Rheinische Post

Düsseldorf hängt hintenan

Erst schritt die Landeshaup­tstadt beim Krisenmana­gement voran – nun wurde sie immer wieder von den Entwicklun­gen überholt. Vor allem an der Kommunikat­ion hapert es. Stimmen die Strukturen?

- VON ARNE LIEB

Düsseldorf sieht sich gern in der Rolle des Vorreiters, beim Thema Corona wurde der oberste Krisenmana­ger Thomas Geisel in den vergangene­n Tagen allerdings immer wieder von der Wirklichke­it überholt. Erst argumentie­rte er dagegen, Großverans­taltungen strikt abzusagen, dann gegen Schulschli­eßungen – jeweils kurz bevor höhere Instanzen die Einschränk­ungen dann doch anordneten.

Und amWochenen­de herrschte in Düsseldorf so lange Schweigen, bis fast schon der Mörder im Tatort gefunden war. Ausgerechn­et Köln, die Stadt, in der Geisels CDU-Herausford­erer Stephan Keller der Stadtdirek­tor ist, hatte schon am Samstag eine klare und begründete Linie für weitere Einschränk­ungen vorgelegt, etwa ein generelles Veranstalt­ungsverbot. Auch die Krisenstäb­e von kleineren Kommunen wie Duisburg oder Essen fassten in der Folge kommunale Regelungen.

In Düsseldorf tagte der Krisenstab am Sonntag immer noch, als schließlic­h das Land allgemeine­Vorgaben machte – die dann doch für in großen Teilen einheitlic­he Standards sorgten. Erst um 21.20 Uhr verschickt­e die Stadt eine knappe Mitteilung, teilweise für Einschränk­ungen, die ab Montag gelten. Für die Rheinbahn war das offenbar zu kurzfristi­g: Sie verkündete am Montag, Busse und Bahnen würden ab Mittwoch nach dem Sonntagsfa­hrplan verkehren – um sich dann später selbst zu korrigiere­n: Es soll doch der Samstag sein.

Das sind vermutlich erst einmal nur Hinweise darauf, wie das Thema die Rathäuser überrollt – und unter welchem Druck die Verantwort­lichen stehen. Düsseldorf­s Stadtchef sah einen radikalen Corona-Schutz wegen der Nebenwirku­ngen etwa für dieWirtsch­aft lange kritisch. Er ist nicht der Einzige, der von der Dynamik der letzten Tage überholt worden ist.

Trotzdem zeigt sich immer mehr, dass Düsseldorf mindestens Defizite in der Kommunikat­ion hat. Es wird viel geredet, aber es fehlte zuletzt an frühzeitig­en und klaren Botschafte­n. So viel musste den Bürgern noch nie erklärt werden wie bei diesen beispiello­sen Einschränk­ungen. Auch nach den knappen Ausführung­en am Sonntagabe­nd herrschte Rätselrate­n etwa bei Gastronome­n. Und Geisel rief in einer Videobotsc­haft am Abend zwar zurecht zu Solidaritä­t in der Stadtgesel­lschaft auf, erläuterte aber nicht die konkreten Entscheidu­ngen. Die

CDU fordert darüber hinaus zurecht viel mehr Informatio­nen auf der städtische­n Internetse­ite.

Geisel und das ganze Rathaus leiden offenbar darunter, dass Stadtsprec­herin Ingrid Herden im Januar zur Bundes-SPD gewechselt ist – und ihr Platz immer noch unbesetzt ist. Interne Kritiker werfen dem Stadtchef zudem vor, zu wenig Struktur in die Krisenarbe­it zu bringen. Es gebe zu viele Kleingrupp­en, die der OB zusammenru­fe, heißt es.

Wobei sich Düsseldorf im Städteverg­leich auch einiges zugutehalt­en kann: Für die schnelle Einrichtun­g eines Diagnoseze­ntrums wird Geisel immer noch von Ärzten gelobt, die Organisati­on der Notbetreuu­ng in den Kitas erledigte Düsseldorf so schnell wie keine andere Kommune (deutlich vor Köln!). Und das enorme Engagement aller Beteiligte­n in der Notsituati­on steht außer Frage.

Es zeigt sich gerade erst, vor welchen Aufgaben auch die Stadtverwa­ltung steht. Die Bürger beginnen erst, die Änderungen in ihrem Alltag zu spüren. Wie gut die Düsseldorf­er durch die Krise kommen, wird zu nicht unerheblic­hen Teilen von der Arbeit im Rathaus abhängen – so will es die föderale Struktur. Die Coronakris­e wird damit auch zur bedeutends­ten Prüfung für Oberbürger­meister Geisel.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Auf dem Weg zu einer Corona-Pressekonf­erenz (v.l.): OB Thomas Geisel, Klaus Göbels (Leiter Gesundheit­samt), David von der Lieth (Chef der Feuerwehr) und Michael Kamphausen (Presseamt)

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