Liga sieht Tausende Jobs in Gefahr
Der Ausfall des Spielbetriebs im deutschen Profifußball bringt viele Vereine in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die DFL hofft auf eine Fortsetzung. Im April soll die Lage neu bewertet werden. Die Dritte Liga setzt länger aus.
FRANKFURT Christian Seifert beendete seine Rede an die Fußball-Nation mit staatstragenden Worten: „Lassen sie uns da durchkommen“. Auf dem Podium in Frankfurt am Main sitzt ein Mann, der selbst mehr Fragen als Antworten hat. Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL) versucht erst gar nicht, einen anderen Eindruck zu vermitteln.„Wir versuchen jeden Tag Entscheidungen zu treffen, von denen wir in diesem Moment überzeugt sind“, sagt er. „Wir wissen aber auch, dass wir oft auch falsch liegen können.“
Die DFL hat die Vertreter der 36 Profiklubs aus der 1. und 2. Liga zu einer Versammlung eingeladen. Es war schon im Vorfeld klar, dass es nicht die ultimative Entscheidung geben würde. Am Dienstag wird die Uefa sehr sicher die Verschiebung der EM verkünden. Der Bundesliga bleibt nur abzuwarten. Spiele mit Fans wird es in dieser Saison höchst wahrscheinlich nicht mehr geben. „Geisterspiele werden die einzige ,Überlebenschance' sein“, sagt Seifert.
Die 36 Profi-Klubs entschieden angesichts der Coronavirus-Krise, die Bundesliga und 2. Liga bis mindestens zum 2. April auszusetzen. Seifert geht aber nicht davon aus, dass unmittelbar im Anschluss wieder gespielt werden kann. In derWoche ab dem 30. März soll es weitere Beratungen geben. Die 3. Liga unterbricht ihren Spielbetrieb zunächst bis 30. April. „Alle Klubs haben den Anspruch, in irgendeiner Art und Weise – solange rechtlich möglich und gesundheitlich vertretbar – die Saison regulär zu Ende kommen zu lassen“, sagt Seifert. „Wenn jemand sagt, Geisterspiele kommen nicht infrage, der muss sich keine Gedanken mehr machen, ob wir mit 18 oder 20 Profi-Klubs spielen“, sagt der 50 Jahre alte Manager.„Denn dann wird es keine 20 Profi-Klubs mehr geben.“Seifert weiß, dass es in diesen Tagen beim Coronavirus um mehr geht als wirtschaftliche Fragen. Er will indes dafür sensibilisieren, dass der Fußball nicht nur als Milliarden-Unternehmen gesehen wird, dem nichts und niemand etwas anhaben kann.
Der Fußball zeigt sich sogar sehr verletzlich an diesem Montagnachmittag.„Es steht mehr auf dem Spiel als nur ein paar Fußballspiele. Es geht auch um 56.000 Arbeitsstellen. Dazu kommen 10.000 weitere Jobs in angrenzenden Bereichen.“Vom Würstchenverkäufer bis zur Werbeagentur. Viele haben bisher gut am Geschäft Fußball verdient.
Der Ernst der Lage für die Branche war während der gut dreistündigen Mitgliederversammlung der DFL, der auch DFB-Präsident Fritz Keller und DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius beiwohnten, förmlich greifbar. Die Sorge vor einem Kollaps geht um, weshalb die DFL momentan auf Sicht fährt und bereits Ende März zu einem weiteren Krisentreffen zusammenkommen wird. Bis dahin sollen alle Klubs Zahlen vorlegen, wie lange sie in der extremen Ausnahmesituation wirtschaftlich bestehen könnten. „Wir müssen einen Überblick bekommen, wer hält wie lange ohne Spiele durch“, bekundet Seifert.
Bei der nächsten Tagung dürfte eine weitere Aussetzung des Spielbetriebes verkündet werden, allein schon aufgrund von behördlichen Auflagen in vielen Bundesländern mindestens bis Ostern. „Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir nicht davon ausgehen, ab dem 3. April wieder zu spielen“, sagt Seifert. Sollte die Saison sogar abgebrochen werden müssen, drohen den Klubs im schlimmsten Fall Einnahmeverluste von insgesamt 750 Millionen Euro.
Hinter den Kulissen werde daher mit Hochdruck an Lösungsmöglichkeiten gearbeitet. Die sollen am Tag X – der Wiederaufnahme des Spielbetriebes – greifen. „Der ist hoffentlich nicht so weit weg oder so nah dran, dass ihn alle Klubs erreichen“, sagt Seifert. Es gebe aber „keinen Zweifel, dass die Eindämmung des CoronavirusVorrang vor allem hat“.
Die Klubs einigten sich in einem Frankfurter Flughafen-Hotel daher auf einen „Notfall-Paragrafen“, damit Entscheidungen schneller und unkomplizierter getroffen werden können. Zudem soll das Lizenzierungsverfahren auf den Prüfstand gestellt werden. „Wir werden uns die Rahmenbedingungen sehr genau ansehen“, kündigt Seifert an. „Wenn wir die Satzung ändern müssen, um das Überleben zu sichern, werden wir auch darüber sprechen.“
Fernando Carro ist zufrieden mit dem Ergebnis. „Wir alle kennen unsere Verantwortung“, sagt der Geschäftsführer von Bayer Leverkusen. Und DüsseldorfsVorstandschef Thomas Röttgermann sagt: „Fortuna würde nicht zu den Vereinen gehören, bei denen die finanzielle Not am größten ist. Ein Abbruch würde aber auch bei uns Anstrengungen auslösen. Ich habe die Solidarität gespürt, weil wir gemeinschaftlich auftreten wollen.“BVB-Chef Hans-Joachim Watzke hatte im Vorfeld mit Äußerungen für Irritationen gesorgt, jeder Verein in der Liga sei selbst für sich verantwortlich. Röttgermann: „Ich weiß nicht, was ihn dazu getrieben hat, das zu sagen. Ich halte das für absolut unsolidarisch. Es war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Inhalt.“(
mit dpa)