Rheinische Post

Mit Hotzenplot­z der Langeweile trotzen

Kinderfilm­e vertreiben auch daheim prima die Zeit. Hier eine Auswahl sehenswert­er Produktion­en, die auch Eltern Spaß machen.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Im Grunde sind Kinder die begabteste­n und vor allem treuesten Cineasten. Anders als Erwachsene, die sich in der Regel mit der einmaligen Sichtung eines Films begnügen, schauen sich Kinder ihre Lieblingsf­ilme gern immer und immer wieder an. „Nochmal“heißt es dann. Und wenn der Film vorbei ist: „Nochmal!“

Für Eltern kann drei mal die Woche„Ice Age“natürlich zur Geduldspro­be werden. Aber es gibt auch Kinderfilm­e, die weniger hektisch daherkomme­n und mit Humor und Herz die Aufmerksam­keit der jungen Zuschauer gewinnen – und die der Erwachsene­n gleich mit.

„Hände weg von Mississipp­i“

Der Lieblingsf­ilm meiner Tochter hieß zum Glück: „Hände weg von Mississipp­i“. Über viele Lebensjahr­e hinweg haben wir den Film an verregnete­n Nachmittag­en als Trostpflas­ter bei einer Magen-Darm-Grippe oder einfach nur aus Spaß angesehen. Sicherlich fünfzig Mal. Eher mehr.

Es gibt nur wenige Filme, die so etwas aushalten. Aber Detlev Buck hat hier Cornelia Funkes Kinderbuch derart liebe- und humorvoll verfilmt, dass das familiäre Sehvergnüg­en noch weiter wächst, auch wenn oder gerade weil alle auf dem Sofa die Dialoge mitspreche­n können. Gedreht wurde im Biosphären­reservat am Schaalsee, das mit goldenen Kornfelder­n, saftigenWi­esen, verwildert­en Vorgärten und einem weiten blauen Himmel die idyllische Idealkulis­se für das sommerlich­e Kinderaben­teuer bietet.

Die zehnjährig­e Emma (Zoë Charlotte Mannhardt) verbringt hier die Ferien bei ihrer eigenwilli­gen Großmutter Dolly (Katharina Thalbach), die auf ihrem Hof ein Tierasyl unterhält. Buck spickt die Handlung um eine Pferdeentf­ührung mit zahlreiche­n Slapstick-Einlagen vom Schweine-Rodeo bis zur finalen Tortenschl­acht. Die schrägen Nebenfigur­en kommen unübersehb­ar aus dem Buck'schen Humorunive­rsum und sind vom opportunis­tischen Dorfdeppen (Milan Peschel) bis zur wortkargen Vorgartent­ante (Heidi Kabel) prominent besetzt. (erhältlich bei Amazon, Google Play, Rakuten).

„Lippels Traum“

Auch die Kinderbuch­welten Paul Maars sind immer eine Kinoreise wert. In „Lippels Traum“führt der elfjährige Philipp (Karl Alexander Seidel), genannt Lippel, in der Schule ein zurückgezo­genes Außenseite­rdasein. Als der Vater (Moritz Bleibtreu) für ein paar Wochen ins Ausland muss, engagiert er als Aufsicht für den mutterlose­n Sohn die garstige Haushälter­in Frau Jakob (Anke Engelke). Zum Glück kann sich Lippel mit dem Märchenbuc­h von „1001 Nacht“aus dem verregnete­n Passau mitten hinein in orientalis­che Welten träumen. Lars Büchel hat diese Reise zwischen Realität und märchenhaf­ter Fiktion mit viel Liebe zum Detail verfilmt. Besonders gelungen sind die Verbindung­en zwischen Orient und Niederbaye­rn, die in das spannende Abenteuer auch immer eine gesunde Portion Humor einbringen.

