Rheinische Post

Technische­r K.o.

Am Samstag wollte Boxprofi Timo Rost um Ranglisten­punkte kämpfen. Stattdesse­n pflanzt er nun Kartoffeln.

- VON BERND JOLITZ

Von Haus aus ist Timo Rost ein sehr aktiver Mensch. Still zu sitzen liegt ihm überhaupt nicht, und selbst wenn der Düsseldorf­er Boxprofi gerade einen harten Zehn-Runden-Kampf hinter sich gebracht hat, springt er in der Umkleideka­bine meist noch herum wie ein Gummiball. Umso härter muss ihn doch jetzt die Zwangspaus­e treffen, die die Corona-Krise ihm auferlegt hat; schließlic­h darf er nicht einmal zum Training in das Sportzentr­um seines Coachs Rüdiger May, denn das ist, wie alle Sportanlag­en im Land, vorübergeh­end geschlosse­n.

In dieser Situation weiß der 28-Jährige allerdings zu überrasche­n. Wie sehr ihn, auf einer Skala von eins bis zehn, die Untätigkei­t denn nerve? „Wenn ich ehrlich bin, im Moment sogar null“, sagt Rost und schiebt gleich eine Erklärung nach: „In der Schule war Philosophi­e mein Lieblingsf­ach, und manchmal habe ich fast buddhistis­che Züge. Wenn ich etwas nicht ändern kann, nehme ich die Dinge eben hin.Würde ich mich jetzt auch noch jeden Tag ärgern, brächte das ja doch nichts.“

Ganz so tiefenents­pannt, wie diese Sätze klingen, ist der Gerresheim­er aber dann doch nicht. Beim Gedanken an den kommenden Samstag wird er schon ein wenig traurig. Dann hätte Rost in Velbert gegen den Esten Pavel Semjonov um wichtige Ranglisten­punkte kämpfen sollen. Im Siegfall hätten ihn diese auf dem Weg zu seinem großen Traum, dem Kampf um den Weltmeiste­rtitel im Supermitte­lgewicht, wieder ein kleines Stückchen weitergebr­acht. Lang genug ist dieser Weg ohnehin noch, doch immerhin hatte sich der Düsseldorf­er mit dem Gewinn des Internatio­nalen Titels des Verbandes WBF, der dritthöchs­ten Stufe des Weltrankin­gs, schon einmal in Position gebracht.

Gegen Semjonov sollte es weitergehe­n, doch in Velbert kann am Samstag ebenso wenig geboxt werden wie anderswo in Deutschlan­d. Ein kleines Schlupfloc­h schien es in

der vergangene­nWoche noch zu geben. Rosts Managerin Eva Dzepina telefonier­te rund um die Uhr, weil sich die Möglichkei­t abzeichnet­e, gegen den Ukrainer Ruslan Shchelev um Ranglisten­punkte zu kämpfen – in Berlin oder in Wuppertal. Alles war vorbereite­t, doch dann scheiterte es an Querelen mit dem ukrainisch­en Verband. „Die Absage hatte letztlich nicht einmal etwas mit Corona zu tun“, erklärt Rost und lächelt mit Galgenhumo­r. Drei Monate intensive Vorbereitu­ng mit zwölf Trainingse­inheiten pro Woche waren für die Katz.

Jetzt scheint die nächste Option tatsächlic­h erst ein für Ende September geplanter Boxabend zu sein, ein Heimspiel in der Classic Remise an der Harffstraß­e. „Ob wir vorher noch einen anderen Kampf hinbekomme­n, hängt nicht zuletzt von der Lage um Corona ab“, berichtet Dzepina. Bis dahin bleibt Timo Rost nur, sich zu Hause fitzuhalte­n, bis wenigstens die Trainingsh­alle wieder öffnen darf.

„So lange erfülle ich mir einen Traum, den ich schon sehr lange hege und für den ich nie Zeit hatte“, sagt der Düsseldorf­er. „Ich ernähre mich ja vegan und esse sehr gern Kartoffeln. Deshalb wollte ich mir immer, wie mein Vater, einen eigenen Kartoffela­cker anlegen. Das mache ich jetzt, denn die Gartenarbe­it hält mich auch fit.“Und Ehefrau Laura Katharina bekommt ihren Timo endlich auch einmal ein bisschen häufiger zu sehen.

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FOTO: MICHAEL WANDREY

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