Monheim zum Klingen bringen
Die Stadt am Rhein möchte im Sommer ihre erste Triennale veranstalten. Hoffentlich bleibt es bei dem Projekt, denn sie ist großartig besetzt.
MONHEIM Da kann man ruhig mal euphorisch sein und sagen, dass dieses neue Kultur-Ereignis ein weiterer Grund ist, sich trotz der aktuellen Lage doch schon mal auf den Sommer vorzufreuen, denn man bekommt dann die Gelegenheit, Künstler vor der Haustür zu erleben, für die man sonst nach Paris oder London hätte fahren müssen. Monheim-Triennale heißt das Festival, es soll vom 1. bis 5. Juli stattfinden, und die Idee zu dem künftig im Dreijahrestakt geplanten Ereignis hatte der Bürgermeister der Stadt am Rhein, Daniel Zimmermann.
Der weiß ja ohnehin genau, dass Menschen Kultur brauchen und dass
Musik, Literatur und Kunst das Leben schöner machen, und deshalb fördert er diese Bereiche, in denen vielerorts gespart wird. Die Triennale wirkt so gesehen wie eine utopische Insel: ein internationales Festival, bei dem man dem Klang von morgen begegnet. Zukunftsmusik für Menschen von heute also. Zimmermann betraute Rainer Michalke mit der Intendanz, und dass der Geschmack, Gespür und Groove hat, bewies er bereits als Programmchef des Kölner Stadtgartens und als künstlerischer Leiter des Moers Festivals.
Michalke stellte sich ein ähnlich versiertes Kuratorium zusammen, aus Deutschland, Kanada und den USA stammen die Mitglieder. Er ließ seine Truppe Namen von Künstlern notieren, die gerade auf demWeg zu den Sternen sind, und über der Liste mit gut 1000 Namen hat man dann gesessen und sich beraten. 16 Musiker aus allen Genres blieben übrig: klingende Quintessenz.
Drei von ihnen seien hier ausführlicher vorgestellt, an ihnen kann man gut festmachen, um was es bei der Monheim Triennale geht:
Terre Thaemlitz ist eine amerikanische Musikerin, die in Japan lebt und unter dem Namen DJ Sprinkles eines der stärksten Alben im Bereich House gemacht hat: „Midtown 120 Blues“heißt es, es erschien 2008, und wer es noch nicht kennt, möge es bitte gleich hören; man will dann nichts anderes mehr. Thaemlitz ist Aktivistin für Transgender-Rechte, sie nimmt Stellung zu Identitätspolitik und Klassen- und Geschlechterfragen. Sie wird als DJ Sprinkles auftreten, außerdem gibt sie ein DJ-Set, bei dem sie Ambient-Musik auflegt.
Kris Davis ist eine kanadische Pianistin und Komponistin. Von ihr sollte man vielleicht zuerst das tolle Album „Duopoly“hören, auf dem unter anderem Bill Frisell mitmischt. Jazz ist das, aber die Grenzen sind flüssig, und manchmal ist das näher am Genre der Neuen Musik und überhaupt an neuer Musik im Sinne von unerhörter Musik als an der Tradition.
In Monheim will Davis einen Stummfilm der bulgarischen Filmemacherin Mimi Chakarova vertonen, außerdem tritt sie mit Ingrid Laubrock und Shabaka Hutchings auf, beide Saxophon und beide für sich genommen sehenswerte Persönlichkeiten.
Philipp Sollmann kommt aus Berlin, und er ist unter dem Namen Efdemin einer der prominentesten Techno-Musiker Deutschlands. Er wird die Klanginstallation „Modular Organ System“präsentieren, die er mit
Konrad Sprenger entwickelt hat. Das raumgreifende Werk wird über die gesamte Dauer der Triennale zu erleben sein. Außerdem tritt er im Duo mit John Gürtler auf und natürlich als Efdemin.
