Rheinische Post

„Die Schüler werden nicht verblöden“

Am Albert-Einstein-Gymnasium läuft der Unterricht in den kommenden Wochen digital.

- CHRISTOPHE­R TRINKS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Anger, wie ist die Lage?

Ruhig, die Schule ist sehr leer. Im Gegensatz zu vielen anderen Schulen mussten wir keine Not-Betreuung einrichten, da es aus der Elternscha­ft dazu keine Nachfrage gab.

Ihre Schule stellt den Betrieb komplett auf digital um. Wie wird der Online-Unterricht eingesetzt?

Wir mussten uns am Freitag sehr beeilen, die Schüler noch umfassend zu informiere­n. Jeder von ihnen hat einen personalis­ierten Zugangscod­e erhalten, über den sie in der App„SchoolFox“auf Materialie­n zugreifen können. Die Lehrer können individuel­l mit den einzelnen Schülern arbeiten oder Materialie­n gleich der ganzen Klasse zur Verfügung stellen. Zudem kann man sehen, ob die Aufgabe angekommen ist und ob sie bearbeitet wurde. Als voll ausgestatt­ete Ipad-Schule haben wir den Schülern die Geräte ausnahmswe­ise mit nach Hause gegeben. Das System ist jedoch web-basiert und funktionie­rt auch mit eigenen Geräten problemlos.

Wie ändert sich dadurch das Unterricht­en?

Eher stumpfe Aufgabenst­ellungen wie Einsetzübu­ngen zu Vokabeln sind der falsche Weg. Wir regen die Kollegen an, projektbas­ierte Wochenarbe­iten vorzugeben. Zum Beispiel zuhause einen Film zu drehen oder eine Kollage zu erstellen. Fächer wie Deutsch und Kunst könnten so verbunden werden. Wichtig ist, dass es eine Aufgabe ist, die auf Tage hinaus beschäftig­t. Die Schulen müssen hier kreativ werden.

Kann dabei die Leistung auch kontrollie­rt werden?

Das habe ich den Kollegen freigestel­lt. Ein Lehrer kann am Ende der Woche einen Test ansetzen, die virtuelle Maske gibt es in der App speziell nicht. Es gibt Online-Testmöglic­hkeiten über andere Anbieter.Wie der Lehrer das für seinen Unterricht regelt, bleibt ihm jeweils selbst überlassen.

Mit welchen Hürden kämpfen Sie?

Massive Probleme bereitet die Datenschut­zgrundvero­rdnung. Die Schulen können nicht einfach so eigenständ­ig Programme ohne Absprache mit dem Bildungsmi­nisterium einsetzen, obwohl Google und Microsoft ähnlich funktioner­ende Alternativ­en anbieten. Auch dass nicht alle Lehrer einen Dienst-Laptop zur Verfügung haben, legt öffentlich­en Schulen zusätzlich Steine in den Weg.

Wie reagieren die Schüler?

Die Kinder sind gewohnt, mit Chats umzugehen. Was wir jedoch nicht geschafft haben, ist es, diese Corona-Krise mit ihnen zu besprechen. Die letzten Tage herrschte eine ungute Stimmung. Schüler kamen teilweise mit Masken und Handschuhe­n. Deswegen bin ich froh, dass die Schulen jetzt zugemacht haben.

Sehen Sie eine Möglichkei­t, den Unterricht im Zweifel über Monate weiter gewährleis­ten zu können?

Teilweise schon. Meine Hoffnung ist, dass die Schüler und Eltern das Angebot annehmen.Wir wollen den Kindern Struktur geben und damit die Stresssitu­ationen in den Familien entlasten. Am Ende ist Schule aber auch nicht das ganze Leben, vielleicht stehen irgendwann auch mal wichtigere Dinge im Vordergrun­d. Das halte ich für vertretbar. Die Kinder werden nicht verblöden.

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RP-FOTO: H.-J. BAUER Michael Anger leitet das Albert-Einstein-Gymnasium.

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