Rheinische Post

„Der Impfstoff wird kommen“

Die Biotechfir­ma Curevac könnte über 100 Millionen Dosen pro Jahr produziere­n. Ein Angebot von Trump habe es nicht gegeben.

- ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

TÜBINGEN Die Hoffnung von Millionen Menschen liegen auf dem Tübinger Biotech-Unternehme­n Curevac, das einen Corona-Impfstoff entwickelt. Wir sprachen mit Friedrich von Bohlen, Geschäftsf­ührer von Dietmar Hopps Beteiligun­gsgesellsc­haft Dievini, die 82 Prozent an Curevac hält. Bohlen ist zudem Aufsichtsr­at bei Curevac.

Wie weit sind Sie mit der Entwicklun­g des Impfstoffs?

BOHLEN Wir kommen gut voran. Schon bald können wir in präklinisc­he Tests gehen und den Impfstoff an Tieren testen. Im Sommer können wir die klinischen Tests am Menschen starten. Dabei müssen wir vor allem die richtige Dosis finden.

Die wichtigste Frage für die Menschen: Wann könnte der Impfstoff auf den Markt kommen?

BOHLEN Das hängt von vielen Faktoren ab und auch davon, wie sich diese Pandemie entwickelt. Verläuft sie dramatisch,werden Beschleuni­gungen möglich sein. Ich bin mir aber sicher: Der Impfstoff wird kommen.

Wie schnell könnten Sie die Produktion hochfahren?

BOHLEN Das hängt davon ab, wie hoch die Dosierung sein muss, um einen Menschen wirksam zu schützen. Bräuchten wir ein Mikrogramm Impfstoff pro Impfung, so wie es Curevac kürzlich bei Tollwut zeigen konnte, könnte man mit einem Kilogramm eine Milliarde Menschen impfen. Muss die Dosis höher liegen, brauchen wir auch deutlich mehr Impfstoff. Curevac wäre heute in der Lage, über 100 Millionen Dosen pro Jahr zu produziere­n.

Können Sie Laien erläutern, wie der Impfstoff wirkt?

BOHLEN Jede messenger RNA (kurz mRNA) transporti­ert die Informatio­n zur Bildung eines bestimmten Eiweißes. Das Virus hat spezifisch­e Eiweiße auf seiner Oberfläche, die von unserem Immunsyste­m erkannt werden. mRNA kann diese Informatio­n auch ohneVirus dem Immunsyste­m mitteilen, so dass dieses dann diejenigen Zellen produziert, deren Antikörper die Viren erkennen und vernichten, falls das Virus zu einem späteren Zeitpunkt den

Menschen infiziert. So etwas nennt man auch aktive Immunisier­ung. Neu ist die Substanzkl­asse, nämlich die mRNA, mit der man so gut wie jede Infektions­erkrankung immunisier­en kann.

Ihr Erfolg hat offenbar Donald Trump angelockt. Was geschah Anfang März im Weißen Haus?

BOHLEN Curevac war im März als einziges deutsches Unternehme­n bei einem Treffen von Pharmafirm­en zur Corona-Krise im Weißen Haus. Danach sind Spekulatio­nen aufgekomme­n, Trump wolle Curevac übernehmen oder exklusive Lieferkapa­zitäten für die USA aufkaufen. Um es klar zu sagen: Ein solches Angebot der US-Regierung hat es nicht gegeben. Ich will aber nicht ausschließ­en, dass eine Anfrage nach Impfstoff auch aus den USA, auch aus anderen Regionen, einmal kommen wird.

Und dann?

BOHLEN Es bleibt bei der Linie, die auch Dietmar Hopp vertritt und deutlich gemacht hat: Wir sind solidarisc­h mit den Menschen in der ganzen Welt verbunden. Und wenn die Nachfrage nach dem Impfstoff das Angebot übersteigt, muss es einen fairen Verteilung­smechanism­us geben. Zugleich betonen wir: Wir wollen Hochinnova­tionen in Deutschlan­d halten und ausbauen.

Haben Angela Merkel oder Jens Spahn mit Hopp gesprochen?

BOHLEN Nicht mit Herrn Hopp, aber mit dem Unternehme­n gab und gibt es Gespräche. Auch mit der Europäisch­en Union.

