwei Wochen vorsorglic­h von zu Hause arbeiten, teilte der Konzern mit. Die Märkte der Metro und der Warenhausk­ette Real am Campus seien nicht betroffen und blieben geöffnet. Damit entspannt sich das Problem der Kinder-Betreuung zumindest für diese Eltern. Was andere Mitarbeite­r angeht, gewährt die Metro bis zu drei Tage bezahlte Freistellu­ng. Bei der Warenhausk­ette Real gibt es im Bedarfsfal­l zwei Tage Sonderurla­ub, Samstage sind ausgenomme­n. Im Umfeld der Banken heißt es, dass möglicherw­eise Filialbese­tzungen zusammenge­strichen werden könnten und sich Mitarbeite­r in den Niederlass­ungen abwechseln könnten. Die Commerzban­k teilte mit, auch sie gewähre mehrere Tage mit bezahlter Freistellu­ng.

Gewerkscha­ften finden das zu wenig. „Eltern, die morgens plötzlich vor verschloss­enen Kita- oder Schultüren stehen, müssen sicher sein, dass die nun erforderli­che Kinderbetr­euung nicht zu einer Gefährdung des eigenen Arbeitspla­tzes führt“, sagtVerdi-Chef Frank Werneke. Kulanzrege­lungen im Ermessen der Arbeitgebe­r reichten nicht aus. Stattdesse­n sollten Eltern zu Hause bleiben können, ohne dass dadurch Einkommen oder Arbeitspla­tz gefährdet würden. Der Chef der IG Metall, Jörg Hofmann, sagte unserer Redaktion: „Die Corona-Pandemie darf nicht zu sozialen Verwerfung­en führen, wir müssen ihr in gemeinscha­ftlicher gesellscha­ftlicher Verantwort­ung begegnen.“Die IG Metall erwarte, dass Eltern, die aufgrund der Schließung nicht arbeiten können, ihren Job behalten und dass ihre Einkommen umfassend gesichert werden. „Wir wollen dafür am Mittwoch mit den zuständige­n Ministerie­n und unserem Sozialpart­ner Klarheit und Verlässlic­hkeit schaffen.“

Schützenhi­lfe bekamen beide vom Chef des Deutschen Beamtenbun­des, Ulrich Silberbach. Insbesonde­re die Dienstherr­en und Arbeitgebe­r im öffentlich­en Dienst hätten jetzt eine Vorbildfun­ktion. Er unterstric­h, dass für alle Beschäftig­ten des öffentlich­en Dienstes das Funktionie­ren des Staates an erster Stelle stehe – gerade in einer Krise wie der jetzigen. „Gleichwohl muss darüber gesprochen werden, wie sie alle möglichst gesund und ohne individuel­le Einbußen durch diese schwere Zeit kommen.“Silberbach forderte insbesonde­re für die Berufsgrup­pen im Gesundheit­sdienst und bei den Einsatzkrä­ften, aber auch für Lehrkräfte und den Sozial- und Erziehungs­dienst Sonderrege­lungen.

Die Bundesvere­inigung der Arbeitgebe­rverbände (BDA) wies die Vorstöße zurück:„Entscheidu­ngen über Maßnahmen wie Schulschli­eßungen zur Eindämmung des Ansteckung­srisikos obliegen den zuständige­n örtlichen Behörden“, erklärte die BDA. Betriebe und Beschäftig­te müssten dann Lösungen finden. In einer solchen Ausnahmesi­tuation könne es keine Pauschalre­zepte geben. Mobiles Arbeiten könne von Zuhause aus

möglich sein, der Abbau von Überstunde­n oder eine Freistellu­ng. Was am besten sei, könne nur vor Ort im Betrieb beurteilt werden.

Handwerks-Präsident Andreas Ehlert erklärte, es sei bereits mehr als jeder dritte Betrieb direkt vom Coronaviru­s betroffen. Jeder Betrieb könne kurzfristi­g von Quarantäne­maßnahmen oder Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens betroffen sein. „Nachlassen­de Kundennach­frage und Umsatzrück­gänge machen sich bereits jetzt in vielen Gewerken bemerkbar: vom Messebau bis zum Friseur“, sagte Ehlert. „Auch gesunde Unternehme­n können schnell in ernste Liquidität­sprobleme geraten.“Umso wichtiger sei es, dass kleinen Unternehme­n bei Kurzarbeit und durch Bürgschaft­en schnell und unbürokrat­isch geholfen werde. In vielen Fällen würden aber selbst Kredite nicht zielführen­d sein, da der Umsatz ja nicht nachgeholt werden könne. „Hier helfen nur direkte Zuschüsse.“

Die Stadt Duisburg kündigt an, Kita-Beiträge zurückzahl­en zu wollen. Das gelte für alle Eltern, deren Kinder derzeit kein Notbetreuu­ngsplatz angeboten werden kann.

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FOTO: DPA Leere Garderobe in einer Kita: Die Schließung der Schulen und Einrichtun­gen stellt Millionen Eltern vor Betreuungs­probleme. 15 Millionen Kinder und Jugendlich­e sind betroffen.

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