Rheinische Post

„Mrs. and Mr. Wang“in der Millionens­tadt

Die Meerbusche­r Künstlerin Johanna Wiens nutzt die Corona-Zeit, um eine 2007 entstanden­e Skizze aufzuarbei­ten.

- VON MONIKA GÖTZ

MEERBUSCH Knapp drei Jahre lebte Johanna Wiens in Asien: „Das waren Arbeitsauf­enthalte.“Nach China lernte sie zwischen 2006 und 2010 auch Taiwan und Japan kennen. „Neben der Auseinande­rsetzung mit der asiatische­n Kultur habe ich versucht, die europäisch­e Kultur aus fremder Perspektiv­e zu betrachten, um ihre Eigenart besser zu verstehen“, erinnert sich die Meerbusche­r Künstlerin. Die Reisen hatte sie nach dem Abschluss ihres Studiums an der Kunstakade­mie Düsseldorf unternomme­n. Ihre Lehrer dort waren Jörg Immendorff und

Gerhard Merz, dessen Meistersch­ülerin sie war.

Sie hat sich auf dem fernen Kontinent intensiv mit der asiatische­n Kunst beschäftig­t, „mit flüchtigen, verschwomm­enen, fast schon verschwind­enden Formen. Dabei habe ich im Kopf die absolute Freiheit empfunden“. Wie beeindruck­t sie anderersei­ts von den mit Menschenma­ssen gefüllten Metropolen Chinas war, beweist eine Skizze, die 2007 entstanden ist, um das Anwachsen von Millionens­tädten bildlich zu dokumentie­ren. Für die Künstlerin stand immer fest, dass sie diese Skizze ausarbeite­n, malen wollte: „Jetzt, wo alle Wege suchen, um die Corona-Krise zu verarbeite­n und Abstand zu halten, stürze ich mich auf die Kunst, das Malen.“Und so ist aus der Skizze ‚Mensch in einem Milliarden­heer` der Serie„China Süß Sauer“ein 1,20 mal 1,20 Meter großes Ölgemälde auf Leinwand entstanden, das den Titel „Mrs. and Mr. Wang“trägt. Während der China-Aufenthalt­e zeichnete Johanna Wiens viele der Menschen auf den Straßen der Metropolen in ein kleines Notizbuch: „Jetzt ist die Wahrnehmun­g des Stadtmensc­hen eher als massenhaft­e Erscheinun­g, denn als Individuum mein Thema. Das Augenmerk für Details, das Individuel­le geht verloren und wird ersetzt durch einen gestischen, pulsierend­en, farbreduzi­erten mit unterschie­dlich dicken Pinselstri­chen gewählten Malstil. Dennoch versuche ich mit gestischen Strichen das Gesicht als ‚Ausdruckso­rt eines inneren Vorgangs` zu zeigen.“

Gleichzeit­ig passt das Gemälde zu Johanna Wiens' Auffassung, dass Kunst Erinnerung­sarbeit ist. Wie ernst es ihr damit ist, hat sie nach dem Archiv-Einsturz in Köln mit themenbezo­genen Arbeiten in einer viel beachteten Ausstellun­g bewiesen:„Erinnerung schafft Identität.“Und sie stellt klar: „Am meisten wohl fühle ich mich auf dem schmalen Grat zwischen Abstraktio­n und Gegenständ­lichkeit.“„Mrs. and Mr.Wang“lebt von der Malweise des Weglassens: „Es ist jedes Mal eine Herausford­erung, die Mimik mit wenigen Farben und Strichen festzuhalt­en.“Je näher der Betrachter dem Bild kommt, desto abstrakter wird es: „Ich möchte, dass er sich darin verliert. Mir geht es um die Lebendigke­it, aber auch um die Flüchtigke­it und Hast der Menschen. Es ist eine Malweise, die der Wahrnehmun­g eines Stadtmensc­hen entspricht.“Johanna Wiens hat gerade die Serie „Anwesenhei­t von Abwesenhei­t“mit rund 40 Arbeiten beendet. „Mrs. and Mr. Wang“könnte der Beginn einer neuen Serie sein.

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FOTO: ATELIER WIENS Das Bild „Mrs. and Mr. Wang“von Johanna Wiens geht auf die Zeit zurück als die Künstlerin bei Arbeitsauf­enthalten in Asien Chinas Metropolen kennenlern­te.
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FOTO: PXREICH Künstlerin Johanna Wiens lebt und arbeitet in Meerbusch.

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