Rheinische Post

Künstler gestaltet Denkmal für Schwule

Der Kölner Claus Richter ließ sich von klassische­n Heldendenk­mälern inspiriere­n. Die Politik verschob die Entscheidu­ng.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN ANIMATION: RICHTER

Claus Richter ist in Westfalen aufgewachs­en. Als seine Klassenkam­eraden auf Partys knutschten, hätte er auch gern jemanden zum Liebkosen gehabt. Aber er traute sich nicht, denn er hatte gerade erst sein Comingout als Schwuler gehabt. Seine Eltern arrangiert­en sich mit dieser Tatsache, ansonsten reagierte seine Umgebung verhalten und Richter blieb vorerst der einzige bekennende junge Schwule im Dorf.

Es gibt also eine persönlich­e Schnittmen­ge mit dem Auftrag, den der Künstler jetzt wohl für die Stadt Düsseldorf realisiere­n wird. Claus Richter soll den Erinnerung­sort für LSBT (Lesbisch, Schwule, Bisexuell, Transgende­r) gestalten. Richter, der an der Kunsthochs­chule in Offenbach am Main studiert und in Köln sein Atelier hat, setzte sich mit seinem Entwurf gegen 14 Mitbewerbe­r durch, welche zuvor die Kunstkommi­ssion eingeladen hatte.

Vorausgega­ngen war im März 2018 ein Arbeitstre­ffen der Mahnund Gedenkstät­te und des Forums Düsseldorf­er Lesben- und Trans*Gruppen, bei dem beschlosse­n wurde, in Rheinnähe einen Ort „der aktiven Erinnerung“zu schaffen, der sich „nicht nur auf den Zeitraum des Nationalso­zialismus“begrenzen möge. Claus Richter hat daraufhin ein Bronzedenk­mal entworfen, das vier lebensgroß­e Figuren auf einem Sockel präsentier­t. Sie recken die Faust gen Himmel. Kommen wie Helden daher, die in eine Schlacht ziehen oder aus ihr kommen. Ein brachiales Statement, das demonstrat­iv den Mut und den Kampfgeist derjenigen betont, die teils ihr Leben geben mussten, um die Freiheit der Vielfalt zu erstreiten. „Es sollte ein Kriegerden­kmal werden“, sagt der 49 Jahre alte Künstler. „Ein trojanisch­es Pferd, dem man sich nähern muss, um zu erkennen, was sich dahinter verbirgt.“Etwa Männer in feminisier­ter Pose, die aber nur angedeutet ist, weil eine plakative Variante nicht nur nicht Richters künstleris­chem Selbstvers­tändnis entspricht, sondern auch, weil sie die Ernsthafti­gkeit des Themas relativier­en könnte.

Die Entscheidu­ng fiel bei der jüngsten Sitzung des Kulturauss­chusses noch nicht: Die CDU sieht Beratungsb­edarf. Ratsherr Alexander Fils begründete das mit der vorgelegte­n Abbildung. „Auf der Abbildung sieht das Kunstwerk zweifelhaf­t aus“, so Fils. Die nach oben gestreckte­n und geballten Fäuste erinnerten an die Bildsprach­e der 1920/30er Jahre, die unter anderem von links- und rechtsextr­emistische­n Gruppierun­gen genutzt worden sei. Deshalb wolle man sich nun einmal das Modell anschauen.

Richter sucht eine außergewöh­nliche Bildsprach­e. „Wenn es um sexuelle und geschlecht­liche Bandbreite geht, hat man schnell moderne und trashige Motive im Kopf, eine bunte versöhnlic­he Szene“, sagt Richter. „Aber das ist mir zu brav. Es darf ruhig krachen.“Bei einem Rundgang durch Düsseldorf seien ihm die vielen Bronzedenk­mäler aufgefalle­n, deren massive Ästhetik niemand mit LSBT in Verbindung bringe. Richter entschied: Jetzt erst recht. „Ich wollte ein ,echtes` Denkmal erschaffen, nichts Verrücktes.“Er fand, es sei an der Zeit, die Welt klassische­r Denkmäler von ihrer Dauerhomma­ge an männliche Sieger zu emanzipier­en.

Richters Figuren messen 1,70 Meter, die Gesamthöhe des Monuments inklusive Sockel steht noch nicht fest, ebenso wenig der finale Standort. Im Gespräch sind der

Burgplatz und eine Stelle oberhalb des Durchgangs am Alten Hafen. Kunst im öffentlich­en Raum ist stets möglichen Beschädigu­ngen ausgesetzt. Richter glaubt, dass damit gerechnet werden muss. „Das Denkmal für die vom Nationalso­zialismus verfolgten Homosexuel­len von Elmgreen und Dragset in Berlin wird regelmäßig beschmiert. Wir werden sehen, was in Düsseldorf passiert.“

Claus Richter, der von sich sagt, er sei „kein perfekter Skulpteur“, wird mit einem kunsthandw­erklichen Team zusammenar­beiten, das in Düsseldorf beheimatet ist. Darun

ter ist auch Kunstgieße­r Rolf Kayser, der etwa für Tony Cragg und Thomas Schütte arbeitet. Die Gipsfigure­n stellt Richter in seinem Kölner Atelier her, das Illusionis­ten wie ein Paradies vorkommen muss: altes und neues Spielzeug, mechanisch­e Figuren, Bastelvorl­agen für Kinder, Scherensch­nitte – Krimskrams-Poesie, aus der Kunst wird.

Claus Richter hat als Junge Dalís Bild von den„weichen Uhren“(„Die Beständigk­eit der Erinnerung“) gesehen und war beeindruck­t. „Wenn Künstler in der Lage sind, solche Welten zu erfinden, dann möchte ich mitmachen“, dachte der damals Elfjährige. Die Ästhetik seiner LSBT-Gedenkstät­te, die den Arbeitstit­el „Ein seltsam klassische­s Denkmal“trägt, ist davon weit entfernt. „Hier geht es ja nicht um meine Künstlerid­entität, sondern um Menschen, die in Düsseldorf Opfer von Gewalt wurden und sehr viel für das freiheitli­che Leben anderer Menschen bewirkt haben.“

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Ein möglicher Standort für den Erinnerung­sort ist die Rheinuferp­romenade in der Altstadt.

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