Olympia-Organisatoren spielen auf Zeit
Erst in einigen Wochen will das IOC entscheiden, ob es die Spiele von Tokio wegen der Corona-Pandemie absagt. Die Athleten lässt das im Ungewissen.
DÜSSELDORF Dass die Sportwelt über Olympia spricht, ist keine Auswirkung der Coronavirus-Pandemie. Das größte Sportereignis auf diesem Planeten sorgt zu allen Zeiten für Diskussionsstoff. Doch dieser Tage geht es eben nicht um die Frage, wie nachhaltig die Sommerspiele in Tokio im August wirklich sein werden. Wie klimaneutral und wie teuer. Momentan geht es um die fundamentale Frage, ob das Internationale Olympische Komittee (IOC) die Spiele nicht jetzt schon wegen des weltweit ruhenden Sportbetriebs absagen sollte. Die Fußball-Bundesliga pausiert, die EM wurde ins nächste Jahr verlegt, die nordamerikanischen Top-Ligen haben alle kapituliert – muss da Olympia nicht als nächster Dominostein fallen? Längst haben sich zu dieser Frage zwei Fronten gebildet.
Auf der einen steht das IOC, dass erst am Dienstag erneut bekräftigte, dass die Spiele am 24. Juli in der japanischen Hauptstadt eröffnet werden sollen. „Da bis zu den Spielen noch mehr als vier Monate verbleiben, sind zum jetzigen Zeitpunkt keine drastischen Entscheidungen erforderlich.“Spekulationen zum jetzigen Zeitpunkt wären „kontraproduktiv“, hieß es. Dieses Spiel auf Zeit wird auch erst noch eine Weile lang Bestand haben, wie Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mitteilte. In einer Telefonkonferenz mit dem IOC „wurde darauf hingewiesen, dass man noch einige Wochen Zeit hat, um die weitere Entwicklung abzuwarten“, sagte Hörmann am Mittwoch im „Mittagsmagazin“von ARD und ZDF. „Und ich denke, dann kann man und dann muss man auch abschließend Antworten geben“, betonte er. Bisher galt Mitte bis Ende Mai als Zeitraum einer möglichen Absage oder Verschiebung. Und Zeit wird der entscheidende Faktor. In Japan wurde der erste Corona-Fall zehn Tage vor dem ersten in Deutschland registriert Ein Vorteil?
Olympia sagt man jedenfalls nicht mal eben so ab. Die Spiele sind ein gigantischer Wirtschaftsfaktor, es geht um Milliarden, es geht um Sponsoren- und TV-Deals, um zwei Millionen Zuschauer vor Ort und 11.000 Athleten. In den Augen der Macher sind die Spiele „too big to fail“, also zu groß, um nicht stattfinden zu können.
Doch es gibt eben auch das andere Lager, die, die eine Absage schon jetzt fordern. Und dieses Lager hat selbst Anhänger im IOC. Die viermalige Olympiasiegerin Hayley Wickenheiser äußerte jetzt als erstes IOC-Mitglied deutliche Kritik am strikten Festhalten an den Tokio-Spielen. „Die Krise ist größer – selbst als die Olympischen Spiele“, schrieb die 41 Jahre alte Kanadierin bei Twitter. „Dass das IOC mit einer solchen Überzeugung darauf besteht, dass es weitergeht, ist unverantwortlich und gefühllos.“
Clemens Prokop, ehemaliger Chef des Deutschen Leichtathletik-Verbands, ging den IOC-Präsidenten deutlich an.„Ich halte Thomas Bach als Krisenmanager für ungeeignet. Das IOC betreibt das Gegenteil von einem verantwortungsvollen Krisenmanagement“, sagte Prokop den „Stuttgarter Nachrichten“.
Die Athleten selbst sind hin- und hergerissen. Zwischen Verständnis für die globale Krise und dem Festhalten an ihrem olympischen Lebenstraum. Sie leben im Ungewissen. Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler ist für eine Verschiebung. „Ich sehe derzeit keine
Grundlage für einen fairen sportlichen Vergleich“, sagte der 28 Jahre alte Jenaer dem „Sportbuzzer“mit Blick auf unklare Qualifikationsmaßstäbe in manchen Sportarten. Der Düsseldorfer Marathonläufer vom TV Wattenscheid, Hendrik Pfeiffer, glaubt nicht mehr an die Spiele. „Das ist dein Lebenswerk, das da zerstört wird.“
Athletensprecher Max Hartung sieht eine grundlegende Maßgabe für eine Durchführung der Spiele: „Da muss hundertprozentig sicher sein, dass die Spiele so durchgeführt werden können, dass sie eben kein Katalysator für die Pandemie sind.“Hartung ist aktuell selbst als Kontaktperson in häuslicher Quarantäne.
(mit dpa)