Wie sich die Schule in diesen Tagen neu erfindet
Bis heute können Eltern sämtlicher Berufsgruppen ihre Kinder noch zur Schule bringen. Einige machen davon Gebrauch. Von Mittwoch an wird alles anders.
Montagnachmittag am Wim-Wenders-Gymnasium in Oberbilk. Über den Hof laufen ein paar Sechstklässler. Sie halten ordentlich Abstand zueinander, so wie es ihnen die Lehrer vorher eingeschärft haben. Regeln einhalten – das ist angesichts des Coronavirus auch an der Schmiedestraße oberstes Gebot. Die Jungen und Mädchen, die in die Sonne blinzeln, holen ihre Sachen aus den Klassenräumen. Darunter Lern-Utensilien für die kommenden Wochen, aber auch alle persönlichen Dinge. „Die hätten wir eigentlich erst am letzten Tag vor den Osterferien wegräumen müssen. Unsere Schule wird ja neu gebaut und für eine Übergangszeit ziehen wir in Pavillons. Aber jetzt mussten wir das vorziehen“, sagt Roland Günther, der Englisch und Philosophie unterrichtet. „Tag 1“nennen einige seiner Kollegen den erstenWerktag nach der Bekanntgabe, das die Schulen in ganz NRW für fast alle Heranwachsenden geschlossen werden. Von Mittwoch an dürfen nur noch Kinder bestimmter Berufsgruppen – darunter Ärzte, Pfleger, Feuerwehrleute – aufs Schulgelände.„Wir rechnen dann mit vier oder fünf Kindern“, sagt Schulleiterin Antonietta Zeoli.
Am diesem Montag ist das noch anders. Rund 20 von 360 Schülern des Gymnasiums im Aufbau, das bislang die Jahrgangsstufen 5 bis 7 umfasst, sind gekommen. „Unsere Mutter will noch mit ihrem Chef besprechen, wie sie ihre Arbeitszeit anpassen kann“, sagt Mia. Sie geht in die 7. Klasse, auch ihre Brüder Mads und Ferdinand besuchen die Schule an der Schmiedestraße. Klassischen Unterricht haben sie heute nicht. „Die, die bereits zu Hause geblieben sind, sollen ja keinen Nachteil haben“, meint Zeoli. Für etwas Abwechslung ist trotzdem gesorgt. Lehrer Günther schaut noch einmal über Hausaufgaben. Und im Anschluss dürfen die drei Geschwister die Fische in einem Schulaquarium füttern.
Derweil sitzen mehrere Lehrer mit ihren Laptops auf einer Bank auf dem Schulhof. Sie bereiten vor, was bis zum Beginn der Osterferien den Unterricht in Teilen ersetzen soll. Kommuniziert werden die Inhalte über eine spontan entwickelte Plattform zum digitalen Lernen, die heute ab etwa 17 Uhr über das Internet aufgerufen werden kann. „Mit einem besonderen Zugang loggen sich die Schüler ein und erfahren dann, welche Aufgaben sie in einem bestimmten Fach bearbeiten sollen“, sagt Zeoli. Begrüßt werden die Schüler an jedem Morgen mit einem Videoclip. Die ersten beiden Clips haben die Lehrer Lutz Tomala und Stefan Möllenberg mit Hilfe einiger Kollegen fertiggestellt. „Nähe zu vertrauten Menschen ist für die meisten Schüler wichtig“, meinen die Pädagogen. Auch ein bisschen Humor darf trotz der ernsten Lage sein. So hat ein Sportlehrer Übungen für daheim zusammengestellt. Dazu gehört, die Muskeln durch das Stemmen eines Wasserkastens zu trainieren.
Und wie finden die Eltern das Krisenmanagement? „Es funktioniert wirklich gut“, sagt Eva Engelhardt. Die Tierärztin ist Schulpflegschaftsvorsitzende, ihr Sohn Hannes (11) geht in die sechste Klasse. Kritische Stimmen hat sie bislang keine wahrgenommen. Dank Mail und WhatsApp sei immer eine aktuelle Kommunikation sowohl mit der Schule als auch den Eltern untereinander gewährleistet. „Natürlich bleibt das Ganze für die meisten eine enorme
Herausforderung, nicht jeder kann mal eben aufs Homeoffice umstellen“, sagt die dreifache Mutter. Eines von vielen Beispielen sei ihr Mann, der eine Tierarztpraxis betreibt. Doch das Ehepaar hat Glück. Denn Eva Engelhardt arbeitet im öffentlichen Dienst und kann nun relativ flexibel reagieren.
Einige Lehrer wollen auch von Mittwoch an, wenn gerade mal eine Handvoll Schüler auf dem Areal sein wird, in die Schule kommen. „Manches lässt sich hier besser planen und vorbereiten.“