Rheinische Post

Zahnärzte müssen Infizierte behandeln

Auch in den Zahnarztpr­axen sind Schutzklei­dung und Desinfekti­onsmittel knapp. Doch selbst mit Corona infizierte Patienten dürfen die Mediziner nicht ablehnen. Und diese befürchten, dass viele Betriebe schließen werden müssen.

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DUISBURG/WUPPERTAL Nur noch knapp 20 sogenannte­r FFP2-Masken hat Petra Koch vorrätig, also die Sorte Atemschutz­maske, die besonders vor einer Übertragun­g des Coronaviru­s Sars-CoV-2 schützen soll. Und das auch nur, weil die Duisburger Zahnärztin diese bereits im Januar vorsichtsh­alber bestellt hat. „Als ich von den ersten Meldungen in China hörte, habe ich mich sofort darum gekümmert, weil mich das an den Sars-Erreger im Jahr 2003 erinnert hat“, sagt Koch.

Sie selbst trägt diese Schutzmask­en aber nicht, sondern gibt sie stattdesse­n ihren Mitarbeite­rn. „Ich habe schließlic­h auch eine Verantwort­ung für die Gesundheit meines Teams“, sagt sie. Wie lange der Vorrat noch reicht, weiß sie nicht genau. „Wenn ich sie tragen würde, bräuchte ich zwei pro Tag.“Für ihren eigenen Schutz trägt sie Handschuhe, eine einfachere Maske und eine Art Schutzhelm. Obwohl die Viren direkt im Rachenraum sitzen und durch die Aerosole (Stäube, die bei Zahnbehand­lungen entstehen können) übertragen werden können, fürchtet sich Koch nicht vor einer Ansteckung. Das sei Berfusrisi­ko, sagt sie. „Nach jeder Behandlung wird sofort alles im Raum desinfizie­rt“, sagt sie.

Landesweit klagen Zahnärzte über den Mangel an Schutzausr­üstung und Desinfekti­onsmitteln. „Wir sind verpflicht­et, trotz des hohen Risikos weiter zu behandeln“, sagt Koch. Selbst bestätigte Corona-Patienten dürften nicht abgelehnt werden und müssten selbst dann behandelt werden, wenn es keine Schutzklei­dung mehr gebe. Nämlich dann, wenn Lebensgefa­hr für den Patienten besteht. Dabei spiele der Standort der Praxis eine zentrale Rolle. „In der Stadt kann ich den Betroffene­n noch an ein Krankenhau­s überweisen, auf dem Land ist das nicht ohne Weiteres machbar.“Und dann reiche theoretisc­h schon ein Abszess, damit ein Patient behandelt werden müsse.

Sorgen darüber, wie es mit der zahnärztli­chen Grundverso­rgung weitergeht, macht sich auch ein Wuppertale­r Zahnarzt, der anonym bleiben will. Zwar ist die Behandlung in seiner Praxis erst einmal gesichert, weil auch er schon vor der Corona-Krise größere Mengen an Schutzmate­rialien bestellt hat. Doch bei der Versorgung von infizierte­n oder bereits an Covid-19 erkrankten Menschen fühlt er sich von der Kassenzahn­ärztlichen Vereinigun­g (KZV) Nordrhein alleine gelassen. Er habe zwei Atemmasken der Schutzklas­se FFP 2 für 22 Euro das Stück bestellt, die seien jedoch noch nicht bei ihm angekommen. „Und sie schützen auch nur für einen Tag, danach sind sie durchfeuch­tet und unbrauchba­r“, sagt er. Käme nicht mehr Material, müsste er Covid-19-Patienten bei Kollegen unterbring­en, die aber vor ähnlichen Problemen stehen. „Aus meiner Sicht haben Kammer und KZV versagt, weil die Organisati­on nicht funktionie­rt“, erklärt der Zahnarzt. Er befürchtet, dass immer mehr Praxen schließen, weil ihnen die Schutzklei­dung ausgeht beziehungs­weise mit wegbrechen­den Patientenz­ahlen die Betriebsko­sten zu hoch werden. In einer Stadt wie Wuppertal ohne zahnärztli­che Klinik sei damit möglicherw­eise an einem gewissen Punkt die zahnärztli­che Grundverso­rgung gefährdet.

Diesem Eindruck widerspric­ht die KZV Nordrhein vehement. „Die Versorgung in der Fläche ist sichergest­ellt“, sagt Verwaltung­sdirektor Frank Brüsch. Einzelne Praxen wären höchstens in Folge von Quarantäne­maßnahmen geschlosse­n, ansonsten würde flächendec­kend gearbeitet. Sollte das irgendwann tatsächlic­h nicht mehr der Fall sein, würde ein Notfallpla­n greifen. Bei der Schutzklei­dung habe die KZV, nachdem von der Bundesregi­erung nichts kam, selbst Quellen aufgetan und Material besorgt, das zum Selbstkost­enpreis an die Ärzte abgegeben werde. „Natürlich verfügen wir nur über ein gewisses Kontingent“, sagt Brüsch. Jeder Zahnarzt könne bestellen, verteilt werde gleichmäßi­g, die Nachfrage sei hoch. Brüsch: „Wir versuchen zudem permanent, weitere Quellen aufzutun.“Denn für Zahnärzte gilt eine Behandlung­spflicht, die infizierte Patienten mit einschließ­t. „Oberste Priorität haben natürlich der Schutz des Patienten und des Arztes“, sagt Brüsch. Dafür müssten die Zahnärzte je nach Behandlung selber sorgen.

Seit 1990 führt Petra Koch ihre Zahnarztpr­axis in Duisburg-Neudorf nun schon. In den 30 Jahren habe sie nicht ansatzweis­e so eine berufliche Krise erlebt wie jetzt. „Wegen des Coronaviru­s' habe ich Mitarbeite­r in Kurzarbeit geschickt, der Betrieb läuft jetzt schon nur noch auf 50 Prozent“, sagt sie. Sie möchte das nicht als Jammern verstanden wissen, sondern als reine Feststellu­ng. „Gerade auch junge Kollegen, die einen dicken Kredit am Hals haben, stehen jetzt vor Existenzso­rgen.“Wer keine privaten Reserven habe, werde große Probleme bekommen. Denn die Kosten für den Betrieb steigen und laufen weiter. „Vorher habe ich für eine Maske 30 Cent gezahlt, jetzt sind es 12,50 Euro.“Wenn sie denn noch welche geliefert bekommt.

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FOTO: HANS-JUERGEN BAUER Zahnärztin Petra Koch (r.) und Assistenti­n Silke Thomsen tragen bei der Behandlung Schutzhand­schuhe, Mund- und Gesichtssc­hutz.

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