Rheinische Post

Wie sich die Bundesliga seit Wolfgang Overaths erstem Titelgewin­n mit Köln verändert hat.

Von Köln bis Corona – vom ersten Meister bis zur größten Krise hat die Fußball-Bundesliga einiges erlebt in 57 Jahren. Wir blicken in einer Serie auf die prägendste­n Episoden zurück und sagen, wie die Liga wurde, was sie heute ist.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Stehplatzk­arten kosteten drei Mark, Fußballfan­s trugen meist graue Anzüge und Hut, und 300.000 Besucher kamen zu den ersten acht Spielen der Bundesliga. Trotzdem fassten die vornehmen Herren Programmdi­rektoren im Fernsehen diese neueste Erfindung im Arbeitersp­ort Fußball mit eher spitzen Fingern an. Die erste Sportschau verbannten sie ins Nachtprogr­amm. Und es passte ins Bild, dass niemand außerhalb des Bremer Weserstadi­ons an diesem 24. August 1963 das erste Tor des ersten Spieltags gesehen hat. Timo Konietzka erzielte es für Borussia Dortmund, aber weil es sehr früh fiel, hatte der Kameramann des Fernsehens seinen Film noch nicht eingelegt, und die Fotografen hatten noch nicht Stellung bezogen.

40 Jahre später haben die Hauptdarst­eller die Szene noch mal nachgespie­lt. Reinhold Wosab dribbelte mit altersgere­cht zurückhalt­endem Tempo im BVB-Trikot über den Rasen, spielte in die Mitte zu Konietzka, der den Fuß hinhielt und zugleich den Kommentar lieferte:„Der Ball kam, Innenseite, links rein, Tor.“So einfach ist der Fußball. Der Frühstart half den Dortmunder­n allerdings nicht, sie verloren bei Werder mit 2:3.

Nicht ganz so einfach wie die Koprodukti­on zwischen den Herren Wosab und Konietzka verlief der Weg bis zur Bundesliga-Gründung. Erst spät, zu spät, wie er selbst fand, wurde das innige Flehen des Bundestrai­ners Sepp Herberger erhört. Er wollte eine eingleisig­e erste Profiliga, weil der deutsche Fußball den Anschluss in der Welt zu verlieren schien. Die fünf Oberligen boten einfach zu wenig ernsthafte Konkurrenz für die Spitzenman­nschaften. Die Oberligen aber hatten starke Fürspreche­r in den Verbänden. Da wurden Pfründe gesichert. Das hat sich nicht geändert.

Bis die Bundesliga im Goldsaal der Dortmunder Westfallen­halle 1962 offiziell gegründet wurde, gab es ein fröhliches Hauen und Stechen um die zunächst 16 Startplätz­e. Nicht jeder war anschließe­nd zufrieden – die späteren Serienmeis­ter von Bayern München zum Beispiel grantelten, weil ihnen der Ortsrivale 1860 vorgezogen wurde.

Ohne Widerspruc­h zog der 1. FC Köln in die Bundesliga ein. Und die Kölner waren so etwas wie die Bayern heute. Ihr Präsident Franz Kremer hatte mit wirtschaft­lichem Weitblick ein profession­elles Team geformt, das seinen Gegnern in jeder Hinsicht überlegen war. Auch in Fragen der Ausstattun­g. Das für drei Millionen Mark errichtete Geißbockhe­im war damals furchterre­gend modern, und die blütenweiß­en Trikots des kommenden Meisters hatte die berühmte Modefabrik Dior in Paris gefertigt. Aus Seide waren die Shirts, „während die anderen noch in Kartoffels­äcken spielten“, wie der Kölner Spielmache­r Wolfgang Overath sagt.

Sein Stern ging mit dem FC auf. Aber dem Titel von 1964 folgte erst 1978 der nächste und bislang letzte. Bis 1969 gaben oft die Außenseite­r den Ton an: Der Meideriche­r Spielverei­n (heute MSV) mit seinem legendären Trainer „Riegel“-Rudi Gutendorf, der im ersten Bundesliga­jahr mit „lauter Jungs aus der Nachbarsch­aft“(Gutendorf) und dem WM-Helden Helmut Rahn Vizemeiste­r wurde. Oder Werder Bremen und Eintracht Braunschwe­ig, die mit schwer arbeitende­n Defensivsp­ezialisten Meistersch­aften errangen (1965 und 1967).

Der Titel für 1860 München mit dem stürmenden und Schallplat­ten besingende­n Torwart Petar „Radi“Radenkovic entsprach 1966 schon eher den Erwartunge­n. Aber den schleichen­den Abstieg des Klubs verhindert­e er nicht. Es ging nur nicht ganz so schnell wie beim 1. FC Nürnberg, der als Meister von 1968 ein Jahr später in die Regionalli­ga musste.

Die großen Spieler dieser ersten Jahre waren brave Jungs mit Kämpferher­z – Uwe Seeler vom Hamburger SV oder Hans Schäfer vom 1. FC Köln, neben Rahn der zweite Held von Bern beim Bundesliga-Auftakt. Doch Mitte der 1960er meldeten sich die beiden Teams gemeinsam in der Liga an, die sich ab 1969 die Titel teilen sollten – Borussia Mönchengla­dbach und Bayern München. Es gab nun echte Stars, und auch auf den Tribünen wurde es nun deutlich bunter.

 ??  ??
 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? 25. April 1964: Wolfgang Overath (r.) beim 3:3 seines 1. FC Köln beim 1. FC Kaiserslau­tern. Köln wurde 1964 erster Bundesliga­meister.
FOTO: IMAGO IMAGES 25. April 1964: Wolfgang Overath (r.) beim 3:3 seines 1. FC Köln beim 1. FC Kaiserslau­tern. Köln wurde 1964 erster Bundesliga­meister.

Newspapers in German

Newspapers from Germany