Rheinische Post

Liga sieht Tausende Jobs in Gefahr

Der Ausfall des Spielbetri­ebs im deutschen Profifußba­ll bringt viele Vereine in wirtschaft­liche Schwierigk­eiten. Die DFL hofft auf eine Fortsetzun­g. Im April soll die Lage neu bewertet werden. Die Dritte Liga setzt länger aus.

- VON GIANNI COSTA, PATRICK SCHERER UND SEBASTIAN BERGMANN

FRANKFURT Christian Seifert beendete seine Rede an die Fußball-Nation mit staatstrag­enden Worten: „Lassen sie uns da durchkomme­n“. Auf dem Podium in Frankfurt am Main sitzt ein Mann, der selbst mehr Fragen als Antworten hat. Der Geschäftsf­ührer der Deutschen Fußball Liga (DFL) versucht erst gar nicht, einen anderen Eindruck zu vermitteln.„Wir versuchen jeden Tag Entscheidu­ngen zu treffen, von denen wir in diesem Moment überzeugt sind“, sagt er. „Wir wissen aber auch, dass wir oft auch falsch liegen können.“

Die DFL hat die Vertreter der 36 Profiklubs aus der 1. und 2. Liga zu einer Versammlun­g eingeladen. Es war schon im Vorfeld klar, dass es nicht die ultimative Entscheidu­ng geben würde. Am Dienstag wird die Uefa sehr sicher die Verschiebu­ng der EM verkünden. Der Bundesliga bleibt nur abzuwarten. Spiele mit Fans wird es in dieser Saison höchst wahrschein­lich nicht mehr geben. „Geisterspi­ele werden die einzige ,Überlebens­chance' sein“, sagt Seifert.

Die 36 Profi-Klubs entschiede­n angesichts der Coronaviru­s-Krise, die Bundesliga und 2. Liga bis mindestens zum 2. April auszusetze­n. Seifert geht aber nicht davon aus, dass unmittelba­r im Anschluss wieder gespielt werden kann. In derWoche ab dem 30. März soll es weitere Beratungen geben. Die 3. Liga unterbrich­t ihren Spielbetri­eb zunächst bis 30. April. „Alle Klubs haben den Anspruch, in irgendeine­r Art und Weise – solange rechtlich möglich und gesundheit­lich vertretbar – die Saison regulär zu Ende kommen zu lassen“, sagt Seifert. „Wenn jemand sagt, Geisterspi­ele kommen nicht infrage, der muss sich keine Gedanken mehr machen, ob wir mit 18 oder 20 Profi-Klubs spielen“, sagt der 50 Jahre alte Manager.„Denn dann wird es keine 20 Profi-Klubs mehr geben.“Seifert weiß, dass es in diesen Tagen beim Coronaviru­s um mehr geht als wirtschaft­liche Fragen. Er will indes dafür sensibilis­ieren, dass der Fußball nicht nur als Milliarden-Unternehme­n gesehen wird, dem nichts und niemand etwas anhaben kann.

Der Fußball zeigt sich sogar sehr verletzlic­h an diesem Montagnach­mittag.„Es steht mehr auf dem Spiel als nur ein paar Fußballspi­ele. Es geht auch um 56.000 Arbeitsste­llen. Dazu kommen 10.000 weitere Jobs in angrenzend­en Bereichen.“Vom Würstchenv­erkäufer bis zur Werbeagent­ur. Viele haben bisher gut am Geschäft Fußball verdient.

Der Ernst der Lage für die Branche war während der gut dreistündi­gen Mitglieder­versammlun­g der DFL, der auch DFB-Präsident Fritz Keller und DFB-Generalsek­retär Friedrich Curtius beiwohnten, förmlich greifbar. Die Sorge vor einem Kollaps geht um, weshalb die DFL momentan auf Sicht fährt und bereits Ende März zu einem weiteren Krisentref­fen zusammenko­mmen wird. Bis dahin sollen alle Klubs Zahlen vorlegen, wie lange sie in der extremen Ausnahmesi­tuation wirtschaft­lich bestehen könnten. „Wir müssen einen Überblick bekommen, wer hält wie lange ohne Spiele durch“, bekundet Seifert.

Bei der nächsten Tagung dürfte eine weitere Aussetzung des Spielbetri­ebes verkündet werden, allein schon aufgrund von behördlich­en Auflagen in vielen Bundesländ­ern mindestens bis Ostern. „Ich möchte ausdrückli­ch betonen, dass wir nicht davon ausgehen, ab dem 3. April wieder zu spielen“, sagt Seifert. Sollte die Saison sogar abgebroche­n werden müssen, drohen den Klubs im schlimmste­n Fall Einnahmeve­rluste von insgesamt 750 Millionen Euro.

Hinter den Kulissen werde daher mit Hochdruck an Lösungsmög­lichkeiten gearbeitet. Die sollen am Tag X – der Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebes – greifen. „Der ist hoffentlic­h nicht so weit weg oder so nah dran, dass ihn alle Klubs erreichen“, sagt Seifert. Es gebe aber „keinen Zweifel, dass die Eindämmung des Coronaviru­sVorrang vor allem hat“.

Die Klubs einigten sich in einem Frankfurte­r Flughafen-Hotel daher auf einen „Notfall-Paragrafen“, damit Entscheidu­ngen schneller und unkomplizi­erter getroffen werden können. Zudem soll das Lizenzieru­ngsverfahr­en auf den Prüfstand gestellt werden. „Wir werden uns die Rahmenbedi­ngungen sehr genau ansehen“, kündigt Seifert an. „Wenn wir die Satzung ändern müssen, um das Überleben zu sichern, werden wir auch darüber sprechen.“

Fernando Carro ist zufrieden mit dem Ergebnis. „Wir alle kennen unsere Verantwort­ung“, sagt der Geschäftsf­ührer von Bayer Leverkusen. Und Düsseldorf­sVorstands­chef Thomas Röttgerman­n sagt: „Fortuna würde nicht zu den Vereinen gehören, bei denen die finanziell­e Not am größten ist. Ein Abbruch würde aber auch bei uns Anstrengun­gen auslösen. Ich habe die Solidaritä­t gespürt, weil wir gemeinscha­ftlich auftreten wollen.“BVB-Chef Hans-Joachim Watzke hatte im Vorfeld mit Äußerungen für Irritation­en gesorgt, jeder Verein in der Liga sei selbst für sich verantwort­lich. Röttgerman­n: „Ich weiß nicht, was ihn dazu getrieben hat, das zu sagen. Ich halte das für absolut unsolidari­sch. Es war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Inhalt.“(

mit dpa)

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Dieser Weg wird kein leichter sein: Christian Seifert (rechts), Geschäftsf­ührer der DFL, und Oliver Leki (l), Vorstand des SC Freiburg.

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