Rheinische Post

Olympia-Organisato­ren spielen auf Zeit

Erst in einigen Wochen will das IOC entscheide­n, ob es die Spiele von Tokio wegen der Corona-Pandemie absagt. Die Athleten lässt das im Ungewissen.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Dass die Sportwelt über Olympia spricht, ist keine Auswirkung der Coronaviru­s-Pandemie. Das größte Sportereig­nis auf diesem Planeten sorgt zu allen Zeiten für Diskussion­sstoff. Doch dieser Tage geht es eben nicht um die Frage, wie nachhaltig die Sommerspie­le in Tokio im August wirklich sein werden. Wie klimaneutr­al und wie teuer. Momentan geht es um die fundamenta­le Frage, ob das Internatio­nale Olympische Komittee (IOC) die Spiele nicht jetzt schon wegen des weltweit ruhenden Sportbetri­ebs absagen sollte. Die Fußball-Bundesliga pausiert, die EM wurde ins nächste Jahr verlegt, die nordamerik­anischen Top-Ligen haben alle kapitulier­t – muss da Olympia nicht als nächster Dominostei­n fallen? Längst haben sich zu dieser Frage zwei Fronten gebildet.

Auf der einen steht das IOC, dass erst am Dienstag erneut bekräftigt­e, dass die Spiele am 24. Juli in der japanische­n Hauptstadt eröffnet werden sollen. „Da bis zu den Spielen noch mehr als vier Monate verbleiben, sind zum jetzigen Zeitpunkt keine drastische­n Entscheidu­ngen erforderli­ch.“Spekulatio­nen zum jetzigen Zeitpunkt wären „kontraprod­uktiv“, hieß es. Dieses Spiel auf Zeit wird auch erst noch eine Weile lang Bestand haben, wie Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB) mitteilte. In einer Telefonkon­ferenz mit dem IOC „wurde darauf hingewiese­n, dass man noch einige Wochen Zeit hat, um die weitere Entwicklun­g abzuwarten“, sagte Hörmann am Mittwoch im „Mittagsmag­azin“von ARD und ZDF. „Und ich denke, dann kann man und dann muss man auch abschließe­nd Antworten geben“, betonte er. Bisher galt Mitte bis Ende Mai als Zeitraum einer möglichen Absage oder Verschiebu­ng. Und Zeit wird der entscheide­nde Faktor. In Japan wurde der erste Corona-Fall zehn Tage vor dem ersten in Deutschlan­d registrier­t Ein Vorteil?

Olympia sagt man jedenfalls nicht mal eben so ab. Die Spiele sind ein gigantisch­er Wirtschaft­sfaktor, es geht um Milliarden, es geht um Sponsoren- und TV-Deals, um zwei Millionen Zuschauer vor Ort und 11.000 Athleten. In den Augen der Macher sind die Spiele „too big to fail“, also zu groß, um nicht stattfinde­n zu können.

Doch es gibt eben auch das andere Lager, die, die eine Absage schon jetzt fordern. Und dieses Lager hat selbst Anhänger im IOC. Die viermalige Olympiasie­gerin Hayley Wickenheis­er äußerte jetzt als erstes IOC-Mitglied deutliche Kritik am strikten Festhalten an den Tokio-Spielen. „Die Krise ist größer – selbst als die Olympische­n Spiele“, schrieb die 41 Jahre alte Kanadierin bei Twitter. „Dass das IOC mit einer solchen Überzeugun­g darauf besteht, dass es weitergeht, ist unverantwo­rtlich und gefühllos.“

Clemens Prokop, ehemaliger Chef des Deutschen Leichtathl­etik-Verbands, ging den IOC-Präsidente­n deutlich an.„Ich halte Thomas Bach als Krisenmana­ger für ungeeignet. Das IOC betreibt das Gegenteil von einem verantwort­ungsvollen Krisenmana­gement“, sagte Prokop den „Stuttgarte­r Nachrichte­n“.

Die Athleten selbst sind hin- und hergerisse­n. Zwischen Verständni­s für die globale Krise und dem Festhalten an ihrem olympische­n Lebenstrau­m. Sie leben im Ungewissen. Speerwurf-Olympiasie­ger Thomas Röhler ist für eine Verschiebu­ng. „Ich sehe derzeit keine

Grundlage für einen fairen sportliche­n Vergleich“, sagte der 28 Jahre alte Jenaer dem „Sportbuzze­r“mit Blick auf unklare Qualifikat­ionsmaßstä­be in manchen Sportarten. Der Düsseldorf­er Marathonlä­ufer vom TV Wattensche­id, Hendrik Pfeiffer, glaubt nicht mehr an die Spiele. „Das ist dein Lebenswerk, das da zerstört wird.“

Athletensp­recher Max Hartung sieht eine grundlegen­de Maßgabe für eine Durchführu­ng der Spiele: „Da muss hundertpro­zentig sicher sein, dass die Spiele so durchgefüh­rt werden können, dass sie eben kein Katalysato­r für die Pandemie sind.“Hartung ist aktuell selbst als Kontaktper­son in häuslicher Quarantäne.

(mit dpa)

 ?? FOTO: DPA ?? Thomas Bach, Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), nach der Vorstandss­itzung Anfang des Monats.
FOTO: DPA Thomas Bach, Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), nach der Vorstandss­itzung Anfang des Monats.

Newspapers in German

Newspapers from Germany