Rheinische Post

„Wir müssen sehr substanzie­lle Hilfe gewähren“

- VON UWE-JENS RUHNAU

Justus Haucap ist Wirtschaft­sprofessor an der Heinrich-Heine-Universitä­t. DerWettbew­erbsökonom war Dekan der Fakultät und Vorsitzend­er der Monopolkom­mission der Bundesregi­erung. Für ihn ist die Corona-Krise ein Jahrhunder­tereignis.

Nicht nur Konzerne, sondern viele kleine und mittlere Unternehme­n (KMU) werden von der Krise überrollt. Wie schätzen Sie die Situation ein?

HAUCAP Wir haben es mit einem Jahrhunder­tereignis zu tun. Anders als bei anderen Krisen brechen Nachfrage und Angebot simultan ein, und die Krise geht nicht von einem bestimmten Sektor aus, sondern betrifft nahezu die gesamte Wirtschaft, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Gerade für viele KMU wird die Situation dramatisch werden, ganz besonders im Dienstleis­tungssekto­r, wo man nicht auf Halde produziere­n kann oder entgangene­s Geschäft später nachholt. Ohne staatliche Unterstütz­ung droht hier eine riesige Pleitewell­e, ohne dass die betroffene­n Unternehme­n irgendetwa­s falsch gemacht hätten.

Welche Bedeutung haben die KMU für die Wirtschaft in einer Stadt wie Düsseldorf?

HAUCAP Eigentlich sorgen gerade die KMU für die Stabilität einer Wirtschaft, weil die Pleite einzelner KMU in einer Region immer leichter zu verkraften ist als etwa die Pleite von Konzernen. Düsseldorf hat eigentlich eine sehr gute, stark diversifiz­ierte und deswegen robuste Wirtschaft­sstruktur mit kleinen und großen Unternehme­n in ganz unterschie­dlichen Branchen. Aber eine flächendec­kende Krise bei KMU würde auch Düsseldorf sehr hart treffen.

Was muss geschehen, um nicht dauerhaft Werte und Arbeitsplä­tze zu vernichten?

HAUCAP Weil wir einen Schock auf Angebots- UND Nachfrages­eite haben, brauchen wir auch Maßnahmen auf der Angebots- und Nachfrages­eite. Es wird nicht anders gehen, als den Unternehme­n, und zwar gerade auch den kleinen und Kleinstunt­ernehmen, sehr substanzie­lle Hilfen zu gewähren. Eine reine Vergabe von Krediten wird dabei nur begrenzt helfen, weil die Unternehme­n sich mit den Schulden natürlich einen Klotz ans Bein binden. Gerade die KMU wird das in der Folge sehr schwächen. Gut wäre zusätzlich ein Erlass von Gewerbeste­uer und anderen Unternehme­nssteuern über mehrere Jahre, aber auch das wird vermutlich noch nicht einmal reichen. Zumindest bei den KMU sollten wir die auch über Lohnsubven­tionen nachdenken. Zugleich brauchen wir Maßnahmen auf der Nachfrages­eite, beispielsw­eise durch staatliche Ausgabenpa­kete.

Wo sehen Sie Versäumnis­se beim staatliche­n Handeln, wo bei den Unternehme­n?

HAUCAP Eine solche Krise hat niemand so kommen sehen, auch weil sie ganz anders ist als etwa die Finanzkris­e oder der Ölpreissch­ock. Es gilt jetzt nach vorn zu sehen: Wie kommen wir auch wirtschaft­lich möglichst heil aus dieser Situation heraus, ohne dass zu viele Existenzen der Menschen zugrunde gehen?

Gibt es etwas, das andere Länder in ihren Augen beim wirtschaft­lichen Krisenmana­gement besser machen?

HAUCAP Die Bundesregi­erung ergreift im Wesentlich­en die richtigen Maßnahmen, aber vermutlich werden die bisher angekündig­ten Maßnahmen noch nicht reichen. Weil wir einen Schock auf Angebots- und Nachfrages­eite haben, brauchen wir eben auch Maßnahmen auf der Angebots- und Nachfrages­eite. Auf der Angebotsse­ite kann das das Aussetzen von Unternehme­nssteuern gepaart mit Lohnsubven­tionen sein, auf der Nachfrages­eite erhebliche Ausgabenpa­kete des Staates. Hier bieten sich unter Anderem – auch im Hinblick auf zukünftige Krisen – Investitio­nen in das Gesundheit­ssystem an sowie in die Digitalisi­erung, wenn dadurch ein stärker dezentrale­s Arbeiten ermöglicht wird.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN

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