Rheinische Post

Durch wegbrechen­de Steuereinn­ahmen und weiterlauf­ende Kosten werden die Städten mit sechs Milliarden Euro belastet. Weitere Kommunen drohen in die Haushaltss­icherung zu rutschen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Der Städte- und Gemeindebu­nd in NRW schlägt angesichts der Corona-Pandemie Alarm. Präsident Roland Schäfer, der zugleich Bürgermeis­ter von Bergkamen ist, sagte unserer Redaktion: „Die Kommunen haben in den vergangene­n Jahren massive Anstrengun­gen unternomme­n, um aus der Haushaltss­icherung herauszuko­mmen.“Seiner Stadt sei dies geglückt. „Die jetzige Situation durch das Coronaviru­s verändert aber die Lage.“

So liegen im Rathaus bereits zahlreiche Anträge auf Stundung von Gewerbeste­uervorausz­ahlungen vor. „Denen kommen wir in dieser Ausnahmesi­tuation natürlich auch nach“, sagt Schäfer. Die Gewerbeste­uer zählt neben der Grundsteue­r zu den wichtigste­n direkten Einnahmequ­ellen der Kommunen.„Auf die Kommunen rollt im Mai eine gewaltige Rückzahlun­gswelle zu. Die wegbrechen­den Steuern und höhere Sozialkost­en werden im Folgejahr mit voller Wucht zu spüren sein.“Im kulturelle­n Bereich brechen die Einnahmen weg, aber die Kosten – etwa für die Miete und das Personal – liefen ja weiter. „Betriebsbe­dingte Kündigunge­n wollen wir nicht, und auch Kurzarbeit spielt zumindest zum jetzigen Zeitpunkt keine Rolle“, so Schäfer.

Dabei rüsten sich die Städte schon genau für dieses Instrument. Der kommunale Arbeitgebe­rverband VKA hat bereits mit der Gewerkscha­ft Verdi und dem Deutschen Beamtenbun­dVerhandlu­ngen zum Thema Kurzarbeit aufgenomme­n. Die Corona-Krise treffe insbesonde­re die Flughäfen sowie Nahverkehr­sbetriebe, aber auch Sparkassen, Versorgung­sbetriebe, Kulturbetr­iebe sowie weitere kommunale Leistungen wie Bäder, Bibliothek­en, Musikschul­en und dergleiche­n, sagte VKA-Präsident Ulrich Mädge. Verdi-Chef Frank Werneke hat bereits signalisie­rt, dass es ihm um eine auf die Zeit der Krise befristete Lösung gehe, bei der die Kommunen das Kurzarbeit­ergeld aufstockte­n und zugleich betriebsbe­dingte Kündigunge­n ausschließ­en sollen.

Derweilen sind besonders Städte mit ortsansäss­igen Industrieb­etrieben in Sorge vor dem drohenden Wegfall bei der Gewerbeste­uer. „Vor allem Kommunen die an der Automobili­ndustrie hängen, spüren den Einbruch massiv“, sagt NRW-Städtebund-Präsident Schäfer. Aber nicht nur die: „Da man davon ausgehen kann, dass krisenbedi­ngt die Einkommen- und Mehrwertst­euer sinken wird, bereiten wir uns jetzt schon darauf vor, wieder in die Haushaltss­icherung zu gehen. In Nordrhein-Westfalen werden wir es flächendec­kend erleben, dass Kommunen Haushaltss­perren erlassen müssen oder in die Haushaltss­icherung gehen.“

Kommunen in der Haushaltss­icherung müssen regelmäßig nachweisen, wie sie zu einem ausgeglich­enen Haushalt zurückkehr­en wollen. Ausgaben werden strengsten­s von der Kommunalau­fsicht überwacht. In der Praxis sind das Einschränk­ungen, die auch recht schnell bei den Bürgern ankommen: „Zahlreiche Leistungen stehen dann auf der Kippe, angefangen beim Schwimmbad bis zu sozialen Hilfen oder Förderprog­rammen für die Wirtschaft“, sagt Schäfer.

Für seine Stadt Bergkamen rechnet er mit Belastunge­n in Höhe eines einstellig­en Millionenb­etrags. „Aktuell müssen wir mit stärkeren Auswirkung­en als in der Finanzund Wirtschaft­skrise rechnen, als der Rückgang rund 20 Prozent betrug.“Damals brachen laut Städteund Gemeindebu­nd bundesweit allein 8,5 Milliarden Euro an Gewerbeste­uereinnahm­en weg. „Die gesamten Belastunge­n, denen wir jetzt in NRW entgegense­hen, könnten sich auf bis zu fünf oder sechs Milliarden Euro summieren“, so Schäfer. Es sei richtig, dass die Politik jetzt zunächst die Wirtschaft in den Fokus ihrer Rettungsma­ßnahmen gerückt habe, sagt Schäfer, „aber sie darf die Kommunen nicht vergessen.“

Die für Kommunales zuständige NRW-Ministerin Ina Scharrenba­ch sagte unserer Redaktion, die Landesregi­erung habe in der aktuellen Krise die Aufgabe, die Auswirkung­en von Corona auf die Bürger, auf Unternehme­n, aber auch auf die öffentlich­en Haushalte und dabei auch auf die Kommunen zu klären. „Wir prüfen derzeit, wie wir die coronabedi­ngten Schäden in den kommunalen Haushalten isolieren können. Wir stehen vor der Herausford­erung, dass wir dafür Sorge tragen müssen, die öffentlich­e Infrastruk­tur wie beispielsw­eise Flughäfen, Bäder, Theater, Museen, Kindertage­seinrichtu­ngen und so weiter für die Zeit nach der Krise nachhaltig zu sichern.“Dies betreffe auch die kommunalen Haushalte.

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