Corona-Krise beendet die „schwarze Null“
Die Rezession wird tiefe Löcher in den Staatshaushalt reißen. Noch verfügt der Bund über eine Rücklage.
BERLIN Haushaltspolitiker rechnen angesichts der Corona-Krise mit einem Ende der Politik der „schwarzen Null“. Trotz einer Rücklage des Bundes von 48 Milliarden Euro, die zur Bekämpfung der Krise zur Verfügung steht, sei 2020 erstmals seit 2014 wieder eine Neuverschuldung wahrscheinlich.„Die schwarze Null ist längst Makulatur. Die Schuldenbremse gibt uns in außergewöhnlichen Notlagen wie dieser die Möglichkeit zur Neuverschuldung“, sagte Grünen-Haushaltssprecher Sven-Christian Kindler.
Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) rechnet mit erheblichen Folgewirkungen der Corona-Krise. „Die Bundesregierung wird mit aller Kraft den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise entgegentreten“, schreibt Scholz im Kabinettsentwurf für die Eckwerte des Bundeshaushalts 2021, der am Mittwoch gebilligt wurde. „Die dafür erforderlichen Mittel werden zusätzlich bereitgestellt.“
Der Haushaltsplan lässt die Folgen der Corona-Krise aber noch unberücksichtigt. Er sieht eine Ausgabensteigerung um 2,3 Prozent gegenüber 2020 auf 320,7 Milliarden vor. Die Corona-Krise lässt jedoch das Wirtschaftswachstum einbrechen, eine tiefe Rezession zeichnet sich ab. Nach Angaben des Chefs des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, sinkt die jährliche Wachstumsrate durch den Produktionsausfall eines Monats um vier Prozent, bei zwei Monaten seien es bereits acht Prozent. Zum Vergleich: In der Finanzkrise musste Deutschland 2009 mit einem Minus von fünf Prozent den tiefsten Einschnitt der Nachkriegsgeschichte verkraften.
Der Wachstumseinbruch führt zu Steuermindereinnahmen. Zugleich steigen die Ausgaben für Soziales, Gesundheitswesen sowie für die Stützung der Wirtschaft. Scholz wird voraussichtlich am Donnerstag einen Notfallfonds vorstellen, aus dem kleinere Firmen direkt Soforthilfe erhalten sollen. Ein Nachtragsetat 2020 zeichnet sich ab.
Während SPD, Grüne und Linke die Abkehr von der „schwarzen Null“für unproblematisch halten, tut sich die Union noch schwer, dieses Ziel ganz aufzugeben. „Wir haben eine Rücklage von 48 Milliarden Euro, die steht erst mal zur Verfügung“, sagte der Chefhaushälter der Union, Eckhardt Rehberg.„Für eine Debatte über ein Konjunkturprogramm ist es noch zu früh.“
Die Debatte über Gegenmaßnahmen des Staates ist allerdings längst entbrannt. Der Chef des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, forderte die komplette Abschaffung des Solis zur Mitte des Jahres. „In der Krise müssen wir vor allem die Konsumausgaben stabil halten oder sogar intensivieren. Deshalb sollte der Solidaritätszuschlag schon zur Jahresmitte fallen – und zwar komplett für alle“, sagte Holznagel.
Laut Grünen-Politiker Kindler müsse „nach der Pandemie ein großes Konjunktur- und Investitionsprogramm folgen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln“. Die Schuldenbremse im Grundgesetz ermöglicht dem Bund, die Neuverschuldung in außergewöhnlichen Notsituationen erheblich auszuweiten. „Eine vertragliche Obergrenze der zusätzlichen Verschuldungsmöglichkeiten ist nicht festgelegt“, heißt es in der Antwort des Finanzministeriums auf eine Berichtsanforderung Kindlers.