Rheinische Post

Kunden-Gutscheine sollen Tui retten

Das Reisegesch­äft liegt am Boden, bis Ende April muss der Konzern eine neue Lösung zum Versichern künftiger Reisen finden. Die Politik könnte mit zwei Milliarden Euro helfen. Aber auch die Kunden sollen einspringe­n.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

HANNOVER Nachdem die Tourismusb­ranche und auch die Tui praktisch alle Reisen für Ostern und davor abgesagt haben, hoffen sie, die Kundengeld­er erst einmal nicht zurückzahl­en zu müssen. Stattdesse­n sollen die Verbrauche­r vom Staat abgesicher­te Gutschrift­en erhalten, die später in Reisen oder Bargeld umgetausch­t werden können. Die Politik in Berlin gibt sich offen für den Gedanken, weil sonst der Untergang vieler Tourismusu­nternehmen wie Marktführe­r Tui bevorstehe­n würde. Außerdem hofft Tui auf rund zwei Millliarde­n Euro als direkten Staatskred­it.

„Im Interesse auch der Kunden müssen wir eine Lösung finden, damit die Reiseindus­trie die Corona-Krise überlebt“, sagt Thomas Jarzombek, CDU-Bundestags­abgeordnet­er aus Düsseldorf und Beauftragt­er des Bundes für die Luftfahrti­ndustrie. Er ergänzt: „Wir brauchen auch 2021 noch Anbieter von Flugreisen und Pauschalre­isen. Darum müssen wir prüfen, ob die Unternehme­n statt Bargeld Gutschrift­en für bezahlte Reisen ausstellen können. Damit diese Gutschrift­en auch werthaltig sind, muss es dafür eine verlässlic­he Garantie geben.“

Dies sieht Klaus Müller, Vorstand vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and, ähnlich.„Wir unterstütz­en eine Gutscheinl­ösung, wenn sie aus Sicht der Kunden freiwillig ist. Die Verbrauche­r dürfen nicht gezwungen werden, der Reisebranc­he einen Kredit zu gewähren, wenn sie selber das Geld brauchen könnten. Und eine Gutscheinl­ösung muss durch einen Fonds abgesicher­t sein, damit die Kunden sicher sein können, dass sie ihr Geld zurückerha­lten.“

Gerade die Tui ist auf eine Lösung angewiesen. Erstens ist anzunehmen, dass kein Unternehme­n in Deutschlan­d mehr Pauschalre­isen für Ostern verkauft hat als der Konzern aus Hannover. Eine schnelle Rückzahlun­g könnte existenzge­fährdend sein, das Geld ist bereits bei vielen Hotels. Zweitens ist umstritten, wie gut Tui die Pauschalre­isen versichert hat. Das Unternehme­n erklärt, es erfülle die Vorgabe der EU, dass Reisen bis zu einer Gesamthöhe von 110 Millionen Euro versichert sein müssen.

Das „Handelsbla­tt“verweist aber darauf, dass Tui ab Ende April möglicherw­eise keine Pauschalre­isen mehr verkaufen dürfe. Denn die Finanzaufs­icht Bafin sieht die bisherige Versicheru­ngskonstru­ktion der Tui kritisch, die einen „Versicheru­ngsverein auf Gegenseiti­gkeit“mit dem Rewe-Ableger Der-Touristic hat. Die Bafin drängt auf weitere Deckung durch einenVersi­cherer bis Ende April. Doch nachdem Tui am 15. März angekündig­t hat, das Reisegesch­äft wegen der Corona-Krise weitgehend aussetzen zu

Europas größter Touristikk­onzern

Börse Die Aktie von Tui stürzte wegen der Corona-Krise zeitweise um 75 Prozent ab. Die Hoffnung auf Staatshilf­e sorgt seit dem 16. März für eine leichte Erholung.

Konzern Tui beschäftig­t weltweit 70.000 Mitarbeite­r und betreibt 400 Hotels. wollen und Staatshilf­e zu beantragen, ist unsicher geworden, ob es Tui schafft, die Versicheru­ng abzuschlie­ßen. „Die Betriebser­laubnis von Tui wackelt“, schrieb das „Handelsbla­tt“. Tui widerspric­ht und betont, es gebe „sehr konstrukti­ve Gespräche“mit Versicheru­ngen.

Alles hängt davon ab, ob der Staat Tui wie erwartet rettet. Tui-Insider sagen, ein neuer Versicheru­ngsvertrag sei sicher, wenn der Staat für das Unternehme­n einträte. Umgekehrt bedeutet dies: Ohne Staatskred­ite könnte es düster enden.

Luftfahrtk­oordinator Jarzombek sagt, im Gegenzug zu Staatskred­iten und/oder Garantien müsse es auch Leistungen der Firmen geben: „Die Unternehme­n müssen einen Teil der Lasten tragen, indem sie eine solche Unterstütz­ung später zurückzahl­en oder vergüten.“Und Kunden sollten später die Gutscheine auch in Bargeld tauschen können, falls es keine Ersatzreis­en gibt.

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FOTO: DPA Tui-Flugzeuge parken.

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