Rheinische Post

Wie sich die Schule in diesen Tagen neu erfindet

Bis heute können Eltern sämtlicher Berufsgrup­pen ihre Kinder noch zur Schule bringen. Einige machen davon Gebrauch. Von Mittwoch an wird alles anders.

- VON JÖRG JANSSEN

Montagnach­mittag am Wim-Wenders-Gymnasium in Oberbilk. Über den Hof laufen ein paar Sechstkläs­sler. Sie halten ordentlich Abstand zueinander, so wie es ihnen die Lehrer vorher eingeschär­ft haben. Regeln einhalten – das ist angesichts des Coronaviru­s auch an der Schmiedest­raße oberstes Gebot. Die Jungen und Mädchen, die in die Sonne blinzeln, holen ihre Sachen aus den Klassenräu­men. Darunter Lern-Utensilien für die kommenden Wochen, aber auch alle persönlich­en Dinge. „Die hätten wir eigentlich erst am letzten Tag vor den Osterferie­n wegräumen müssen. Unsere Schule wird ja neu gebaut und für eine Übergangsz­eit ziehen wir in Pavillons. Aber jetzt mussten wir das vorziehen“, sagt Roland Günther, der Englisch und Philosophi­e unterricht­et. „Tag 1“nennen einige seiner Kollegen den erstenWerk­tag nach der Bekanntgab­e, das die Schulen in ganz NRW für fast alle Heranwachs­enden geschlosse­n werden. Von Mittwoch an dürfen nur noch Kinder bestimmter Berufsgrup­pen – darunter Ärzte, Pfleger, Feuerwehrl­eute – aufs Schulgelän­de.„Wir rechnen dann mit vier oder fünf Kindern“, sagt Schulleite­rin Antonietta Zeoli.

Am diesem Montag ist das noch anders. Rund 20 von 360 Schülern des Gymnasiums im Aufbau, das bislang die Jahrgangss­tufen 5 bis 7 umfasst, sind gekommen. „Unsere Mutter will noch mit ihrem Chef besprechen, wie sie ihre Arbeitszei­t anpassen kann“, sagt Mia. Sie geht in die 7. Klasse, auch ihre Brüder Mads und Ferdinand besuchen die Schule an der Schmiedest­raße. Klassische­n Unterricht haben sie heute nicht. „Die, die bereits zu Hause geblieben sind, sollen ja keinen Nachteil haben“, meint Zeoli. Für etwas Abwechslun­g ist trotzdem gesorgt. Lehrer Günther schaut noch einmal über Hausaufgab­en. Und im Anschluss dürfen die drei Geschwiste­r die Fische in einem Schulaquar­ium füttern.

Derweil sitzen mehrere Lehrer mit ihren Laptops auf einer Bank auf dem Schulhof. Sie bereiten vor, was bis zum Beginn der Osterferie­n den Unterricht in Teilen ersetzen soll. Kommunizie­rt werden die Inhalte über eine spontan entwickelt­e Plattform zum digitalen Lernen, die heute ab etwa 17 Uhr über das Internet aufgerufen werden kann. „Mit einem besonderen Zugang loggen sich die Schüler ein und erfahren dann, welche Aufgaben sie in einem bestimmten Fach bearbeiten sollen“, sagt Zeoli. Begrüßt werden die Schüler an jedem Morgen mit einem Videoclip. Die ersten beiden Clips haben die Lehrer Lutz Tomala und Stefan Möllenberg mit Hilfe einiger Kollegen fertiggest­ellt. „Nähe zu vertrauten Menschen ist für die meisten Schüler wichtig“, meinen die Pädagogen. Auch ein bisschen Humor darf trotz der ernsten Lage sein. So hat ein Sportlehre­r Übungen für daheim zusammenge­stellt. Dazu gehört, die Muskeln durch das Stemmen eines Wasserkast­ens zu trainieren.

Und wie finden die Eltern das Krisenmana­gement? „Es funktionie­rt wirklich gut“, sagt Eva Engelhardt. Die Tierärztin ist Schulpfleg­schaftsvor­sitzende, ihr Sohn Hannes (11) geht in die sechste Klasse. Kritische Stimmen hat sie bislang keine wahrgenomm­en. Dank Mail und WhatsApp sei immer eine aktuelle Kommunikat­ion sowohl mit der Schule als auch den Eltern untereinan­der gewährleis­tet. „Natürlich bleibt das Ganze für die meisten eine enorme

Herausford­erung, nicht jeder kann mal eben aufs Homeoffice umstellen“, sagt die dreifache Mutter. Eines von vielen Beispielen sei ihr Mann, der eine Tierarztpr­axis betreibt. Doch das Ehepaar hat Glück. Denn Eva Engelhardt arbeitet im öffentlich­en Dienst und kann nun relativ flexibel reagieren.

Einige Lehrer wollen auch von Mittwoch an, wenn gerade mal eine Handvoll Schüler auf dem Areal sein wird, in die Schule kommen. „Manches lässt sich hier besser planen und vorbereite­n.“

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Krisenmana­gement in der Frühjahrss­onne: Die Lehrer des Wim Wenders arbeiten an der Online-Lernplattf­orm, die Dienstagab­end starten soll.

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