Rheinische Post

So weit hätte es nie kommen dürfen

- STEFAN KLÜTTERMAN­N

Es ist nach wie vor unklar, ob die Olympische­n Spiele in Tokio in diesem Sommer angesichts der Corona-Pandemie stattfinde­n oder nicht. Max Hartung hat dagegen seit dem Wochenende Klarheit: Der Athletensp­recher teilte im „ZDF-Sportstudi­o“trotz erbrachter Qualifikat­ion mit, er habe für sich entschiede­n, in diesem Jahr nicht an den Spielen teilzunehm­en. Er wolle damit ein Zeichen in der gegenwärti­gen Diskussion setzen, sagte der Dormagener Säbelfecht­er. Er tat sehr viel mehr als das. Er inszeniert­e einen sporthisto­rischen Moment. Er stellte das eigene Ego hinter die Interessen seiner Sportkolle­gen zurück. Und er teilte der Öffentlich­keit in dieser Form friedliche­n Widerstand­es mit: Seht her, das IOC bürdet mir als einzelnem Sportler eine solche herzzerrei­ßende Entscheidu­ng auf. So weit hätte es niemals kommen dürfen.

Vor der Entscheidu­ng auf seinen freiwillig­en Olympiaver­zicht lag am vergangene­n Mittwoch eine stundenlan­ge Telefonkon­ferenz mit dem IOC. Hartung nahm mit 220 Athletenve­rtretern aus der ganzen Welt daran teil. Was sie zu hören bekamen, waren in ihren Ohren lediglich Sonntagsre­den. Dass das Wohl der Athleten im Vordergrun­d stehe. Glauben tun dies immer weniger Athleten.

Die Wahrheit ist doch: Überall sind Sportler derzeit vom regulären Trainingsb­etrieb abgenabelt, es werden Qualifikat­ionswettkä­mpfe abgesagt, sind Reisen untersagt. Das Gros der Sportler hat innerlich längst resigniert, was Olympia im Sommer angeht. Zurecht, denn mit seinem Leistungso­ptimum wird dort niemand anreisen können. Es wären lächerlich­e Spiele.

Hartungs Selbstverz­icht trägt nun die Befürchtun­gen der Athleten in einer Entscheidu­ng an die Öffentlich­keit. Und die beste Wirkung wird Hartungs Opfer entfalten, wenn ihm möglichst bald weitere Athleten folgen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany