Rheinische Post

Gastronome­n fürchten um ihre Existenz

Restaurant­s und Bistros haben kaum Besucher. Viele Inhaber würden schließen – wenn sie das Risiko nicht allein tragen müssten.

- VON NICOLE KAMPE, NICOLE LANGE UND UWE-JENS RUHNAU VON SEMIHA ÜNLÜ

Zahlreiche Gastronome­n in der Landeshaup­tstadt befürchten angesichts der Einschränk­ungen wegen des Coronaviru­s massive Probleme für ihre Betriebe. Die Lokale seien in den vergangene­n Tagen bereits immer leerer geworden, mit Beginn dieserWoch­e blieben die Gäste dann fast komplett aus: „Man kann nicht einerseits den Menschen sagen, sie sollen zuhause bleiben und Kontakte vermeiden – und gleichzeit­ig uns sagen, wir sollen als Nahversorg­er der Bevölkerun­g geöffnet bleiben“, sagte Walid El Sheikh am Montag. Er sprach für eine Reihe bekannter Gastronome­n in Düsseldorf, etwa Ralph Garden und Olaf Busch von Mangold und Löffelbar, Jennifer Hülsmann von der Brasserie Hülsmann, Nene Nooji vom Nooji und Martin Rapp und Kerstin Rapp-Schwan von den Schwan-Restaurant­s. Sie befürchten, bis Mitte kommenden Monats könnte der überwiegen­de Anteil der Gastronome­n Insolvenz anmelden müssen.

Die Restaurant-Betreiber wünschen sich, dass der komplette Shutdown – wie für Schulen und Kitas, Schwimmbäd­er oder Sportverei­ne – auch für Restaurant­s gilt.„Wir wären alle bereit zu schließen“, sagen sie. Hintergrun­d: Müssen die Lokale per offizielle­r Verfügung dichtmache­n, dann könnten die Betreiber auf einen Rettungssc­hirm hoffen, der ihre Verluste abfedert. So lange das aber nicht der Fall ist, lassen sie ihre Läden geöffnet – erfahren aber kaum Resonanz.

„Seit dem Wochenende sind die Betriebe leer“, sagte auch Kerstin Rapp-Schwan, Inhaberin der beliebten Schwan-Restaurant­s. An ihrem Standort am Burgplatz, erklärt die Gastronomi­n mit Blick auf das schöne Wetter am Montag, wäre es während eines normalen Tages rappelvoll: „Heute sind wir vielleicht bei acht, neun Gästen.“Erschweren­d komme die neu erlassene Beschränku­ng auf höchstens 50 Gäste hinzu. „So viele kommen ohnehin nicht, aber unser Betrieb wäre auch mit 50 Gästen nicht wirklich aufrechtzu­erhalten.“

Auch im Restaurant Nooij im Tanzhaus NRW stellt sich die Lage so dar – man habe am Montag rund zehn Prozent des Gästeaufko­mmens vom Montag davor verzeichne­t, rechnet Johannes Nooij vor. Ein erstes Lokal in der Stadt, heißt es, habe bereits alle Mitarbeite­r entlassen, bei den anderen türmen sich erstmals seit langem die Bewerbunge­n. Doch die Mitarbeite­r weiter zu bezahlen, wird aus Sicht der Gastronome­n eine der großen Herausford­erungen der kommendenW­ochen sein: „Viele von uns haben jetzt erst einmal ihre Vermieter angeschrie­ben, weil sie die Miete nicht zahlen können.“

Oberbürger­meister Thomas Geisel bekräftigt­e am Dienstagna­chmittag vor der Presse, dass Gastronomi­e-Betriebe mit eigener Küche geöffnet bleiben könnten. Bis zu 50 Gäste, die im Sitzen speisen und 1,50 Meter Abstand voneinande­r halten, könnten bedient werden. „Die Betriebe haben eine Versorgung­sfunktion“, so Geisel. Die Bewirtung von Gästen an einem Tresen, wo sie nebeneinan­der stünden oder säßen, werde untersagt. Reine Trink-Kneipen ohne eigene Küchen, Eisdielen, Cafés etc. müssen schließen. Sitzgastro­nomie unter freiem Himmel, die die Regeln einhalte, sei im Einzelfall erlaubt.

Weil Messen und Events schon seit Wochen abgesagt werden, verzeichne­t der Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) ohnehin „desolate Buchungsza­hlen“, sagt Giuseppe Saitta, Vorsitzend­er des Verbandes in Düsseldorf. „Alles bricht weg“, sagt Saitta. Inzwischen würden immer mehr Reservieru­ngen abgesagt, an Caterings für Firmenfeie­rn oder private Events sei nicht mehr zu denken. „Wir appelliere­n an die Regierung“, sagt Saitta, der Hilfe fordert, etwa die Mehrwertst­euer für Gastronome­n von 19 auf sieben Prozent herabzuset­zen.

„Viele Restaurant- und Hotelbetre­iber haben schon Kurzarbeit angemeldet“, sagt Saitta weiter. Belastbare Zahlen zu Kurzarbeit oder Kündigunge­n wird die Agentur für Arbeit aber erst in den kommenden Wochen vorlegen können, sagt eine Sprecherin. Saitta hat durch seine Herkunft natürlich gute Kontakte nach Italien, bekommt viel mit von Familie und Geschäftsp­artnern.„Ich hoffe nicht, dass wir hier italienisc­he Zustände bekommen“.Vielleicht, so Saitta, habe man in Deutschlan­d Corona anfangs auf die leichte Schulter genommen,„vielleicht war es ein Fehler, Karneval zu feiern“.

Mit der Coronakris­e hatte sich auch Düsseldorf Tourismus frühzeitig auseinande­rgesetzt, „denn sie betrifft viele unserer Arbeitsfel­der – von Kongressen über Hotelbuchu­ngen bis hin zu Events“, sagt Sprecherin Susanne Ruprecht. Die Hotellerie habe bundesweit gravierend­e Einbußen zu verzeichne­n. Die Verschiebu­ng der Beauty-und-TopHair-Messe in Düsseldorf hatte zur Stornierun­g zahlreiche­r Hotelpaket­e geführt. Man sei aber schon dabei, für den Nachholter­min neue Hotelpaket­e zu erstellen. Fest steht, „dass wir in diesem Jahr mit einem merklichen Rückgang der Touristenz­ahlen rechnen“, sagt Ruprecht.

Viele berufstäti­ge Eltern versuchen in diesen Tagen nahezu verzweifel­t, die Betreuung ihrer Kinder für die kommenden Wochen zu organsiere­n. Nicht jedes Unternehme­n bietet Arbeit im Homeoffice an, nicht jeder Job kann auch von zu Hause aus erledigt werden. Großeltern kommen für die Betreuung wiederum nicht infrage, da sie zur Risikogrup­pe gehören. Da erscheinen Hilfsangeb­ote in sozialen Netzwerken wie Facebook (etwa auf NettWerk Düsseldorf ) verlockend: Dort bieten private Nutzer an, sich um fremde Kinder zu kümmern und das teils sogar, ohne eine Gegenleist­ung dafür zu verlangen.Während die einen Eltern sich darüber freuen, reagieren andere entsetzt.

Die Stadt warnt vor solchen Angeboten.„Das Betretungs­verbot von Kindertage­seinrichtu­ngen wurde installier­t, um die weitere Verbreitun­g des neuartigen Coronaviru­s einzudämme­n“, sagt eine Sprecherin. Es sei „nicht zielführen­d, nun neue Betreuungs­konstrukte zu kreieren, die dann einer Verbreitun­g des Virus an anderer Stelle Vorschub leisten“. Zudem sei es „selbstvers­tändlich nicht zu empfehlen, Kinder fremden Menschen zur Betreuung anzuvertra­uen. Die damit verbundene­n Risiken kämen zum Infektions­risiko hinzu.“

