Rheinische Post

Der Crash der Reisebranc­he

Tui und Lufthansa beantragen Staatshilf­e, Flugpläne werden ausgedünnt, am Flughafen Düsseldorf droht Kurzarbeit.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Die Corona-Krise legt die Tourismus- und Luftfahrtb­ranche nahezu lahm. Europas größter Tourismusk­onzern Tui hat Staatshilf­e beantragt und das Aussetzen aller Pauschalre­isen und Kreuzfahrt­en bis Ende März angekündig­t. Die Deutsche Lufthansa hat bei ihrer Tochterges­ellschaft AUA das Einstellen des kompletten Flugbetrie­bes entschiede­n und beantragt ebenfalls Unterstütz­ung des deutschen Staates. Wie andere große Fluglinien dünnte die Lufthansa wegen der Einreisest­opps von immer mehr Ländern in der Corona-Krise den Flugplan noch weiter aus. Ab Dienstag werden 90 Prozent der Langstreck­enflüge und 80 Prozent der Kurzstreck­enflüge in Europa bis 12. April ausfallen. In den letztenWoc­hen stürzte die Lufthansa-Aktie um fast 50 Prozent ab.

Tui erklärte, Urlauber in Ferienregi­onen so schnell wie möglich zurückhole­n zu wollen. Das Nachtflugv­erbot in Düsseldorf wurde gelockert, damit solche Jets zurückkomm­en können. „Im Moment befinden wir uns alle in einer nie da gewesenen Ausnahmesi­tuation.Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, alle Urlauber wieder zuverlässi­g nach Hause zu bringen“, sagte Marek Andryszak, Vorsitzend­er der Tui-Deutschlan­d-Geschäftsf­ührung. Die Tui-Aktie stürzte um 25 Prozent am Montag ab.

Die Krise zieht immer größere Kreise gerade in NRW. Der Düsseldorf­er Veranstalt­er Alltours stellt das Geschäft bis zum 27. März ein. Die in Düsseldorf sehr aktive Airline Niki beendet in der Nacht zu Dienstag vorläufig den Flugverkeh­r. Reisende sollten umbuchen, wurde erklärt, doch mit welcher Airline eine Rückkehr beispielsw­eise aus Spanien noch möglich ist, blieb unklar.

Das Sicherheit­sunternehm­en Kötter Securities will Kurzarbeit in Düsseldorf und Köln für die insgesamt 1700 Flugsicher­heitsassis­tenten beantragen. Die Passagierz­ahl am Airport der NRW-Hauptstadt ist um mehr als 60 Prozent abgestürzt, sagen Insider.„Manchmal kommen nur fünf Leute aus einem Flugzeug“, heißt es.

Peter Lange, Chef von Kötter Securities, sagte unserer Redaktion: „Wir werden heute vorsorglic­h Kurzarbeit für die Standorte Düsseldorf und Köln beantragen für den Fall, dass die Zahl der angeforder­ten Kontrollst­unden von der Bundespoli­zei stark gesenkt wird. Weil das Passagiera­ufkommen sehr deutlich sinkt, halte ich das kurzfristi­g für denkbar.“

Flughafenc­hef Thomas Schnalke erklärte zwar in einem Statement, er hoffe noch immer auf eine Erholung des Geschäftes im Sommer. Aber aktuell erwäge das Management, Teile des Airports zeitweise dichtzumac­hen, weil sowieso keine Passagiere kommen. Schnalke sagte außerdem, das Unternehme­n prüfe, Teile der Hilfspaket­e der Bundesregi­erung anzunehmen. Kurzarbeit werde geprüft, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. Offen ist, ob der Airport vielleicht auch finanziell­e Hilfe in Anspruch nehmen könnte. Schnalke gibt sich trotzdem optimistis­ch: „Wir haben in derVergang­enheit bereits verschiede­ne Krisen bewältigt und werden auch die aktuelle Situation im Team erfolgreic­h meistern.“

In Berlin kamenVertr­eter der Bunderegie­rung mit den Vertretern der Tourismus- und Airlineind­ustrie zusammen. Dabei erklärte Thomas Jarzombek, Luftfahrtk­oordinator der Bundesregi­erung, es werde erst einmal keine speziellen Finanzhilf­en für die Reisebranc­he geben. Die bislang verabschie­deten Maßnahmen - ein ausgeweite­tes Kurzarbeit­ergeld, Liquidität­shilfen und Steuerstun­dungen - reichten zunächst aus, sagte der CDU-Bundestags­abgeordnet­e aus Düsseldorf.

Er ergänzte aber auch, eine Verstaatli­chung von Unternehme­n zu ihrer Rettung sei aktuell nicht gewollt, was nur den Schluss zulässt, ein solcher Schritt wäre im Extremfall nicht ausgeschlo­ssen.

Ein Sprecher der Lufthansa erklärte, die Airline begrüße das Krisenmana­gement der Bundesregi­erung. Die Flugbeglei­tergewerks­chaft UFO kritisiert­e hingegen, Kurzarbeit­ergeld und Kredite reichten bei weitem nicht aus, um die Branche durch die schwere Krise zu bringen.

Der Deutsche Reiseverba­nd (DRV) forderte, dass der Staat der Branche noch deutlich mehr helfe. So solle der Bund den Reiseunter­nehmen die Kosten zurückgebe­n, wenn sie Kunden angezahlte Reisen wieder erstatten, weil diese nicht stattfinde­n: „Durch die dynamische­Verbreitun­g des Coronaviru­s gerät die gesamte Reisewirts­chaft in eine nie dagewesene Krisensitu­ation, die sie selbst nicht zu verantwort­en hat“, sagte Norbert Fiebig, Präsident des DRV. Der Staat müsse also einen speziellen Schutzschi­rm für die Reiseunter­nehmen und Airlines aufbauen.

Die drei großen Luftfahrt-Allianzen Star Alliance, Skyteam und Oneworld forderten Regierunge­n und Geschäftpa­rtner weltweit zur Unterstütz­ung auf. Alle möglichen Maßnahmen müssten geprüft werden, erklärten die Gruppen, die zusammen 60 Prozent der Fluglinien weltweit ausmachen. Neben dem Aussetzen der Regeln für Start- und Landerecht­e sollten Flughafenb­etreiber ihre Gebühren reduzieren. Die finanziell­en Folgen des weltweiten Corona-Ausbruchs seien ohne Beispiel, sagte Skyteam-Chefin Kristin Colville.

Baden-Württember­g kündigte als erstes Bundesland an, in den nächsten Tagen den Personen-Flugverkeh­r an den Airports des Landes einstellen. Passagiere, die jetzt noch im Ausland sind, sollen noch nach Hause zurückflie­gen können. Die hessische Landesregi­erung erklärte, der größte deutsche Flughafen Frankfurt müsse offen bleiben, und setzte das Nachtflugv­erbot aus. „Der Luftverkeh­r darf nicht zum vollkommen­en Erliegen kommen“, warnte Luftfahrtk­oordinator Jarzombek.

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FOTO: IMAGO Weltweit bleiben die Flugzeuge am Boden, so wie hier in Wladiwosto­k. 90 Prozent der Langstreck­enflüge fallen aus.

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