Krankenhausleiter ab sofort freigestellt
Aufsichtsgremien nennen Interview-Äußerungen von Nicolas Krämer „inakzeptabel“und „schädlich“. Der Chef der kommunalen Krankenhausgruppe entschuldigt sich mit einem Schreiben bei allen 3800 Mitarbeitern.
NEUSS Nicolas Krämer, Geschäftsführer des kommunalen Krankenhausverbundes Rheinland-Klinikum Neuss, ist am Donnerstagabend vorübergehend von seinen Dienstpflichten entbunden worden. Weitere rechtliche Schritte würden geprüft, berichteten der Aufsichtsratsvorsitzende Wilfried Jacobs und Landrat Hans-Jürgen Petrauschke sowie Bürgermeister Reiner Breuer als Vertreter der Gesellschafter im Anschluss an eine gemeinsame Besprechung. Alleiniger Geschäftsführer ist der erst zum 1. März ins Unternehmen eingetretene Kölner Martin Blasig.
Mit der Beurlaubung regieren die Vertreter der Aufsichtsgremien auf ein Interview, das Krämer vergangenen Freitag der Initiative „Düsseldorf hält zusammen“gegeben hatte. Darin äußerte er sich in einer Art und Weise über Frauen in Pflegeberufen, die die CDU-Fraktionsvorsitzende Helga Koenemann „entwürdigend“nennt. Sie hatte am Donnerstag gemeinsam mit Elisabeth Heyers, der Vorsitzenden des Beteiligungsausschusses, ein Statement veröffentlicht, in dem sie von den Aufsichtsgremien Konsequenzen gegenüber Krämer fordern. Die
„Die Äußerungen sind inakzeptabel und schädlich für das Ansehen des Krankenhauses“
Aus der Stellungnahme der Aufsichtsgremien
se Reaktion, so Koenemann, „muss deutlich ausfallen“– und fiel sie auch. Die Äußerungen und die damit gezeigte Haltung Krämers zur Bezahlung und Motivation insbesondere weiblicher Pflegekräfte zur Ergreifung dieses Berufes, heißt es in einer Erklärung der Verantwortlichen, würden als „inakzeptabel“und „schädlich für das Ansehen des Krankenhauses und der dort Beschäftigen“angesehen.
Über eine Stunde lang hatte sich Krämer in dem Live-Interview dazu geäußert, wie sich das Rheinland-Klinikum in der Corona-Krise aufstellt, wie viele Betten für Corona-Patienten frei gehalten werden und dass die Kapazitäten auf den Intensivstationen verdoppelt wurden. Dafür gab es viel Lob in den Kommentarspalten der sozialen Medien, über die das Interview verbreitet wurde. Doch zwei Äußerungen lösten nur Empörung aus: Krämers Satz: „Vielleicht träumt die eine oder andere Krankenschwester ja davon, einen Chefarzt kennenzulernen“wurde im Netz als antiquiert, chauvinistisch und von Betroffenen als „Schlag ins Gesicht“kritisiert.
Auch sein Versuch im Interview mit dem, wie er sagt, Gerücht Schluss machen zu wollen, dass Krankenpflege „per se schlecht bezahlt ist“, missriet gründlich. Die von Krämer angeführten 55- bis 70.000 Euro Jahresgehalt, die in der Stations- beziehungsweise Pflegedienstleistung und damit an der Spitze der Gehaltspyramide erreicht werden könnten, wurden als„Mondscheingehälter“tituliert. „Wer behauptet, eine Schwester verdiene nicht schlecht und dabei eine Stationsleitung mit vielen Diensten anführt, hat ja wohl den Knall nicht gehört“, kommentiert zum Beispiel Michaela Robben auf Facebook. Krämers Ergänzung, dass jemand, der sich für diesen Beruf entscheidet, kein„Einkommensmillionär“werden wolle, machte die Sache nur schlimmer. Seine Hinweise, dass gerade die Menschen in Pflegeberufen Respekt und Anerkennung verdienen und die Corona-Krise vielleicht der richtige Zeitpunkt sei, um über bessere Tarife für sie zu sprechen, verbesserten den Gesamteindruck nicht. Auch der SPD-Parteivorsitzende Sascha Karbowiak nannte Krämers Äußerungen „unangemessen und falsch“. Krämers handgeschriebene und dabei so knapp wie deutlich formulierte Entschuldigung, die am Donnerstag jedem der 3800 Beschäftigten in der Gruppe zuging, wurde als Flucht nach vorne gewertet.
Verschärfend kommt aus Sicht der Politik hinzu, dass am gleichen Tag, an dem Krämer im Interview die genannten Krankenhausgehälter als „nicht schlecht“bezeichnete, die Politik über seinen Wunsch diskutierte, den noch bis 2022 laufenden Geschäftsführer-Vertrag vorzeitig zu verlängern – zu verbesser
Nicolas Krämer in seinem Entschuldigungsbrief
ten Konditionen. Wilfried Jacobs hatte die geheim tagenden Vorsitzenden der Neusser Ratsfraktionen damit konfrontiert. Als Zahlen genannt wurden, so berichten Teilnehmer, „war erst mal Irritation im Saal“. Nicht die Tatsache, dass der Geschäftsführer schon jetzt mehr als das Viereinhalbfache einer Stationsleitung erhält, löste diese Irritation aus. Das, so heißt es, gelte als branchenüblich. Es waren die üppigen Pensionsregelungen, die als „aus der Art geschlagen“bezeichnet wurden. „Ein Wahnsinnsvertrag“nannte ihn ein Teilnehmer schon jetzt. Dem Wunsch auf vorzeitige Vertragsverlängerung wurde nicht entsprochen. Stattdessen fordern einige Politiker eine Untersuchung der Frage, „wer damals bei denVerhandlungen geschlafen hat“.
Dafür, dass er seinerzeit gut verhandelt habe, will sich der promovierte Kaufmann Krämer nicht entschuldigen. Wohl aber für einige seiner Äußerungen, die er als unbedacht und ungeschickt mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück nimmt. „Das entspricht nicht meiner Gesinnung“, sagt Krämer, der in seiner Entschuldigung von einem „schweren Fehler“spricht.
„Sie sind es, die mit Ihrer Arbeit unser Rheinland-Klinikum zusammenhalten“