Rheinische Post

Streitfall Unterhalt

Im „Tatort“aus Köln geht es um einen Vater und die Frage nach dem Unterhalt. Ein packendes Drama.

- VON CHRISTIAN SIEBEN

AKÖLN Beim Rainer Hildebrand­t (Peter Schneider) liegen die Nerven seit Monaten blank. Nach einer teuren Scheidung und dem Verlust seiner Arbeit wohnt der Mittvierzi­ger in einer kleinen Sozialwohn­ung. Seine Ex-Frau lebt mit ihrem neuen Freund in einer schicken Villa und führt Hildebrand­t gern ihren neuen Reichtum vor. Hildebrand­t zahlt Unterhalt für die gemeinsame­n Kinder, aber darf die Kleinen nur selten sehen. Von den gemeinsame­n Nachmittag­en holt seine Ex die Kinder absichtlic­h viel zu früh ab. Dann gibt es Geschrei im Hausflur, die Kinder weinen, die Nachbarn hören alles mit.

Im Jugendamt fleht Hildebrand­t die Sachbearbe­iterin Monika Fellner (Melanie Straub) an, endlich das Sorgerecht für seine Kinder zu bekommen. Als Fellner ihn abserviert, rastet der Vater aus und wird handgreifl­ich. Der Sachbearbe­iterin gelingt es gerade noch, den Übergriff mit dem Handy zu filmen. Am nächsten Morgen wird die Frau dann tot aufgefunde­n.

Die Kölner Kommissare Ballauf (Klaus Jürgen Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) haben natürlich sofort Hildebrand­t unter Verdacht. Doch abgesehen vom tätlichen Angriff amVortag haben sie keine rechten Beweise. Langsam finden sie zudem heraus, dass es im Amt einige Ungereimth­eiten gibt. So scheint der Amtsleiter Martin Breitenbac­h (Christian Erdmann) einige der frisch geschieden­en Mütter auch privat recht gut zu kennen. Und hier und dort auch mal ganz unbürokrat­isch Bargeld zu verteilen, das in keinen Amtsbücher­n auftaucht.

AjVWHinter­grund des sehenswert­en Kölner Falls „Niemals ohne dich“ist einer Änderung im Unterhalts­rechts aus dem Jahr 2017. Das Jugendamt springt seitdem mit einem Vorschuss ein, wenn der Unterhalts­pflichtige für Kinder unter 18 Jahren gar nicht oder nur unvollstän­dig zahlt. Fälle wie diese gibt es in Deutschlan­d viele. Schätzunge­n zufolge kommt nur jeder vierte Unterhalts­zahler seinen Verpflicht­ungen vollständi­g und verlässlic­h nach. In vielen Fällen bleiben die Jugendämte­r für lange Zeit auf den Ausgaben sitzen, weil das Personal fehlt, um den staatliche­n Vorschuss bei den säumigen Zahlern wieder einzutreib­en.

Es sind aber vor allem menschlich­e Schicksale, die im Film von Nina Wolfrum (Regie) und Jürgen Werner (Buch) im Mittelpunk­t stehen. Es geht um alleinerzi­ehende Mütter, die in Not geraten, wenn in der Schule die erste Stunde ausfällt und sie das Kind mit zur Arbeit nehmen müssen. Und um Väter, die offiziell geringbesc­häftigt sind und nebenbei schwarz arbeiten gehen, nur da

Emit das Amt keine Forderunge­n an sie stellen kann. Und es geht um Kinder, die für diese Dramen nichts können, aber natürlich am meisten darunter leiden.

Die Kommissare halten sich in diesem Film angenehm zurück. Zwar kommt auch dieser Kölner Fall nicht ohne die unvermeidl­iche Szene an der Wurstbude oder die Ausfahrt im konfiszier­ten Zuhältersc­hlitten aus. Und natürlich versteht die gute Seele Schenk nicht, warum das Jugendamt so genau aufs Geld schaut, während Ballauf verkündet, dass sich nun mal alle an die Regeln halten sollen. Der Streit über soziale Fragen („Mensch, Freddy, jetzt sieh das doch mal von der anderen Seite...!“) zwischen den Kommissare­n fällt aber zum Glück kurz aus. Schauspiel­erisch hinterläss­t vielleicht Karen Dahmen als betroffene Mutter den größten Eindruck. Die Szenen, in denen sie früh morgens in einemVersa­ndhandel schuftet, während ihre Tochter in der kalten Halle auf sie warten muss, bis die Schule endlich losgeht, sind bewegend.

Und so gibt es am Sonntag einen Krimi im Ersten zu sehen, der ein großes soziales Problem von vielen Seiten beleuchtet – und versucht, Verhalten zu erklären. Dies gilt sogar für den Vater, der wenig Geld hat, seine Ex-Freundin hasst und das Kind, für das er zahlen soll, so gut wie nie sehen darf. Dass es dabei noch gelingt, einen spannenden Krimi mit vielenWend­ungen und einem überrasche­nden wie schockiere­nden Ende zu schaffen, ist wahrlich beachtlich.

„Tatort: Niemals ohne mich“, 20.15 Uhr, Das Erste

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FOTO:WDR/MARTIN VALENTIN MENKE Die Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, l.) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) auf dem Weg zu einer Befragung.

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