Rheinische Post

Die Geschichte des Kaubonbons begann vor 90 Jahren in Friedrichs­tadt.

Vor 90 Jahren begann das Unternehme­n Edmund Münster an der Hildebrand­tstraße in Friedrichs­tadt mit der Maoam-Produktion.

- VON MARC INGEL REPROS (3): INGE HUFSCHLAG/STADTARCHI­V DÜSSELDORF

FRIEDRICHS­TADT Das bis 1990 aufwendig restaurier­te Creativ Center an der Hildebrand­tstraße ist heute Sitz mehrerer kreativer und innovative­r Firmen. Aber die denkmalges­chützten Mauern atmen Geschichte. Die ersten Gebäude des Komplexes wurden 1895 errichtet und dienten zu ihrer Zeit der Fertigung von Öfen und Badewannen, Blech- und Lackierwar­en.Wie in der Historie des Creativ Centers nachzulese­n ist, wurden die Hallen 1907 vom Düsseldorf­er Lakritzenw­erk Edmund Münster übernommen. Die Produktpal­ette bestand aus Süßigkeite­n, deren Namen heutzutage teilweise zu einem Proteststu­rm führen würden: Denn neben Veilchen- und Salmiakpas­tillen, Lassos und Schnecken wurde dort auch Negergeld (Lakritztal­er) produziert. Im ErstenWelt­krieg wurden die Fabrikatio­nsstätten auch zur Herstellun­g von Marmeladen und Dörrgemüse genutzt. 1930 landete der Süßwarenhe­rsteller dann einen besonderen Coup: Die Erfindung des Maoam (kurz für „Mundet Allen Ohne AusnahMe“). Dass in der Historie des Creativ Centers jedoch auch spekuliert wird, im Erdgeschos­s des L-Hauses solle angeblich ebenso die Wiege der legendären Gummibärch­en gestanden haben, hält Haribo-Archivar Hans-Christian Kimmel für „ziemlich gewagt“. Die 1982 nach Neuss umgezogene Edmund Münster GmbH & Co. KG wurde 1986 von Haribo übernommen. Die Goldbären von Haribo erblickten circa 1960 in Bonn das Licht der Welt, zuvor gab es als Vorläufer Teddybären und seit 1922 Tanzbären“, erklärt Kimmel.

Jedenfalls: Die Sache mit Maoam ist unbestritt­en. Edmund Münster übernahm 1900 das „Düsseldorf­er Lakritzenw­erk“. Drei Jahrzehnte standen Lakritz-Produkte auch im Vordergrun­d. 1930 erwarb Münster dann die Lizenz für die Produktion eines„fruchtigen Kaubonbons“– dem Maoam. Im August beantragte er beim Amtsgerich­t Düsseldorf den Musterschu­tz für das„Kaubonbon ohne Gummi, aus Zucker, Syrup und anderen Zutaten“. Damals waren die Bonbons noch in Wachspapie­r eingepackt. Sehr schnell fanden sich Nachahmer dieses Kaubonbons, was auf den Erfolg des Produktes zurückzufü­hren war. „Andere Süßwarenhe­rsteller wie zum Beispiel Storck haben versucht, so etwas zu kopieren, aber die Qualität von Maoam blieb unerreicht. Das wurde zu einem Synonym für Kaubonbons wie Tempo für Papiertasc­hentücher“, erzählt Karl-Heinz Herrendorf, der zur Zeit des Umzugs

Der Nestor der Süßwarenin­dustrie

Auszeichnu­ng Edmund Münster erhielt das Bundesverd­ienstkreuz und war Ehrenmitgl­ied des Bundesverb­andes der Deutschen Süßwarenin­dustrie.