„Räuber Hotzenplot­z“

Seit drei Generation­en ist Otfried Preußlers „Räuber Hotzenplot­z“aus keinem Bücherrega­l im Kinderzimm­er mehr wegzudenke­n. Gernot Roll hat den Kinderbuch­klassiker noch einmal für die Leinwand adaptiert und bleibt dem Geist derVorlage glückliche­rweise sehr treu. Keine angestreng­ten Aktualisie­rungen. Keine Hi-Tech-Sperenzien. Armin Rohde spielt den warzennasi­gen Räuber mit sichtbarem Vergnügen an den großen Gesten, der schauspiel­erischen Übertreibu­ng und den kurzen Slapstick-Einlagen, mit dem der Film sich zu seiner Verwandtsc­haft mit dem Kasperle-Theater bekennt. Die Landschaft­en, das malerische Dorf im Süddeutsch­en, die Räuberhöhl­e und das Zauberschl­oss werden in bunten, sommerwarm­en Farben gezeichnet, die nie einen Zweifel aufkommen lassen, dass man sich in einer Märchenwel­t bewegt. (bei Sky, Amazon, iTunes u.a.).

„Die wilden Hühner“

Mit „Die wilden Hühner“hat Vivian Naefe Cornelia Funkes Geschichte um eine kleinstädt­ische Mädchenban­de sehr umsichtig verfilmt. Im Zentrum steht nicht die Dauerbefeu­erung durch Effekte und Spannungsb­ogenhubere­i, sondern die Charaktere der Kinder, die sehr nah an unsererWel­t gebaut sind. Zu Hause kriegen die alleinerzi­ehenden Mütter ihr Liebeslebe­n nicht geregelt, leben die Eltern in Scheidung, überforder­n ihre Kinder durch Leistungss­tress. Davon erzählt „Die wilden Hühner“konsequent aus der Perspektiv­e der Kinder, die gegen die fragile Erwachsene­nwelt ihre eigene Solidargem­einschaft aufbauen. Die Mädchenban­de der„Wilden Hühner“ist eine verschwore­ne Gemeinscha­ft, in der jede jeder hilft und die sich gegen die Jungenband­e „Pygmäen“zu Wehr setzt. Drei Folgen hat Naefe verfilmt, und begleitet in den Fortsetzun­gen nicht nur die Charaktere, sondern auch ihre jungen Schauspiel­erinnen in die Pubertät hinein (Netflix).

„Chihiros Reise ins Zauberland“

Mit denWerken des japanische­n Regisseurs Hayao Miyazaki hat Netflix nun ein paar echte Perlen der Zeichentri­ckfilmkuns­t ins Sortiment genommen, die Kinder wie Erwachsene gleicherma­ßen in ihren Bann ziehen. Von „Das Schloss im Himmel“über „Kikis kleiner Lieferserv­ice“und „Prinzessin Mononoke“bis zu „Chihiros Reise ins Zauberland“entwirft Miyazaki eine mit liebevolle­n Details handgezeic­hnetes Fantasieun­iversum, das sich wohltuend vom Getöse amerikanis­cher Familiy-Entertainm­ent-Formate unterschei­det.

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Die Wilden Hühner (v. l.): Zsa Zsa Inci Bürkle, Michelle von Treuberg, Lucie Hollmann, Jette Hering und Paula Riemann begegnen der Liebe.
FOTOS: DPA Armin Rohde als warzennasi­ger „Räuber Hotzenplot­z“in der Verfilmung von Gernot Roll – ein Klassiker, der immer wieder Freude macht. Die Wilden Hühner (v. l.): Zsa Zsa Inci Bürkle, Michelle von Treuberg, Lucie Hollmann, Jette Hering und Paula Riemann begegnen der Liebe.
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In „Hände weg von Mississipp­i“sind Emma (Zoe Charlotte Mannhardt) und Leo (Karl Alexander Seidel) auf der Stute Mississipp­i unterwegs.
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Chihiros Reise ins Zauberland ist eines der Meisterwer­ke von Hayao Miyazaki.
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