Es wären noch so viele andere zu erwähnen, der amerikanische Folkmusiker Sam Amidon etwa, die chinesische Komponistin und Performern Pan Daijing, der deutsche
Komponist Marcus Schmickler. Sie alle werden, und das ist die Kernidee der Triennale, für wenigstens fünf Tage in Monheim sein, in der Stadt leben, die Stadt beleben. Die Hoffnung ist, dass sich aus der Begegnung mit dem Ort Ideen ergeben und Projekte, dass sich Künstler treffen und einander verbunden fühlen und möglicherweise spontan ein gemeinsames Konzert geben oder in Schulen gehen und dort etwas machen.
Marcus Schmickler etwa wird mit dem Akkordeon-Orchester Baumberg zusammenarbeiten. Während das Hauptprogramm also bereits feststeht, gibt man die Termine der Nebenreihe „Fringe“erst zu Festivalbeginn bekannt – sie wird aus solchen Gelegenheitskooperationen, aus Momentaufnahmen und Eingebungen bestehen.
Die Triennale will die Stadt zum Klingen bringen, so wird es etwa Auftritte in der Marienkapelle geben, auf dem Schiff MS RheinGalaxie, das gerade noch im Bau befindlich ist, und im Goldenen Hans. Die Vorbereitungen für 2023 haben übrigens schon begonnen. Die Vorfreude geht weiter.
Literatur
In Monheim sollen Künstler auftreten, für die man sonst nach London fahren muss
Pop Das kann man ja jetzt, das Home Office macht es möglich: Musikhören bei der Arbeit. Am besten eignet sich instrumentale Musik, damit man nicht dadurch abgelenkt wird, dass man ständig Texte von Liebesliedern mitsingt. Aber man will natürlich nicht bloß eingelullt, sondern auch angeregt, manchmal auch geborgen werden. Insofern ist „Verbal Equinox“die ideale Platte fürs Arbeiten daheim. Das Album erschien erstmals 1977, es wurde soeben neu aufgelegt, und sein Urheber ist einer der großen Inspirationen der Avantgarde-Musik. Der amerikanische Trompeter Jon Hassell, heute 82 Jahre alt, hat bei den Helden gelernt: Er studierte bei Stockhausen in Köln, spielte in New York mit Terry Riley dessen Minimal-Music-Grundlagenwerk „In C“ein und arbeitete mit La Monte Young. Er schaute stets über den Tellerrand, hörte Musik aus Afrika und Indien und entwarf das Konzept der „Fourth World“, das dann Brian Eno (mit dem Hassell lange zusammenarbeitete), Peter Gabriel und David Sylvian beeinflussen sollte: Uralte Weisheit und moderne Technologie verbinden sich zu etwas Neuem und Unerhörtem. „Vernal Equinox“ist das erste Soloalbum Hassels. Er lässt sich einen
Jon Hassell ist Musik fürs Homeoffice
Teppich aus Percussion auslegen und flicht darauf Girlanden mit seiner Trompete. In den Melodiebögen liegt viel Echo, Hassel schickt die Töne durch einen Filter, und manchmal gibt er Fieldrecordings dazu: das Zwitschern von Vögeln, das Rauschen des Meeres.
Das ist bisweilen ein ganzkleinbisschen esoterisch, aber auf angenehme Weise, die gerade heute gut tut. Man hat den Eindruck, man sitze mitten in der Natur, im Dschungel, und zwar an einer Stelle, an der das Grün nicht ganz so dicht und die Bäume nicht allzu hoch sind. Manchmal erinnert das an den Miles Davis der 1970er Jahre, an den Miles der „Agharta“-Ära, aber nicht im Sinne einer Nachahmung oder als Anhänger- oder Gefolgschaft, sondern mit eigenem Ansatz, eigener Note sozusagen. Beruhigende Musik ist das, inspirierende auch, und ein bisschen melancholisch klingt sie zudem. Ganz schön, darin zu arbeiten.
Philipp Holstein