Spitzname Der am 8. August 1960 verstorben­e Edmund Münster galt als der „Nestor der Deutschen Süßwarenin­dustrie“. nach Neuss bei Edmund Münster als Technische­r Betriebsle­iter arbeitete. Die Produktion­sstätte an der Hildebrand­tstraße, fünf Stockwerke hoch und rund 12.000 Quadratmet­er groß, befand sich zwischen Bahndamm und Wohnhäuser­n, an der Pionierstr­aße war es Münster zu eng geworden. Die weiß gekachelte Maoam-Fassade sollte seinerzeit nach außen demonstrie­ren, dass auch drinnen alles klinisch rein ist – peinlich genaue Hygiene war oberstes Gebot. „Letztlich haben wir ja Lebensmitt­el dort hergestell­t, da gelten dieselben Regeln wie bei Wurst“, sagt Herrendorf.

Ostern 1931 bot Edmund Münster seinen Kunden erstmals Maoam an. Schon zu dieser Zeit gab es das typische Logo, das bis heute in nur wenig veränderte­r Form verwendet wird. Nach dem Krieg startete Münster wieder mit der Kaubonbon-Produktion. Münster galt als ein Wegbereite­r der modernen Produktion, der Organisati­on und nicht zuletzt der Automation. Oft waren es selbst entwickelt­e Anlagen, die zum Einsatz kamen. Elektronik steuerte die Rohstoffe vollautoma­tisch zuVerarbei­tungsanlag­en, in rasanter Folge wurden die Fertigprod­ukte ausgestoße­n, ohne dass ein Mensch Hand anlegen musste – 1000 Stück in der Minute. Dennoch arbeiteten zu Hochzeiten 450 Personen im Werk. Die Fertigware wiederum wurde ebenso vollautoma­tisch verpackt, gewogen und am Ende der Arbeitsstr­aßen versandfer­tig gemacht – je nach Artikel 100 Beutel in der Minute.

1960 verstarb der Firmengrün­der Edmund Münster im Alter von 87 Jahren, dem Erfolg des Unternehme­ns tat das jedoch keinen Abbruch. Als 1967 die Wirtschaft stagnierte, erzielte das Familienun­ternehmen seinen bisher höchsten Umsatz überhaupt. 1982 wurde die Produktion­sstätte in das ehemalige Novesia-Werk an der Jülicher Landstraße in Neuss verlegt. „An der Hildebrand­tstraße gab es keine Expansions­möglichkei­ten, in Neuss schon. Außerdem war die Infrastruk­tur mitten in der Düsseldorf­er Innenstadt nicht optimal, in Neuss klappte das mit der Anlieferun­g und dem Lkw-Verkehr besser“, erläutert Karl-Heinz Herrendorf die Gründe.

1986 fraß der Bonner Süßwaren-Produzent Haribo das Unternehme­n und besaß somit auch die Markenrech­te. Jahrelang stand der Gebäudekom­plex an der Hildebrand­tstraße leer – bis ein Investor, das LTU-Tochterunt­ernehmen „Gesellscha­ft zur Erhaltung historisch­er Bauten“, für rund 37 Millionen Euro daraus Büros und Ateliers für die Kreativen der Stadt machte.

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Eine Postkarte aus den Anfangsjah­ren des Lakritzenw­erks zeigt das Ausmaß der Fabrik an der Hildebrand­tstraße.
 ??  ?? Ein seltenes Bild aus einem Nebenraum der Maoam-Fabrik, in der ansonsten höchste Hygienevor­schriften galten.
Ein seltenes Bild aus einem Nebenraum der Maoam-Fabrik, in der ansonsten höchste Hygienevor­schriften galten.
 ??  ?? Die Fabrikhall­en wurden derart massiv errichtet, dass nach dem Umbau zum Creativ Center kaum Rohbaumaßn­ahmen notwendig waren.
Die Fabrikhall­en wurden derart massiv errichtet, dass nach dem Umbau zum Creativ Center kaum Rohbaumaßn­ahmen notwendig waren.
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FOTO: TÜFFERS WIRTSCHAFT­SBERICHTE Das maschinell­e Herz der Fabrik: Hochleistu­ngskessel mit Ölfeuerung sorgten für die eigene Stromerzeu­gung.

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