Der Mann, der die Bundesliga retten soll
DFL-Chef Christian Seifert ist der mächtigste Funktionär im deutschen Fußball und führt die Branche durch die Krise.
FRANKFURT Christian Seifert zuckt mit den Schultern. „Ich habe auch nicht auf alles Antworten“, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL). „Was ich versprechen kann: Wir werden alles versuchen, durch diese Krise zu kommen.“Spätestens nach diesem Auftritt des mächtigsten Funktionärs im Fußball hierzulande dürfte jedem klar geworden sein, wie ernst die Lage ist. Seifert ist der Mann, der die Bundesliga retten soll. Er schwört die Branche auf Zusammenhalt ein. In Zeiten der Coronavirus-Pandemie geht es für einige der 36 Profiklubs in der 1. und 2. Liga um nicht weniger als die wirtschaftliche Existenz.
Seifert muss versuchen, allen gerecht zu werden. Den Kleinen und den Großen. Im Poker mit den Verbänden. Aber auch in der Außenwahrnehmung. Der Fußball muss sich hinten anstellen. Es ist besonders in Krisenzeiten beruhigend, einen Profi an seiner Spitze zu haben. So gesehen kann sich die DFL glücklich schätzen. Vielleicht hat Seifert nicht auf alles Antworten, er weiß aber geschickt, wie man ganz unterschiedliche Positionen vereint. Er ist ein knallharter Verhandler, er hat aber auch ein Gespür für Zwischentöne. Spieler undVereine würden zum Beispiel derzeit über einen Gehaltsverzicht sprechen.
Seifert hat in den ersten Jahren als Geschäftsführer der DFL seine große Liebe versteckt. Der Funktionär ist seit Kindheitstagen Anhänger von Borussia Mönchengladbach. Das wollte er nicht jedem gleich auf die Nase binden, weil es sich für ihn falsch angefühlt hätte. „Auf der anderen Seite habe ich auch keinerlei Interesse daran, so zu tun, als wäre ich nicht Anhänger eines Klubs. Im Gegenteil, diese Nähe erlaube ich mir dann schon“, hat er einmal dem „SWR“erzählt. „Man wechselt Freunde, vielleicht auch mal die Frau, aber niemals den Klub.“Das Bekenntnis ist auch ein Ausdruck dafür, dass er angekommen ist. Seifert ist seit Jahren der Strippenzieher im deutschen Fußball. Mittlerweile ist er ganz offiziell so etwas wie der Regierungschef. Seifert vertritt die Vereine der 1. und 2. Bundesliga.
Christian Seifert, 50, geboren in Rastatt in Baden-Württemberg, war nicht für eine gewichtige Position im deutschen Fußball vorgesehen. Die „Familie“hat mächtige Posten immer gerne unter einander verteilt. Doch als die vor 14 Jahren noch junge DFL einen Geschäftsführer suchte, fiel die Wahl nicht auf den Manager eines Klubs, sondern auf Seifert. Der hatte zuvor beim Musiksender MTV und in der Mediatochter der KarstadtQuelle AG in leitenden Positionen gearbeitet. Seifert hat schnell deutlich gemacht, dass er eigene Ideen einbringen wollte. Er hat es aber geschickt verstanden, sich nicht in die erste Reihe zu drängen oder ein Netzwerk aus Gefälligkeiten aufzubauen. Seifert hat abgeliefert. Die Vereine wünschten sich mehr TV-Einnahmen, Seifert hat Rekordsummen mit den Sendern verhandelt. Die Vereine wollten sich internationaler aufstellen, Seifert hat dafür das Gerüst geschaffen. Er ist so mit den Jahren zu einer der wichtigsten Figuren im Fußball geworden.
Nun ändert sich seine Rolle. Er wird noch wichtiger. Die großen Entscheidungen laufen alle über den Schreibtisch von Seifert. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat nur noch eine Nebenrolle inne. Es könnten insgesamt für den Fußball in Deutschland einschneidendeWochen werden.
Es wäre indes unredlich, Seifert als Technokraten abzustempeln, der gewissenlos nur auf das Maximale für die Vereine aus ist. Seifert, der sein Abitur einst in den Leistungsfächern Technik und Physik abgelegt hat, ist am Großen und Ganzen interessiert. Als der DFB sich zum x-ten Mal selbst zerlegt hatte – Seifert hätte problemlos eine Revolte anzetteln können und eine Spaltung der beiden Lager vorantreiben können. Doch er ist um die Einheit des deutschen Fußballs bemüht.
Seifert ist durchaus eitel, aber vor allem von Sachfragen getrieben. Die Vereine im deutschen Fußball werden ihn brauchen, um als Einheit und nicht Einzelkämpfer durch diese Zeiten zu gehen.