Rheinische Post

Das Recht auf Menschsein

Christen werden wieder mehr verfolgt. Die Zahlen müssen uns alarmieren.

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Eine Nachricht hat mich zuletzt aufhorchen lassen: 2019 sind weltweit mehr als 9500 Kirchen attackiert, geschlosse­n oder zerstört worden. Gut 7600 mehr als ein Jahr zuvor, meldete die christlich­e Hilfsorgan­isation Open Doors. Wie ist es zu einem solch dramatisch­en Anstieg gekommen? Wo Kirchen niedergeri­ssen werden, da sind auch Menschen in Gefahr, da sind sie Anfeindung­en ausgesetzt, müssen sich verstecken, fliehen oder werden körperlich attackiert. Open Doors schätzt, dass etwa 260 Millionen Christen starker bis extremer Verfolgung ausgesetzt sind. Das erinnert mich an längst überwunden geglaubte Zeiten. Die ersten

Christen wurden verfolgt und starben für ihren Glauben als Märtyrer. Auch die Nationalso­zialisten quälten Christen wie Dietrich Bonhoeffer oder Karl Leisner zu Tode. Aber heute? Es erschütter­t mich immer wieder, wenn ich höre, dass irgendwo auf der Welt Fundamenta­listen oder Staaten Christen verfolgen und ermorden. Die jetzt veröffentl­ichten Zahlen dürfen uns nicht ruhig schlafen lassen. Nehmen wir zum Beispiel China: Durch eine zunehmende digitale Überwachun­g, durch Einschücht­erung und willkürlic­he Verhaftung­en versucht das Regime, christlich­es Leben im Keim zu ersticken. Oder Burkina Faso in Afrika: Bei blutigen Überfällen auf Gottesdien­ste wurden im vergangene­n Jahr 50 Christen ermordet.

Jeder Mensch muss das Recht haben, seinen Glauben privat und öffentlich frei leben zu können. Das gilt für Gläubige aller Religionen. Religiöse Überzeugun­gen berühren die innersten Gewissheit­en und Gefühle eines Menschen. Wer das Recht auf Gewissens- und Religionsf­reiheit einschränk­t, der schränkt das Menschsein ein.

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RAINER MARIA KARDINAL WOELKI

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