„Die Schüler werden nicht verblöden“
Am Albert-Einstein-Gymnasium läuft der Unterricht in den kommenden Wochen digital.
Herr Anger, wie ist die Lage?
Ruhig, die Schule ist sehr leer. Im Gegensatz zu vielen anderen Schulen mussten wir keine Not-Betreuung einrichten, da es aus der Elternschaft dazu keine Nachfrage gab.
Ihre Schule stellt den Betrieb komplett auf digital um. Wie wird der Online-Unterricht eingesetzt?
Wir mussten uns am Freitag sehr beeilen, die Schüler noch umfassend zu informieren. Jeder von ihnen hat einen personalisierten Zugangscode erhalten, über den sie in der App„SchoolFox“auf Materialien zugreifen können. Die Lehrer können individuell mit den einzelnen Schülern arbeiten oder Materialien gleich der ganzen Klasse zur Verfügung stellen. Zudem kann man sehen, ob die Aufgabe angekommen ist und ob sie bearbeitet wurde. Als voll ausgestattete Ipad-Schule haben wir den Schülern die Geräte ausnahmsweise mit nach Hause gegeben. Das System ist jedoch web-basiert und funktioniert auch mit eigenen Geräten problemlos.
Wie ändert sich dadurch das Unterrichten?
Eher stumpfe Aufgabenstellungen wie Einsetzübungen zu Vokabeln sind der falsche Weg. Wir regen die Kollegen an, projektbasierte Wochenarbeiten vorzugeben. Zum Beispiel zuhause einen Film zu drehen oder eine Kollage zu erstellen. Fächer wie Deutsch und Kunst könnten so verbunden werden. Wichtig ist, dass es eine Aufgabe ist, die auf Tage hinaus beschäftigt. Die Schulen müssen hier kreativ werden.
Kann dabei die Leistung auch kontrolliert werden?
Das habe ich den Kollegen freigestellt. Ein Lehrer kann am Ende der Woche einen Test ansetzen, die virtuelle Maske gibt es in der App speziell nicht. Es gibt Online-Testmöglichkeiten über andere Anbieter.Wie der Lehrer das für seinen Unterricht regelt, bleibt ihm jeweils selbst überlassen.
Mit welchen Hürden kämpfen Sie?
Massive Probleme bereitet die Datenschutzgrundverordnung. Die Schulen können nicht einfach so eigenständig Programme ohne Absprache mit dem Bildungsministerium einsetzen, obwohl Google und Microsoft ähnlich funktionerende Alternativen anbieten. Auch dass nicht alle Lehrer einen Dienst-Laptop zur Verfügung haben, legt öffentlichen Schulen zusätzlich Steine in den Weg.
Wie reagieren die Schüler?
Die Kinder sind gewohnt, mit Chats umzugehen. Was wir jedoch nicht geschafft haben, ist es, diese Corona-Krise mit ihnen zu besprechen. Die letzten Tage herrschte eine ungute Stimmung. Schüler kamen teilweise mit Masken und Handschuhen. Deswegen bin ich froh, dass die Schulen jetzt zugemacht haben.
Sehen Sie eine Möglichkeit, den Unterricht im Zweifel über Monate weiter gewährleisten zu können?
Teilweise schon. Meine Hoffnung ist, dass die Schüler und Eltern das Angebot annehmen.Wir wollen den Kindern Struktur geben und damit die Stresssituationen in den Familien entlasten. Am Ende ist Schule aber auch nicht das ganze Leben, vielleicht stehen irgendwann auch mal wichtigere Dinge im Vordergrund. Das halte ich für vertretbar. Die Kinder werden nicht verblöden.