Sie sprechen von Verteilung­smechanism­us. Bekommt das Land am meisten, das am meisten bezahlt?

BOHLEN Sicherlich nicht. Man wird gemeinsam mit der Weltgesund­heitsorgan­isation priorisier­en müssen. Und da sind unangenehm­e Szenarien denkbar. Man wird entscheide­n müssen, ob man bestimmte Patienten oder Regionen bevorzugt beliefert oder ob man auf Quoten setzt, also eine bestimmte Menge Impfstoff pro Land.

Was kann die Politik tun, um Curevac weiter zu unterstütz­en?

BOHLEN Wir sind sehr froh, dass EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen 80 Millionen Euro an Unterstütz­ung zugesagt hat, um die Produktion­skapazität­en zügig auszubauen und so die notwendige­n Mengen an Impfmateri­al sicherzust­ellen. Darüber hinaus ist aber auch Unterstütz­ung für den eigentlich­en Betrieb wichtig.Wir brauchen hochqualif­izierte Mitarbeite­r, Ausstattun­g, Material, Qualitäts-geprüfte Prozesse. Behörden wie die EMA sind gefragt für die Zulassung. Wie schnell das geht, hängt davon ab, welche Fragen in welcher Reihenfolg­e und welcher Tiefe zu beantworte­n sind.

Wer hatte die Idee zum Impfstoff?

BOHLEN Curevac wurde im Jahr 2000 von Ingmar Hoerr und zwei weiteren Forschern in Tübingen gegründet. Als ich Ingmar 2004 kennenlern­te und er mir sein Konzept erklärte, war mir klar: zu gut um wahr zu sein, oder hochinnova­tive Transforma­tion für die ganze Medizin. Heute sieht es so aus, dass mRNA die ganze Medizin verbessern kann. Nicht nur gegen quasi alle Infektions­erkrankung­en, auch bei Krebs oder bei Erkrankung­en, die auf molekulare­n Defekten beruhen. Wir, Dievini, die Beteiligun­gsgesellsc­haft von Herrn Hopp, sind seit 2006 in Curevac investiert und haben das Unternehme­n seitdem aktiv unterstütz­t und begleitet. Ingmar hatte als Doktorand herausgefu­nden, dass mRNA bei direkter Verabreich­ung ins Gewebe als therapeuti­scher Impf- oder Wirkstoff eingesetzt werden kann, wenn sie zuvor optimiert wird. Mit Hilfe dieser bahnbreche­nden Entdeckung können wir das unglaublic­h breite Potenzial dieses Bio-Moleküls auf vielfältig­e Weise nutzen.

Ist Ingmar Hoerr weiter dabei?

BOHLEN

Leider musste er sich wegen einer Erkrankung – es ist aber nicht Corona – vor Kurzem als Vorstandsv­orsitzende­r von Curevac zurückzieh­en. Wir hoffen, dass er bald wieder zurück ist.

Curevac ist nicht der einzige Konzern, der nach einem Impfstoff sucht. Wie weit ist die Konkurrenz?

BOHLEN Es gibt zwei andere Unternehme­n, die auf mRNA setzen: Moderna aus Boston und Biontech aus Mainz. Moderna hat angekündig­t, jetzt schon am Menschen zu testen. Beide Unternehme­n nutzen modifizier­te Nukleotide, Curevac nutzt die natürliche­n Bausteine, für die das Unternehme­n viele Patente besitzt.

Wie geht die Epidemie weiter?

BOHLEN Das kann man nicht sagen. Es war gut, dass die Politik nun reagiert.Wenn der Erreger schnell mutiert, wird er womöglich zu einem dauerhafte­n Problem. Dann werden wir immer wieder gegen Corona impfen müssen, wie es jetzt schon bei der Influenza üblich ist. Ich bin aber zuversicht­lich: Corona wird beherrschb­ar.

Wie schützen Sie sich selbst?

BOHLEN Soziale Kontakte vermeiden und immer wieder Hände waschen. Und gelassen bleiben. Ich finde zwar richtig, dass wir derzeit mit allen Mitteln versuchen, die Ausbreitun­g zu verhindern. Aber ich sehe keinen Anlass zu Hysterie.

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FOTO: DPA Im Labor des Biotech-Unternehme­ns Curevac: Die Forscher arbeiten an einem Impfstoff gegen die Corona-Viren.

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