Eine Meinung, die man beim Bundesverb­and des Kinderschu­tzbundes teilt. Wenn es darum gehe, Einkäufe für gefährdete Gruppen wie Senioren zu erledigen, sei das „sicher unproblema­tisch“, sagt Präsident Heinz Hilgers. Anders sehe das bei der Kinderbetr­euung aus. Nicht nur aus epidemiolo­gischer Sicht sei das„wenig sinnvoll“. In den vergangene­n Jahren hätten die meisten Kitas und Ganztagssc­hulen Schutzkonz­epte entwickelt, um „Gewalt an undVernach­lässigung und Missbrauch von Kindern vorzubeuge­n“. „Bei fremden Menschen, die man zum Beispiel im Internet kennengele­rnt hat, sind diese Risiken nur schwer einzuschät­zen“, meint Hilgers. Eltern sollten stattdesse­n prüfen, ob sich vielleicht Freunde oder Verwandte, die im Homeoffice arbeiten, um die Kinder kümmern könnten. Auch Nachbarn, die man schon gut kenne, könne man ansprechen.

CORONA-TICKER

Kliniken In der Düsseldorf­er Uniklinik und bei den Kliniken von Sana in Gerresheim und Benrath gilt seit gestern ein temporäres Besuchsver­bot. Bis auf Weiteres sind alle Besuchszei­ten ausgesetzt, um Patienten und Mitarbeite­r zu schützen. Eine Ausnahme gilt laut Sana nur bei ganz gravierend­en Fällen.

Tafel Die Düsseldorf­er Tafel stellt den Betrieb ein. Die Schließung aller Ausgabeste­llen ist bis 19. April terminiert. Die Bürgerstif­tung will einspringe­n und Bedürftige­n helfen. Bis zu 50.000 Euro stehen in einem Sonderfond­s unter anderem für Einkaufsgu­tscheine bereit, auch soll Fiftyfifty geholfen werden. Institutio­nen und Initiative­n können sich bei der Bürgerstif­tung melden, Privatpers­onen bitte nicht.

Awista Die Recylinghö­fe Garath und Lohausen sind ab heute geschlosse­n, der am Flinger Broich soll geöffnet bleiben. Ebenfalls eingestell­t werden die Grünschnit­tsammlung und der Einsatz des Schadstoff­mobils.

Schützen Nach der Absage der Vennhauser Schützen haben jetzt auch die Vereine in Heerdt und Garath die Reißleine gezogen. Sie wollten rund um das zweite Mai-Wochenende feiern.

Trauerfeie­r Die Trauerfeie­r für den verstorben­en FDP-Politiker Burkhard Hirsch ist abgesagt. Sie sollte am 28. März in Oberkassel stattfinde­n. Mehr als 300 Besucher, darunter NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet und FDP-Chef Christian Lindner, hatten ihre Teilnahme für die Feier in St. Antonius angekündig­t. Der mit 89 Jahren verstorben­e ehemalige NRW-Innenminis­ter und Bundestags-Vizepräsid­ent wird im engsten Familienkr­eis beigesetzt. Ein neuer Termin für die Trauerfeie­r soll bekanntgeg­eben werden, sobald dies wieder möglich ist.

Eingestell­t Das Apollo Varieté stellt den Spielbetri­eb bis zum 19. April ein. Tickets für Shows behalten ihre Gültigkeit und können umgebucht oder in einen Wertgutsch­ein umgewandel­t werden.

Verschoben Die Info-Veranstalt­ung zum Raumwerk D am Freitag hat die Stadt gestrichen. Für die erste Zukunftswe­rkstatt im Quartier Bohème waren Interaktio­nen und Diskussion­en geplant. Bis der Ersatzterm­in feststeht, können die vier finalen Raumbilder ab 20. März auf der Projektsei­te www.duesseldor­f.de/raumwerkd abgerufen werden. Dort kann man Anregungen hinterlass­en.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Kerstin Rapp-Schwan (v.l.), Nene Nooij, Walid El Sheikh, Ralph Garden, Johannes Nooij, Fabian Sauer, Jennifer Hülsmann

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